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#Die Stunde der Besserwisser

Die Stunde der Besserwisser

Die Corona-Krise und die dadurch entstandene „Querdenker“-Bewegung haben der Wissenschaftsskepsis Auftrieb gegeben. Aus einer kleinen, pandemiekritischen Gruppe entwickelte sich binnen weniger Monate, angefacht durch das Internet, eine der größten sozialen Bewegungen der letzten Jahre. Doch die Wurzeln dieser Fragmentierung von Öffentlichkeit durch die Wissenschaftskritik liegen tiefer. Frühere Gruppen weisen ähnliche Charakteristika wie die Querdenker auf, etwa die „9/11 conspiracy“, welche die offiziellen Berichte zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 der Fälschung verdächtigt.

Schon im Sommersemester 2020 hatten sich die Berliner Mosse-Lectures den Verschwörungstheorien widmen wollen. Dann musste das Thema um ein Jahr verschoben werden. Die Eröffnungsvorlesung mit dem Titel „Die Besserwisser. Wissenschaftsskepsis, Verschwörungsdenken und die Erosion der Wirklichkeit“ hielt in diesem Jahr die Kulturwissenschaftlerin Eva Horn, Professorin für Neuere deutsche Literatur am Institut für Germanistik der Universität Wien. Sie forscht seit mehreren Jahren zum Thema Wissenschaftsskepsis. In Publikationen wie „Zukunft als Katastrophe“ und „Das Anthropozän“ hat sie sich unter anderem mit den Leugnern des Klimawandels auseinandergesetzt.

Erosion der Wirklichkeit?

Horn beginnt ihren Vortrag mit dem Brief eines Freundes, der ebenfalls an einer Universität doziert. „Trump hat recht – es liegt eine große Verschwörung gegen ihn vor. Der Klimawandel ist gelogen“, heißt es darin. Horn nimmt das Schriftstück als Beleg für eine „Erosion der Wirklichkeit“, die sich durch alle Gesellschaftsschichten ziehe und dort zu Spaltungen führe. Es ist die Stunde des Besserwissers, der sich über wissenschaftliche Erkenntnisse erhaben fühlt und nichts anderes als seinen Zweifel anzubieten hat. Viele dieser Besserwisser nutzen laut Horn Wissenschaftler als Sprachrohre, unterwerfen sich dabei aber nicht den Regeln der Wissenschaft. Weder publizierten sie akademisch, noch gebe es eine Qualitätskontrolle. Ihre Stimme im Diskurs erhalten sie durch die Mechanismen der Aufmerksamkeitsökonomie.

Die „Wissenschaftssimulation“ ist für Horn die neue Waffe im politischen Kampf geworden. Während andere Sozialforscher Verschwörungstheoretiker und deren Aktivitäten als gesellschaftliche Anomalien beschreiben, versucht Horn ihre Gedanken zu analysieren. Sie ist der Auffassung, dass das Prinzip der Alternativlosigkeit in der Politik, verbunden mit der Technokratisierung von politischen Entscheidungen, dazu geführt hätte, dass die Wissenschaft von Teilen der Bevölkerung als Feind betrachtet werde. Der Besserwisser betrachte sich selbst als emanzipiert und seine skeptische Einstellung als Form des Widerstands.

Miteinander reden

Für den politischen Austausch fehlt die gemeinsame Faktenbasis. Ein Ausschluss der Verschwörungstheoretiker, folgert Horn, würde die Probleme aber nicht lösen, sondern die gesellschaftliche Spaltung verstärken. Auch deswegen sei es vonnöten, mit ihnen zu reden und sie nicht zu pathologisieren. Horn wendet sich damit gegen eine Studie der Psychologiefakultät der Universität Basel, die Covid-Kritiker in einen Zusammenhang mit Stress und Paranoia stellt. Daneben spricht sie sich dafür aus, dass Wissenschaft eine einfachere Sprache sprechen sollte, um auch Querdenker zu erreichen. Auch dabei argumentiert sie gegen die Psychologie, die Verschwörungen mittlerweile als „Denkverzerrungen“ beschreibt.

Ihre Analyse der Wissenschaftsskepsis schafft es zwar, die Phänomene dieser ungewöhnlichen Bewegungen herauszuarbeiten, aber ob der Dialog und eine vereinfachte Wissenschaftskommunikation tatsächlich die richtigen Ansätze zur Auseinandersetzung mit den Querdenkern sind, bleibt abzuwarten. Auf die Frage, wie das in der Realität geschehen soll, hat Horn in ihrem Vortrag keine Antwort. Spannend wird deshalb sein, ob Didier Fassin mit seiner Vorlesung „Conspiracy Theories As Crises and Critique“ und Eliot Borensteins Vortrag „Informing Ourselves to Death: Conspiracy and Fantasy in Postmodern Russia“ realistische Lösungen finden.

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