#Die Versagensangst beim HSV ist weg – vorerst
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„Die Versagensangst beim HSV ist weg – vorerst“
Jahrelang hatte die Angst vor dem Versagen den Hamburger SV begleitet. Wenn es wirklich um etwas ging, strauchelten die Teams der vergangenen Spielzeiten. Ob die Vereinsführung etwas am Kader änderte, den Trainer wechselte oder die Spielweise angepasst wurde, schien keinen Einfluss auf den Erfolg zu haben. Nervenschwach und überbezahlt stolperte der HSV durch die zweite Fußball-Bundesliga und machte sich zum Gespött der Fans. Drei Mal nacheinander sprang Rang vier heraus. Dann kam im Sommer 2021 Trainer Tim Walter. Und mit ihm eine andere Spiel- und Denkweise.
Das neue Narrativ um die Hamburger ist nun mit dem Wort „Mut“ überschrieben. Wahlweise hörte man am Donnerstagabend nach dem 1:0-Sieg in Relegationshinspiel bei Hertha BSC in Berlin auch die Vokabeln „Hunger“ oder gar „Gier“. Walter sagte: „Wir hatten keinen Bock mehr auf den vierten Platz. Wie wir hier als jüngstes Team der Liga vor 75.000 Zuschauern bestanden haben, ist aller Ehren wert. Die Jungs sind so mutig und voller Überzeugung, dann kommt so ein Auftritt heraus.“
Der Treffer des Abends gelang Ludovit Reis in der 57. Minute; es war eine wohl als Flanke gedachte Hereingabe, die lang und länger wurde und sich über den Berliner Torwart Oliver Christensen hinweg ins Tor senkte.
Noch ist nichts erreicht, und die Angst vor dem Versagen kann jederzeit zurückkehren, denn so viel, wie es am Montag (20.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Bundesliga-Relegation, bei Sat.1 und Sky) zu verlieren geben wird, kann sich wie ein gewaltiger Rucksack anfühlen und die Beine lähmen. Erinnert sei an die KSV Holstein aus Kiel, die in der Saisonverlängerung vor einem Jahr ebenfalls 1:0 beim 1. FC Köln gewonnen hatte, im Rückspiel aber schon nach ein paar Minuten aussichtslos zurücklag und dann 1:5 unterging.
Doch die Ausgangslage ist eine andere – der HSV hatte die letzten fünf Saisonspiele im Unterhaus gewonnen, kam mit dem berühmten „Momentum“ nach Berlin, wurde im Olympiastadion von geschätzt 20.000 Fans unterstützt und zeigte die reifere Spielanlage, wirkte insgesamt kompakter – gegen eine von Trainer Felix Magath angeleitete Hertha, die in der Offensive wenig Brauchbares zustande brachte. Trotzdem sagte Magath: „Wir haben wie ein Bundesligist gespielt, aber insgesamt keine richtige Linie gefunden. Ich glaube trotzdem, wir können es am Montag im Rückspiel noch drehen.“
Mannschaft „auf Händen durch die Stadt getragen worden“
Oft genug hatten die Hamburger in der zweiten Liga die Quittung für ihren offenbar alternativlosen Ballbesitzfußball bekommen. Die fehlende Absicherung nach Ballverlusten, die Anfälligkeit für Konter: auch unter Trainer Walter hat der HSV so Tore kassiert. Doch in den vergangenen Monaten ist sein Konstrukt stabiler geworden, weil sich jeder an seine Aufgabe hält und das Vertrauen in die Taktik gewachsen ist.
Der recht sichere Ballvortrag und auch die gemeinsame Abwehrarbeit sorgten am Donnerstagabend vor stimmungsvoller Kulisse dafür, dass der HSV wenig zuließ – bei Ishak Belfodils Treffer in der 44. Minute allerdings Spielglück benötigte, um nicht in Rückstand zu geraten; er stand hauchdünn im Abseits.
Die einfallslosen Angriffe der Berliner und ihr Aufbau über erstaunlich viele lange Bälle machten es dem HSV aber auch leicht. Ein aktives Pressing blieb weitgehend aus, dabei ist das ein probates Mittel gegen den HSV, das zum Beispiel der SC Freiburg im Pokal-Halbfinale erfolgreich angewandt hatte.
So indes waren die Norddeutschen dem 2:0 am Ende näher als die Hertha dem Ausgleich; der eingetauschte Jan Gyamerah hatte in der Nachspielzeit noch eine gute Möglichkeit. Nur fünf Torschüsse waren den Berlinern gelungen; sie wirkten wie das verunsicherte Team, das etwas zu verlieren hatte.
Tatsächlich schienen die Hamburger Profis nach dem Abpfiff diejenigen zu sein, die sich auf das Rückspiel freuten, statt zu zittern, was wohl geschehen möge. „Wir sind gierig auf den Erfolg, jeder von uns sieht nun die riesige Chance“, sagte Torwart Daniel Heuer Fernandes, der beim HSV ja auch schon einmal „aussortiert“ war und nun zu einem der Leistungsträger gewachsen ist.
Die Last der eigenen Größe, die Angst vor der Blamage, bekannte Hamburger Phänomene – beides wirkt wie weggeblasen. Einen entscheidenden Impuls lieferte im Saisonfinale der neue Schulterschluss mit dem Publikum. Die Mannschaft sei „auf Händen durch die Stadt getragen worden“, formulierte Vorstand Jonas Boldt. Da ist etwas gewachsen. Nun muss die „komfortable Ausgangslage“, wie Boldt sie bezeichnete, veredelt werden.
Und sollte es Tim Walter tatsächlich gelingen, die Versagensangst auch in diesem 36. Saisonspiel zu minimieren, hat der Hamburger SV eine sehr gute Chance, das Unterhaus nach vier oft qualvollen Jahren zu verlassen.
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