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#Die Kunst ist eine verwinkelte Falle

Die Kunst ist eine verwinkelte Falle

Der Stadtteil Cabrini-Green im nördlichen Teil von Chicago war einmal der Inbegriff eines Problemviertels. Inzwischen sind die Wohnbauten von damals längst abgerissen, und nun soll hier ein gemischtes Leben stattfinden, so stellt es sich jedenfalls die Politik vor. De facto heißt das, dass Investorenträume ein paar Sozialwohnungen integrieren müssen. In der populären Kultur ist Cabrini-Green bekannt, weil 1992 im Horrorfilm „Candyman“ von Bernard Rose die gleichnamige Slasher-Figur dort umging. Es war ein Meilenstein afroamerikanischen Kinos, und so leuchtet unmittelbar ein, dass gerade jetzt, in einer Zeit, in der dieses Kino große Schritte macht, ein neuer „Candyman“ herauskommt. Die Produzenten sprechen von einem Reboot, also Neustart. In vielerlei Hinsicht ist dieser „Candyman“ unter der Federführung der hochinteressanten Regisseurin Nia DaCosta und mit Autorenbeteiligung von Jordan Peele („Get Out“) ein Versuch, Mythologien des schwarzen Amerikas zusammenzuführen und mit den Aufstiegshoffnungen einer neuen Mittelklasse in Beziehung zu setzen.

Das wird an dem Paar deutlich, das im Mittelpunkt der Erzählung steht: Der Maler Anthony und seine Partnerin Brianna, eine Galeristin und Kuratorin, leben im neuen Cabrini-Green. Ihre Wohnung erzählt gleichsam von den Schritten, die sie schon gemacht haben, nun öffnen sich für Brianna die nächsten Chancen, sie hat bereits ein Bein in einer großen Kunstinstitution. Anthony wiederum liefert den Rohstoff, seine Bilder sind die Ware, nach der die stark kommerzialisierte amerikanische Museumskultur dringend verlangt. Allerdings stockt gerade ein wenig die Produktion. Anthony braucht Inspiration. Und er bekommt sie auf eine Weise, die an die schlimmsten Beispiele von Künstlern erinnern, die sich auf einen Teufelspakt eingelassen haben.

Die Wohnung wird Schauplatz einer Wiederkehr des Verdrängten

Denn er beginnt sich obsessiv mit der Geschichte vom Candyman zu beschäftigen, einer Horrorfigur, die bevorzugt in Spiegeln erscheint. Ein schwarzer Mann, dem eine Hand fehlt, ein Wiedergänger und Abkömmling von Opfern des grausamen amerikanischen Rassismus.

Schritt für Schritt rekapituliert Anthony mit seiner Beschäftigung die Voraussetzungen, die der erste „Candyman“ geschaffen hat; damals war es eine weiße Frau, deren Nachforschungen alles in Bewegung setzten. Dieses Mal spielen Weiße nur am Rande eine Rolle, vor allem in einer betont grotesken Szene, in der ein Starkritiker aus New York anreist zu einem Abendessen, von dem Brianna sich viel verspricht und zu dem Anthony schon sehr derangiert erscheint.

Einer der klügsten Horrorfilme der letzten Jahre

Höhepunkt des Films ist eine Szene, in der eine Kritikerin, auch sie ist weiß, den Maler in ihrer Wohnung empfängt, und damit unwissend auch der Albtraumfigur die Tür öffnet, die Anthony nicht mehr loswird. Hier zeigt sich die Regisseurin als Meisterin eines Horrors, der Räumen und sozialen Strukturen selbst zu entströmen scheint. Die extravagante, zugleich verwinkelte und exponierte Wohnung wird Schauplatz einer Wiederkehr des Verdrängten.

Die aufstrebende Galeristin Brianna (Teyonah Parris) hat Angst um ihren Freund.


Die aufstrebende Galeristin Brianna (Teyonah Parris) hat Angst um ihren Freund.
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Bild: AP

Bernard Rose ging bei seinem „Candyman“ damals von einer Erzählung von Clive Barker aus, die in Liverpool spielte und sich mit den sozialen Hierarchien zwischen unterschiedlichen Stadtvierteln beschäftigte. Die Horrorfigur bekam bei Rose einen traumatherapeutischen Aspekt, jedenfalls ist das die Hypothese, mit der die Forscherin Helen Lyle gern arbeiten würde. In dem neuen „Candyman“ ist es vor allem das implizite Argument, das die großartig inszenierten Slasher-Momente noch größer und bedeutsamer macht: Anthony ist als Maler zerrissen zwischen den Möglichkeiten einer freien Kunst, die ihm erlauben würde, ohne den Einsatz der eigenen Existenz zu arbeiten, und einer Kunst, die unmittelbar aus seiner Identität kommt. Der Markt sucht diese zweite Kunst, eine authentische, die schnell zum „Typecasting“ werden kann.

Der Schrecken der urbanen Legende vom Candyman liegt für Anthony also darin, dass ihm gerade deswegen, weil er ein schwarzer Künstler ist, der Weg aus den Mythologien seiner Community versperrt sein könnte. Nia DaCosta konfrontiert die alte Sage mit den zwei Systemen der neueren Stadtentwicklung und eines Kunstfelds, das im Zeichen derselben ökonomischen Logiken steht, die sich auch in den entsprechenden Wohnungen zeigen. „Candyman“ ist einer der klügsten (und stellenweise auch unheimlichsten) Horrorfilme der letzten Jahre.

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