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#„Diese Stadt braucht 10.000 zusätzliche Sozialwohnungen“

„Diese Stadt braucht 10.000 zusätzliche Sozialwohnungen“

Eine Sache ist Philipp Jacks besonders wichtig, deshalb sagt er sie gleich zu Anfang. „Fotos von Menschen ohne Abstand und ohne Maske können wir heute gar nicht gebrauchen.“ Jacks hockt neben riesigen Boxen auf der Hebebühne eines Transporters und hebt trotz Mikrofon die Stimme. Vor ihm haben sich Hunderte Männer und Frauen an der Hauptwache eingereiht, um die Demonstration zum Tag der Arbeit zu starten.

Es sei wichtig, sagt der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Frankfurt, gerade wegen der Pandemie und ihrer Folgen soziale Gerechtigkeit einzufordern. Schließlich habe die Krise bestehende Ungleichheiten zusätzlich verschärft. Darauf will der Deutsche Gewerkschaftsbund mit der Mai-Demo an diesem Tag besonders hinweisen. Schlagzeilen über Maskenverweigerer und Infektionsrisiken könne deshalb keiner brauchen.

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Anderthalb Stunden später ist Jacks zufrieden. Denn als der etwa anderthalb Kilometer lange Demonstrationszug am Mittag auf dem Opernplatz ankommt, ist die Zahl der Teilnehmer laut DGB  auf gut 4000 gestiegen, mit etwa der Hälfte hatte der DGB nur gerechnet; die Polizei spricht von 2500 bis 3000 Teilnehmern. Noch wichtiger: Es ist auch alles gesittet abgelaufen, die Hygienemaßnahmen hätten gegriffen, lobt  die Polizei ausdrücklich. 

Inakzeptable Löhne im Gesundheitswesen

Also kann sich Jacks dem widmen, weswegen die Menschen hier sind. Seit Ausbruch der Krise vor mehr als einem Jahr hätten „die oberen Zehntausend“ profitiert, während die Lohnarbeiter den Karren aus dem Dreck ziehen müssten, und das zu teils inakzeptablen Löhnen und Arbeitsbedingungen, schimpft Jacks. Besonders betroffen seien Berufe im Gesundheitswesen, in Erziehungseinrichtungen und im Einzelhandel, „also typische Frauenberufe“. Dass viele Bürger diesen Berufen Beifall geklatscht hätten, sei zu wenig. „Klatschen statt Boni, das kann es nicht sein“, ruft er.

Vor der Alten Oper hat der DGB eine kleine Bühne errichtet, Infostände und Verpflegung gibt es im Gegensatz zu normalen Jahren keine. Zuletzt fand die Mai-Kundgebung vor 40 Jahren an diesem Ort statt, seit 1974 ist sie am Frankfurter Römer; doch in diesem Jahr wurden der Demonstrationszug und die Kundgebung verlegt, damit Abstände eingehalten werden. „Wir zeigen, dass man sich verantwortungsbewusst für seine Grundrechte einsetzen kann“, lobt Jacks. Im vergangenen Jahr hatte die Aktion wegen Corona nur digital stattgefunden.

Oberbürgermeister Peter Feldmann fordert bei der Kundgebung, die Politik dürfe der Krise nicht hinterher sparen. Wer jetzt nicht investiere, werde sich künftig bei sozialen Leistungen umgucken, die Politik müsse das Portemonnaie aufmachen anstatt den Gürtel enger zu schnallen.

Erstmals seit 40 Jahren fand die DGB-Kundgebung zum Tag der Arbeit am Opernplatz statt.


Erstmals seit 40 Jahren fand die DGB-Kundgebung zum Tag der Arbeit am Opernplatz statt.
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Bild: Laila Sieber

Nach 14 Monaten, in denen die Gesellschaft versuche, der Pandemie mit Solidarität entgegen zu treten, sei es eine Schande, dass es nicht gelinge, Menschen im Gesundheitssystem, im Einzelhandel oder auch Müllwerkern mehr Lohn zukommen zu lassen, ruft der hessische DGB-Vorsitzende Michael Rudolph den Zuhörern zu, die mit Fahnen, Transparenten, Trillerpfeifen und Rasseln ausgerüstet sind.  Man könne nicht immer nur Betrieben Geld zuschießen, „wir müssen schauen, dass die Menschen durch die Krise kommen“.

„Schluss mit prekären Arbeitsverhältnissen“

Während in der Krise Milliardensummen an Konzerne wie die Lufthansa gezahlt worden seien, habe man dort nicht davor zurückgeschreckt, Mitarbeiter zu entlassen, kritisiert Rudolph. „So geht das nicht“, sagt er und fordert, künftig staatliche Fördermittel an Beschäftigungsgarantien zu koppeln. Rudolph fordert ein höheres Kurzarbeitergeld von mindestens 1200 Euro sowie die Abschaffung geringfügiger und befristeter Arbeitsverhältnisse.

Zudem zeige sich immer mehr, dass sich Menschen, die in Frankfurt arbeiteten, das Leben in dieser Stadt nicht mehr leisten könnten. Es sei ein Witz, wenn sich Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir für eine ausgeglichene Wohnungsbilanz feiern lasse, sagt Rudolph unter dem Beifall der Zuhörer, „diese Stadt braucht zehntausend zusätzliche Sozialwohnungen“.

Angst um Arbeitsplätze in der Industrie

Sorgen macht sich Rudolph zudem über die Transformation der Wirtschaft, die angesichts der Krise in Vergessenheit zu geraten drohe. „Wir können nicht zulassen, dass Ökologie gegen soziale Nachhaltigkeit gestellt wird“, sagt er. Frankfurt sei ein Industriestandort mit vielen Arbeitsplätzen und guten Einkommen in diesen Branchen. Doch nun hätten viele Leute dort Angst um ihre Arbeitsplätze. „Es muss möglich sein, dass wir ökologischen Wandel vorantreiben, aber trotzdem die Beschäftigung sichern.“

Am frühen Nachmittag löst sich die Gruppe auf, es sei alles friedlich verlaufen, heißt es von der Polizei. Für den gesamten Bezirk Hessen-Thüringen berichtet der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) von 36 Veranstaltungen, darunter in Kassel, Hanau, Fulda und Offenbach. 

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