#Die vergiftete Atmosphäre bei Schalke 04
„Die vergiftete Atmosphäre bei Schalke 04“
Die vielen Weisheiten von der Einfachheit des Fußballs haben an Popularität verloren, seit immer mehr Sportinteressierte mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, mit komplexen Analysen und psychologischen Erklärungsansätzen zu diesem Spiel konfrontiert werden. Die beliebteste Maßnahme gegen sportliche Krisen ist aber auch in diesem Zeitalter des intellektualisierten Fußballs unverändert schlicht: die gute alte Entlassung.
Und so haben Jochen Schneider, der Sportvorstand des FC Schalke, und seine Mitstreiter beim größten deutschen Krisenklub der Gegenwart ordentlich durchgefegt. Mit einem griffigen Motiv, das Schneider am Mittwoch in einer eilig einberufenen Presserunde erläuterte: Dass der Kader genügend „fußballerische Qualität“ mitbringe, um die Klasse zu halten, sei „klar“, sagte der 50 Jahre alte Schwabe. „Aber wir brauchen diesen einen Mitspieler: das Miteinander.“
Er bestätigte damit, was aufmerksame Beobachter längst wissen konnten: Die Atmosphäre im Arbeitsalltag des königsblauen Traditionsvereins ist vergiftet mit emotionalen Regungen wie Lustlosigkeit, gegenseitiger Antipathie, Missgunst, Eitelkeit und ähnlichen Störkräften. Es lässt sich eine lange Reihe von Indizien für diesen Befund aufzählen: das Verhalten von Spielern nach Auswechslungen, der offene Konflikt zwischen Assistenztrainer Naldo und dem Stürmer Vedad Ibisevic, der am Montag zu einem Abbruch des Trainings führte.
Oder die öffentlich eingeräumte „unterschiedliche Auffassung über die sportliche Zukunft des Vereins“ zwischen Schneider und Kaderplaner Michael Reschke. Die Klublegende Mike Büskens, der Lizenzspielerchef Sascha Riether und Schneiders Assistent René Grotus werden Reschkes Aufgaben vorerst übernehmen. Ebenfalls am Dienstag wurde Amine Harit auf unbestimmte Zeit suspendiert und der chronische Quertreiber Nabil Bentaleb gleich mit. Reschke ist ganz weg, man habe sich „einvernehmlich“ getrennt, teilte der Klub mit. Und der Vertrag mit Ibisevic wird zum 31. Dezember aufgelöst. Aber der Stürmer ist schon jetzt zu seiner Familie nach Berlin abgereist und wird nicht zurückkehren.
Mit viel Wohlwollen lassen sich Schneiders Maßnahmen als konsequent bezeichnen, vielleicht hat er wirklich genau jene Kräfte entfernt, die einem konstruktiveren Miteinander im Weg standen. Jenseits dieser Trennungsstrategie ist allerdings kein Konzept zu einer Befreiung aus der prekären Gesamtlage erkennbar. Die Sache mit dem neuen Zusammenhalt haben Schneider und sein Vorstandskollege Alexander Jobst schon auf einer großen Selbsterneuerungspressekonferenz am Ende der vergangenen Saison beschworen. Geholfen hat es nicht.
Es mag nachvollziehbar sein, dass Schneider all seine Kräfte in den Abstiegskampf stecken möchte, aber in der Kategorie Souveränität ist er derzeit kaum überzeugender als die Mannschaft in der Bundesliga. Immerhin nahm er sich mit in die Verantwortung für die Misere. „Das Bild ist für mich verheerend, das wir da abgeben“, wiederholte er einen Satz, den er so ähnlich schon im Frühjahr formuliert hatte. Damals hatte der Klub von Käufern von Tickets für Geisterspiele, die wertlos geworden waren, verlangt, vor einer Erstattung ihre wirtschaftliche Bedürftigkeit offenzulegen. Und war nach einer Welle der Empörung zurückgerudert.
Außerdem war er für Entlassungen kritisiert worden. Der Verdacht, dass die gegenwärtige Klubführung gar nicht genau weiß, worin eigentlich dieses besondere Schalke-Gefühl der Solidarität und der Gemeinschaft in einer Art Dauerschmerz besteht, ist immer noch nicht ausgeräumt. Statt Schalke wieder liebenswert zu machen, sind die meisten Probleme ungelöst. Auch im Kader. Dass Bentaleb und Harit eine Gruppe belasten, ist lange bekannt, dennoch bekommen sie immer wieder neue Chancen.
Wahrscheinlich ging es bei den aktuellen Maßnahmen auch darum, Manuel Baum zu stützen. Der Trainer hat einen schweren Stand, weil er schon sechs Spiele ohne Sieg ist, weil auch er keine Mittel findet, diesen qualitativ ordentlich besetzten Kader zu einer konstruktiv kooperierenden Mannschaft zu formen. Als Schneider gefragt wurde, ob das Fehlverhalten einzelner Spieler den Status des Trainers beschädigen könnte, reagierte er ausweichend. „Es geht nicht um Respekt vor dem Trainer, sondern um Respekt vor jedem einzelnen Mannschaftskameraden.“
Eine kleine Chance, dass die getroffenen Maßnahmen tatsächlich Früchte tragen, hat der FC Schalke aber schon, womöglich waren die Entscheidungen sogar dringend nötig. Aber dann stellt sich die Frage, warum die Konfliktpotentiale, von denen die meisten seit langem bekannt sind, nicht viel früher effizient bekämpft wurden. Den Glauben an ihr Projekt konnten die Verantwortlichen des Tabellenletzten der Bundesliga mit den Vorgängen dieser Woche jedenfalls nicht stärken.
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