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Die Kritiker: Die feige Schönheit

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Ein Avant-Garde-Film, durchsetzt mit Schauspielprofis und Laiendarstellern einer internationalen queeren Skateboard-Gruppe: Das Einschalten lohnt.

Stab

Darsteller: Pascale Numan, Sira-Anna Faal, Lea Meny, Melika Nazari, Marine Bourdais, Ludwig Schubert
Schnitt: Evelyn Rack
Musik: Moritz Krämer
Kamera: Greta Isabella Conte
Buch: Saskia Benter Ortega
Regie: Moritz Krämer

Bei Skateboards hat man ja nicht so das Gefühl, dieses Brett mit vier Rollen könnte die Welt retten – aber hier, in «Die feige Schönheit», ist das zumindest die Hoffnung. Irgendwo zwischen Betonrampen, Tränen auf dem T-Shirt und einem ewigen Grummeln im Bauch, das vermutlich Schuld heißt, versucht dieser Film sich an einem kunstvollen Aufschlag: Coming-of-Age mit Knall – und Knacks.

Kesse – ein Name wie ein halbironischer Spitzname auf WhatsApp – schubst versehentlich Mays kleinen Bruder Pepe in den Tod. Skaten. Unfall. Mauer. Schnitt. Und zack: Kesse steht vor dem Loch, das man Leben nennt, wenn alles gerade zusammenfällt. Und dieses Loch ist tief. So tief, dass nicht mal ein Kickflip drüber hilft. Kesses Crew? Lässt sie fallen wie ein altes Deck. Die Liebe zu May? Verstummt wie ein Kopfhörer in der Waschmaschine. Der Alltag? Eher so ein Slalom zwischen Verdrängen, Heulen und diesem stillen, stillen Wunsch, dass irgendwer sagt: Du bist noch da.

Regisseur Moritz Krämer inszeniert das alles mit einer Mischung aus dokumentarischem Zucken und klarem Willen zur Kunst. Kamera: lässig, nah dran, poetisch – aber nie verklärt. Es gibt großartige Momente: Die Sonne auf rauer Haut, verschämte Blicke, ein Skateboard, das über den Platz rollt wie zum Trotz. Und ja, diese Crew – die VUM-Girls – sie tragen das Herz nicht auf der Zunge, sondern in den Knien, wenn sie über Rampen fliegen, als ginge es um Würde.

Die Mischung aus Laiendarstellerinnen und Schauspielprofis, auf die sich dieser Film einlassen will, wirkt dabei nicht immer homogen – aber genau das ist manchmal der Reiz: Der Film wackelt, stolpert, ist unfertig – wie seine Figuren. Pascale Numan als Kesse ist eine Entdeckung. Ihr Blick: flimmernd zwischen Reue und der leisen Sehnsucht, vielleicht doch noch gerettet zu werden. Sira-Anna Faal spielt May wie eine Wunde, die nicht heilt – sondern blüht. Ihre Trauer ist so zurückhaltend inszeniert, dass sie schmerzt. Und dann ist da noch die Mutter, Sheila (Melika Foroutan), die mit Blicken ganze Romane über Schuld, Verlust und stille Wut schreibt.

Und doch: Es bleibt ein Hauch von Behauptung. Das Drehbuch (Saskia Benter Ortega) will viel, zu viel vielleicht: Trauerverarbeitung, Diversität, Skatekultur, toxische Männlichkeit, Queerness, Klassismus, Kunsttrauma – alles rein in die Bowl. Das ist ehrenwert, wichtig – aber dramaturgisch eben manchmal auch ein Balanceakt mit zu vielen Boards auf einmal. Nicht jeder Dialog zündet, nicht jede Szene trägt. Einige Motive rauschen vorbei wie zu schnelle Tricks: Man erkennt den Schwung, aber nicht immer die Richtung.

Trotzdem – «Die feige Schönheit» ist kein Fehltritt, sondern ein wagemutiger Film, der weiß, dass Schönheit auch darin liegt, etwas nicht zu glätten. Seine Bilder vibrieren. Seine Figuren schwitzen Wirklichkeit. Seine Musik (ebenfalls von Krämer) zittert zwischen Melancholie und Aufbruch. Nicht alles gelingt. Es knarzt, es stolpert. Aber vielleicht ist genau das der Punkt. «Die feige Schönheit» zeigt eine Welt, in der Verletzlichkeit kein Makel ist, sondern Material. Und aus dem kann man was bauen. Eine Rampe. Oder einen Film. Oder beides.

Der Film «Die feige Schönheit» wird am Montag, den 23. Juni um 23.50 Uhr im ZDF ausgestrahlt.

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