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#Die Politik schürt den Kulturkampf

„Die Politik schürt den Kulturkampf“

Die Entscheidung scheint gefallen, Amerikas Oberstes Gericht will im Juni einen „Fehler“ eingestehen: dass es 1973 aus der Verfassung ein Recht der Frauen ableitete, Schwangerschaften abzubrechen, solange das Baby außerhalb des Mutterleibs noch nicht lebensfähig wäre. Eine landesweit einheitliche Regelung gibt es dann nicht mehr. Ob und wann eine Amerikanerin abtreiben darf, wird schon in wenigen Wochen davon abhängen, wo sie lebt – und wie viel Geld sie hat.

In rund der Hälfte der Bundesstaaten werden Abtreibungsärzte nicht oder kaum mehr tätig sein dürfen. Ein Überbietungswettbewerb unter Republikanern führt dazu, dass vielerorts auch vergewaltigte Mädchen ihr Kind austragen müssen. Selbst Ausnahmen für Mütter, deren Überleben gefährdet ist, fechten Kulturkämpfer im Namen des Lebensschutzes an.

Auch auf der Linken gibt es einen Überbietungswettbewerb. De­mo­kraten nutzen die politische Gunst der Stunde, um den Zugang zu Abtreibung in ihren Staaten zu verbilligen. Manche planen Reisestipendien für Schwangere aus konservativen Staaten. Also wollen Republikaner gegen „Abtreibungstourismus“ vorgehen, indem sie auch Beihilfe zur Abtreibung unter Strafe stellen. Wehe dem Vater aus Missouri, der seine Tochter zum Arzt nach Chicago fährt!

Donald Trumps Pakt mit der christlichen Rechten

Wehe erst recht den mittellosen Frauen, den verunsicherten Migrantinnen ohne Aufenthaltserlaubnis, den Schwangeren, die sich niemandem anvertrauen können. Viele werden trotz Zuschüssen keine Reise in einen der „sicheren Häfen“ unternehmen können, als die demokratische Gouverneure ihre Staaten nun etikettieren. Fast zwangsläufig wird im Untergrund ein Netz von „Ärzten“ entstehen, die illegal Abtreibungen vornehmen, mit allen Gefahren für die Gesundheit der Mütter.




Das ist die Frucht des Pakts, den die Lobbyisten der „christlichen Rechten“ mit Donald Trump schlossen: Trotz seiner Lebensweise, die ihren Werten hohnsprach, verhalfen sie ihm ins Weiße Haus; er ernannte die Richter, die sie ihm aufschrieben; sie organisierten ihm den Jubel. Der aber täuscht darüber hinweg, dass sich seit Jahrzehnten rund drei Fünftel der Amerikaner dagegen aussprechen, am Grundsatzurteil „Roe gegen Wade“ zu rütteln. Selbst unter Republikaner-Anhängern überwiegt diese Meinung – kaum, weil sie die vor fast fünfzig Jahren ersonnene Rechtskonstruktion für so weise halten, sondern weil es so schwer fällt, eine bessere Antwort auf das Dilemma zwischen Selbstbestimmungsrecht der Frau und Schutz des ungeborenen Lebens zu geben.

Doch Amerikas Wahlsystem verschafft den radikalen Aktivisten beider Parteien überproportionalen Einfluss. Für die Abtreibungsgegner zahlt sich zudem aus, dass sie vor Jahrzehnten ihre Rhetorik veränderten: Sie dozierten kaum mehr über sexuelle Enthaltsamkeit von Frauen oder die Grenzen von deren Verfügungsgewalt über ihre Körper, sondern allein über die Rechte ungeborener Kinder. Indem sie sich zu Beschützern unschuldiger Babys vor einem „Holocaust“ oder „moderner Sklaverei“ aufschwangen, gaben sie sich den Anstrich einer Bürgerrechtsbewegung. Das machte sie auch für junge (weiße) Konservative attraktiv.

Beispiel Oklahoma: Noch vor dem Supreme-Court-Urteil stellte der Staat im April die Durchführung von Abtreibungen unter Strafe.Gouverneur Kevin Stitt unterzeichnete stolz das Gesetz.


Beispiel Oklahoma: Noch vor dem Supreme-Court-Urteil stellte der Staat im April die Durchführung von Abtreibungen unter Strafe.Gouverneur Kevin Stitt unterzeichnete stolz das Gesetz.
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Bild: dpa

Viele Amerikaner sind religiös. Ihr Bekenntnis zum Lebensschutz sollte ernst genommen werden. Doch das fällt schwer, wenn die politischen Vertreter dieser großen Minderheit nicht nur den Konflikt mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frauen ausblenden, sondern Lebensschutz so selektiv auslegen. Die Staaten mit Abtreibungsverboten sind meist jene, die ihre Bürger zum Gebrauch ihrer Schusswaffen geradezu ermuntern, die Todesstrafe verhängen oder drogensüchtigen Kleinkriminellen Therapien vorenthalten. Einer der letzten moderaten Republikaner von Rang forderte vor Jahren, man dürfe nicht nur Menschenleben schützen, „die uns noch nicht enttäuscht haben“, weil sie noch im Mutterleib sind. Der Appell verhallte.

Wenn Abtreibung Mord ist – ist die Mutter die Mörderin?

In Louisianas Parlament wurde vielmehr nun diskutiert, Abtreibung als Mord einzustufen. Todesstrafe für den Arzt? Oder die Mutter? Die Befürworter erklärten sich mit gewissem Recht für konsequent, wurden aber von Führern der eigenen Bewegung gemaßregelt. Genauso erging es Trump, als er 2016 davon redete, man müsse Frauen für Abtreibungen „irgendwie bestrafen“. Derlei unterläuft die taktische Maßgabe: Es geht um Babys, nicht um Mütter!

Nun wird aus dem politischen Spiel existenzieller Ernst, auch für republikanische Wählerinnen und Wähler oder deren Töchter. Bestenfalls öffnet das die Tür für die überfällige, abwägende Debatte darüber, ob der Staat besser als die Mutter weiß, was mit einem Embryo passieren darf. Zuerst aber wird Amerika ein Flickenteppich, auf dem der Schutz des ungeborenen Lebens und die Rechte der Frauen von politischer Taktik abhängen.

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