Die Tage von Herbert Diess als Vorstandsvorsitzender des Volkswagen-Konzerns sind gezählt. Er wird zum 1. September zurücktreten. Seine Nachfolge tritt dann Porsche-Vorstandschef Oliver Blume an. Grundlage für diesen überraschenden Chefwechsel war eine Entscheidung des Aufsichtsratspräsidiums, das am Freitag tagte. Nach Informationen der F.A.Z. sind die Beschlüsse in der Präsidiumssitzung einstimmig gefallen.

Diess war schon seit dem vorigen Jahr ein Vorstandschef auf Bewährung. Nach vielfach öffentlich ausgetragenen, konzerninternen Konflikten wurde sein Vertrag als Volkswagen-Chef vorzeitig verlängert – verbunden allerdings mit der klaren Ansage, dass man konkrete Verbesserungen in der Umsetzung seiner Transformation erwarte. Nun hat dem Vernehmen nach die Familie Porsche-Piëch als Großaktionärin der Volkswagen AG dafür gesorgt, dass der Aufsichtsrat eine Bilanz zieht. Das Ergebnis fiel schlecht aus, eine bessere Leistung wird Porsche-Chef Oliver Blume zugetraut. Operative Unterstützung soll er vom bisherigen Volkswagen-Finanzvorstand Arno Antlitz bekommen. Blume soll aber gleichzeitig Chef des Stuttgarter Sportwagen-Herstellers bleiben, den er mit einer offensiven Elektrostrategie zu neuen Gewinnrekorden führte. Damit, so verlautet in Konzernkreisen, soll vor allem mit Blick auf den geplanten Börsengang der Porsche AG ein Signal gesetzt werden.

Diess wurde die Aufgabe nicht zugetraut

Dank für die bisherige Arbeit von Herbert Diess gibt es trotzdem. „Herbert Diess hat die Transformation des Unternehmens maßgeblich vorangetrieben“, vermeldet der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch, ausdrücklich im Namen des gesamten Gremiums: „Der Konzern und seine Marken sind zukunftsfähig aufgestellt, die Innovations- und Ertragskraft gestärkt.“ In das Lob stimmt auch die Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat ein. „Die Veränderungsdynamik in der Automobilbranche ist enorm. Volkswagen ist dafür so gut aufgestellt wie kaum ein anderes Unternehmen der Branche“, lässt sich etwa der IG-Metall-Chef Jörg Hofmann zitieren, der stellvertretender Aufsichtsratschef ist.

Die weiteren Sätze in diesem Statement weisen darauf hin, dass man Diess aber offenbar nicht zugetraut hat, die zukünftigen Herausforderungen ähnlich erfolgreich zu meistern. „Die heute getroffenen Entscheidungen erlauben es, das Tempo hochzuhalten und den herausgearbeiteten Vorsprung zu nutzen“, so Hoffmann. In einer Erklärung der Konzernbetriebsratschefin Daniela Cavallo wird deutlich, dass Diess nicht mehr das Vertrauen der Belegschaft genoss. Beschäftigungssicherung und Wirtschaftlichkeit müssten gleichrangige Ziele bleiben, fordert sie: „Wir müssen nicht nur unsere Produkte und Geschäftsmodelle transformieren, sondern ganz maßgeblich auch unsere Belegschaft.“

Den einen großen Vorfall, der Diess zu Fall gebracht hat, gab es offenbar nicht. Es habe sich der Eindruck verdichtet, dass der frühere BMW-Manager zwar ein großartiger Stratege sei, der aber seine Schwächen in der Umsetzung habe, verlautet aus Kreisen, die mit der Diskussion vertraut sind. Nicht zuletzt das Debakel rund um die Software-Sparte Cariad werden genannt. Was den Aufsichtsräten an Herbert Diess gefehlt hat, darf man dagegen in der Pressemitteilung der Porsche AG lesen. „Mein Fokus liegt auf den Kunden, Marken und Produkten. Entscheidend für den Erfolg sind Teamgeist, Fairness und Leidenschaft“, wird der 54 Jahre alte Blume dort zitiert.

Die Volkswagen-Aktie geriet nach Börsenschluss unter Druck, als sich die Nachricht vom Wechsel an der VW-Spitze verbreitete.