#Die unentdeckte Europäerin
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„Die unentdeckte Europäerin“
„Es war ihr unabwendbares Schicksal: Liselotte musste von einem Dramatiker ihrer Bestimmung zugeführt werden, eine abendfüllende Lustspielprinzessin zu werden. Statt eines Dramatikers kamen gleich zwei: Rudolf Presber mit Leo Walther Stein, und gestern wurde ihr Werk in einem großen Theatererfolge bejauchzt“, berichtete Monty Jacobs in der „Vossischen Zeitung“ vom 6. Juni 1919 über die Erstaufführung des nach der Scribe’schen Schablone aus einem dankbaren Stoff geschnittenen Zugstücks „Liselott von der Pfalz“ im Berliner Komödienhaus. Der Kritiker sah „eine Angelegenheit der Theateragenten, der Provinzdirektoren“ und eine „Mischung aus Rührseligkeit, Patriotismus, Bildungsphilisterei“. Die Titelrolle spielte Lucie Höflich. Liselottes Ehemann, Herzog Philipp von Orléans, Bruder Ludwigs XIV., gab Leonhard Haskel „mit resoluter Trottelkomik“.
Als Remedium empfahl Jacobs, wieder einmal „die beiden schönen Inselbände ,Briefe der Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans‘“ hervorzuholen: „Im Theater revoltiert das Gedärm, wenn plumpes und grobes Zuschnappen als Deutschtum ausposaunt wird. Im Buch liest man mit erwärmter Seele die Worte der tapferen Pfälzerin: ,Ich habe es jederzeit für eine Ehre gehalten, eine Deutsche zu sein.‘“
„Heimatgrüße hinaus ins Feld“
Im März 1917 erschien im Verlag des Roten Kreuzes das „Heidelberger Soldatenbüchlein für Feld und Lazarett“. Zu diesem gut pfälzischen „Päckchen literarischer Liebesgaben aus alter und neuer Zeit“ steuerte Jakob Wille, von 1902 bis 1922 Direktor der Universitätsbibliothek Heidelberg, „Heimatliches und Zeitgemäßes aus den Briefen der Pfälzer Liselotte“ bei. Denn „wenn Heimatgrüße hinaus in das Feld gehen, so ist wohl keine Figur aus der Vergangenheit der Pfalz und Heidelbergs den Männern und Jünglingen, die für die Heimat ihr Leben gegen eine Welt von Feinden einsetzen, so heimatlich verwandt als des Kurfürsten Karl Ludwigs von der Pfalz Tochter Elisabeth Charlotte“.
Ob sie in Wirklichkeit eher so aussah? Liselotte im Gemälde von Pierre Mignard (um 1680)
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Bild: Picture-Alliance
Die Verwüstungen, mit denen französische Truppen im Orléansschen Krieg (1688 bis 1697) – Ludwig XIV. hatte ihn unter dem Vorwand von Erbansprüchen seiner Schwägerin angezettelt – die Pfalz systematisch überzogen hatten, als Menetekel heraufbeschwörend, spornte Wille seine Landsmänner an: „Der Pfälzer von heute draußen im Schützengraben“ stehe mit seinem Leben dafür ein, dass „die Klagen der Liselotte nicht abermals zur trostlosen Wahrheit werden“. Das (geistige) Rüstzeug legte ihm Wille mit einem halben Dutzend abfälliger Bemerkungen Liselottes über „das perfide Albion“ in den Tornister, Preisklasse: „Die englische Nation ist eine böße, falsche und undankbare Nation“ (1719).
Wille hatte 1907 in der Reihe „Deutsche Charakterköpfe. Denkmäler deutscher Persönlichkeiten aus ihren Schriften“ eine 140 Seiten lange Auswahl aus den Briefen Elisabeth Charlottes herausgegeben. Es sollte darin „alles zum Ausdruck kommen, was das innere Wesen ausmacht: Liebe und Haß, Freude und Trauer, Lachen und Weinen, Ernst und Humor, poetische Stimmung und derbe Prosa“. „Nur das stark Obszöne und sogar für das Gefühl jener wenig empfindsamen Zeit Anstößige und Gewöhnliche in Gedanken und Ausdruck konnte hier keinen Platz finden“, sollte doch keinesfalls „in das Bild der Liselotte eine einzelne Farbe als Grundton“ hineingetragen werden, „dessen Fehlen gerade diese sittlich starke Natur vor ihrer ganzen Umgebung ausgezeichnet hat“.
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