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#Die Launen der Natur auf dem iPad

Die Launen der Natur auf dem iPad

In diesem Monat geht jeden Abend zur Dämmerstunde die Sonne an Londons Piccadilly Circus antizyklisch auf. Pünktlich um 20.21 Uhr lugt sie auf der größten digitalen Werbefläche Europas vorsichtig hinter einem Hügel am Horizont hervor, bevor sie beginnt, über die Felder emporzusteigen und ihre Strahlen wie Tentakel auszustrecken, bis das goldene Licht derart blendet, dass es alle Farben auslöscht. Dann erscheint, wie von Kinderhand in Großbuchstaben geschrieben, die Verlautbarung: „Vergiss nicht, dass du die Sonne und den Tod nicht sehr lang betrachten kannst.“

Gina Thomas

Feuilletonkorrespondentin mit Sitz in London.

Der digitale Sonnenaufgang ist eine Animation von Bildern, die David Hockney in seinem französischen Lockdown-Paradies gezeichnet hat. Im Herbst 2018 fasste er bei einer Fahrt durch die Normandie den Entschluss, das Wiedererwachen der Natur aus dem Winterschlaf in der Landschaft einzufangen, die oft als die Wiege des Impressionismus bezeichnet wird. Hockney proklamierte kess, den Franzosen, die das Handwerk der Malerei verlernt hätten, wieder beibringen zu wollen, die Normandie zu malen. Kaum, dass er sich östlich von Caen in einem alten normannischen Gehöft inmitten von Obstbäumen und Wiesen eingenistet hatte, kam die Pandemie. Sie bescherte ihm die Freiheit, sich ohne Störungen von außen ganz dem Projekt zu widmen, mit dem die Royal Academy jetzt nach mehr als fünf Monaten wiedereröffnet. Hockneys Assistent spricht scherzhaft von der „Covid Collection“.

Differenzierte Farben, vielschichtige Markierungen

Die Schau „Die Ankunft des Frühlings, Normandie, 2020“, umfasst hundertsechzehn Bilder, die in einem Arbeitsrausch von fünfundneunzig Tagen auf dem iPad entstanden sind. Auf 1,40 mal 1,05 Meter vergrößert ausgedruckt und rahmenlos auf Aluminium montiert, erlaubt diese friesartige Sequenz überbordender Vitalität dem Betrachter, den Wandel der Natur wie im Zeitraffer durch die raffiniert vereinfachenden Augen des Künstlers zu erleben. Als Einschränkung ist allerdings zu vermerken, dass die gedruckten Bilder trotz ihrer erhebenden Leuchtkraft in der Vergrößerung etwas stumpf wirken, wie Plakate statt fein strukturierte Flächen. Zu Hockneys Vorbildern zählt der vierzig Autominuten entfernte Wandteppich von Bayeux mit der gestickten Geschichte der normannischen Eroberung Englands im Jahr 1066. Wie bei chinesischen Bildrollen reizt ihn an diesem siebzig Meter langen Tuchstreifen das Fehlen von Schatten und einem festen Fluchtpunkt. Statt den Blick zu fixieren, wird er durch multiple Perspektiven beweglich gehalten, sodass er den Betrachter durch Zeit und Raum führt.

Baumhaus: „No. 125“ vom 19. März 2020



Bilderstrecke



Bilder des Frühlings
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Werke aus der David-Hockney-Ausstellung in der Royal Academy

Auch im Alter von dreiundachtzig Jahren hat Hockneys Begeisterung für das Erproben neuer Mittel zur Erweiterung seines künstlerischen Ausdrucksvermögens ebenso wenig nachgelassen wie der Frohsinn, den er auch jetzt wieder in der Londoner Royal Academy mit seinem farbenprächtigen Frühlings-Zyklus verströmt. Seit seinen ersten Experimenten auf dem iPad hat er einen raffinierteren Malkasten auf seine Bedürfnisse zuschneidern lassen. Die Farben sind differenzierter, die Markierungen vielschichtiger geworden.

Nachsinnen über Sehen und Wahrnehmen

Am Anfang der Schau zeigen zwei Bildschirme mit animierten Bildern, wie er sich auch an bewegten Bildern versucht. Im Blick aus dem Fenster auf die verregnete Landschaft meint man sogar das Rauschen des Niederschlags zu vernehmen. Dank der Technik kann er die schnell wechselnden Lichtreflexe einfangen, ohne warten zu müssen, bis die Farben trocknen. Als er nachts beim Toilettengang den Mond zwischen eilenden Wolken erblickte, brauchte er bloß zu seinem hintergrundbeleuchteten Gerät zu greifen, um den Augenblick auf eine Weise festzuhalten, die nach seinem Ermessen einen weitaus besseren Eindruck vermittelt. Denn der Mond lässt sich ohne Sonderausrüstung ebenso wenig fotografieren wie der fallende Regen. Hockney hält es ohnedies für „absurd zu denken, dass Fotos das ultimative realistische Bild“ liefern. „Sie sind ein kurzzeitiges Phänomen auf der endlosen Suche, zu sehen, wie die Welt beschaffen ist.“

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