#Duell der Watt-Monster
Inhaltsverzeichnis
„Duell der Watt-Monster“
Seit Kindesbeinen an versuchen die beiden zu klären, wer der Stärkere ist. Noch haben sie es nicht herausgefunden. Und treten auch deshalb noch härter in die Pedalen – um selbst voranzukommen und den anderen zu übertrumpfen.
Es ist keine Fehde langjähriger Weggefährten irgendwo an der Peripherie. Nein, Wout van Aert und Mathieu van der Poel schenken dem Radsport, dessen Geschichte geprägt ist von Zweikämpfen großer Fahrerpersönlichkeiten, ein elektrisierendes Duell an der Spitze. Eines, das ihren Sport auf Jahre hinaus prägen könnte. Eines, das jetzt schon Gewichte und Gewissheiten verschiebt.
Der Belgier und der Niederländer haben sich aufgemacht, die großen Rennen zu beschlagnahmen und unter sich aufzuteilen. Sie mit angriffslustiger Fahrweise zu ihrer Show zu machen. Dabei sind Van Aert und Van der Poel keine Show-Männer mit Stargehabe, sondern rollende Attraktionen von ihrer sportlichen Leistungskraft her.
Alleskönner im Sattel
Kraft ist das richtige Stichwort. Wenn diese beiden Profis aus dem Sattel gehen und richtig antreten, grenzt es fast an Wettbewerbsverzerrung. Eines der jüngsten Beispiele: Beim prestigeträchtigen toskanischen Eintagesrennen Strade Bianche setzte Van der Poel sich von der Konkurrenz ab, indem er zeitweise über 1300 Watt in die Pedalen stampfte. Es waren phänomenale, für die Konkurrenten furchterregende Werte, die sein Team Alpecin-Fenix nach dem Triumph in Siena veröffentlichte.
Doch auch Van Aert ist ein Watt-Monster, wie es in der Szene gerne heißt. Der Belgier reißt gerade eherne Radsportgesetze ein, die besagen, dass hochgradige Spezialisierung Voraussetzung für große Siege ist. Doch van Aert ist wahlweise immens schnell, enorm explosiv oder extrem ausdauernd. Den Alleskönner im Sattel kehrte er gerade in dieser Woche explizit heraus.
Mathieu Van Der Poel: phänomenale, für die Konkurrenten furchterregende Kraft-Werte
:
Bild: EPA
Die einwöchige Fernfahrt Tirreno–Adriatico begann Van Aert damit, dass er die Elite der Sprinter bei einer Massenankunft besiegte; bei den steilen Anstiegen in der Mitte des Rennens ließ er einige der weltbesten Kletterer hinter sich; beim abschließenden Zeitfahren war er schneller als die aktuellen Welt- und Europameister in dieser Disziplin. Machte insgesamt Rang zwei, so dass der Testversuch seines Teams Jumbo-Visma, ob der 26-Jährige auch als Klassementfahrer reüssieren könnte, verheißungsvoll endete. Die Radsportwelt steht Van Aert mehr denn je komplett offen, ein bisschen liegt sie ihm schon zu Füßen.
Champions auch Querfeldein
Doch der ebenfalls 26 Jahre alte Van der Poel, bergauf etwas schwächer als sein Gegner, hält dagegen. Wie schon seit Jahren. Die beiden haben sich schon während ihrer gemeinsamen (Jugend-)Jahre im Radcross unzählige Duelle geliefert. Bis ihnen diese Sparte, die nur ein Liebhaberpublikum anzieht, zu klein wurde. Sie stiegen um auf die Straße, ohne ihre Wurzeln im Gelände zu kappen. In den vergangenen sieben Jahren teilten sich die beiden die Weltmeistertitel im Radcross auf – aktuell steht es, nach Van der Poels Sieg Ende Januar in Oostende, 4:3 für den Niederländer.
Stimmen, dass man sich nicht ewig gleichzeitig auf winterliche Crossfahrten im Matsch und von Frühjahr an auf Jagden auf Asphalt konzentrieren könne, ignorieren beide geflissentlich. Sie kennen sich in- und auswendig, arbeiten sich mit enormem Elan aneinander ab – ohne große verbale Spitzen, aber deutlich machend, dass der Sieg über den anderen bedeutsam ist. Jeder Erfolg des einen wird immer sofort als Grußbotschaft an den anderen interpretiert. Gehen sie gemeinsam bei einem Rennen an den Start, ist stets vom nächsten prickelnden Duell der beiden Supertalente die Rede. Ein immerwährender Schlagabtausch.
Bei der erwähnten Fernfahrt Tirreno–Adriatico holte sich auch Van der Poel einen Etappensieg. Dank eines beeindruckenden 50-Kilometer-Solos bis ins Ziel, wodurch selbst sein Körper über Gebühr belastet worden ist – Van der Poel hatte nicht mal mehr Kraft zu jubeln. Seine Begründung für die kühne Attacke: Ihm sei angesichts der schlechten Witterung „kalt gewesen“.
Eine ähnliche Energieleistung wird es auch an diesem Samstag brauchen auf der Via Roma in Sanremo. Auf dieser Straße wird das erste große Rennen des Jahres, das „Monument“ Mailand–Sanremo entschieden. Viele gehen davon aus, dass Van Aert und Van der Poel aus dem Rennen einen Fall für zwei machen werden. Dass der Sieg reserviert ist für entweder den überfliegenden Holländer oder den alleskönnenden Belgier. Doch damit wird man freilich dem französischen Weltmeister Julian Alaphilippe nicht gerecht, der sich ebenfalls aktuell in Topform präsentiert. Dieses Trio scheint in seiner eigenen Güteklasse zu spielen bei der Fahrt an die italienische Rivera.
Mit 299 Kilometern ist es das längste Rennen des Jahres, das meist einen erwartbaren Verlauf nimmt, ehe es 25 Kilometer vor dem Ziel vor den beiden finalen Anstiegen regelrecht explodiert. Gedankenschnelligkeit und strategisches Geschick sind dort ebenso gefragt wie die schiere Kraft. Dass die beiden Unglaublichen nicht nur überragende Power haben, sondern auch über adäquates taktisches Rüstzeug verfügen, haben sie bewiesen. Denkbar ist mittlerweile, dass das Peloton längst die Verschwörung plant gegen die Bedrohung durch die beiden. Dass Fahrer und Teams viel Energie dafür aufwenden könnten, diese beiden zu neutralisieren. Deren Erfolge in wenigen Jahren im Straßenradsport sind imposant: Der WM-Zweite 2020 (Straßenrennen und Zeitfahren) Van Aert hat schon drei Tour-de-France-Etappen gewonnen, während Van der Poel in diesem Sommer dort erst debütieren wird. Der Niederländer hat dafür schon das Amstel Gold Race (2019) gewonnen und im vergangenen Jahr mit der Flandern-Rundfahrt – mit wenigen Zentimetern Vorsprung im Zweikampf mit Van Aert – ebenfalls seinen ersten Triumph bei einem „Monument“ erreicht. Van Aert geht bei Mailand–Sanremo als Titelverteidiger an den Start. Und ahnt sicher, wem es ein besonderes Anliegen ist, ihn dort vom Thron stürzen.
Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.
Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.
Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.