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Ehepaar soll Jugendlichen mit Beil getötet haben

Am ersten Prozesstag schweigt Aziza Y. vor dem Landgericht Aschaffenburg noch, am zweiten will sie dann doch aussagen: „Ich bedauere es sehr, was mit dem Opfer passiert ist. Ich bedauere es sehr wegen seiner Familie.“ Den achtzehnjährigen M. habe sie jedoch nur zufällig in einem Taxi getroffen, zuvor habe sie ihn nicht gekannt.

Während die Zweiunddreißigjährige ihre Version der Geschehnisse schildert, zieht sie immer wieder das Kopftuch zurecht, um ihre Haare zu überdecken. Wenn sie spricht, wirkt sie gefasst. Selbst dann noch, als der Vorsitzende Richter laut wird: „Ich werde hier relativ oft angelogen, aber das, was Sie hier präsentiert haben, waren die meisten und schlechtesten Lügen. Wir werden Ihnen beweisen, dass fast jeder Ihrer Sätze gelogen war.“

Den Schädel zertrümmert

Es ist ein Fall voller Widersprüche. Seit Anfang Mai muss sich Aziza Y. gemeinsam mit ihrem Ehemann Atiqullah S. nach dem gewaltsamen Tod des achtzehnjährigen M. aus Niedersachsen am 10. August 2024 vor Gericht verantworten. Beide sollen das Opfer auf einem Forstweg am Waldrand bei Faulbach im Landkreis Miltenberg mit mehreren Beilhieben gegen den Kopf getötet haben – im Beisein ihrer Kinder. Passanten entdeckten den Leichnam. Sowohl die Beschuldigten als auch das Opfer sind afghanischer Herkunft.

Zum Prozessauftakt gestand Atiqullah S. die Tat. Er gab zu, sich an das Opfer von hinten angeschlichen und zugeschlagen zu haben. Bei dem 39 Jahre alten Familienvater geht die Staats­an­waltschaft davon aus, dass er die Tat im Wahn beging, weil er unter paranoider Schizophrenie leide. Damit würde Atiqullah S. als schuldunfähig gelten. Die Behörde beantragte die dauerhafte Un­terbringung des Mannes in der Psychia­trie. Für die 32 Jahre alte Aziza Y. gilt das nicht: Sie ist wegen gemeinschaft­lichen Mordes angeklagt.

Von einem „sehr eindrücklichen Bild“ spricht die Kriminaloberkommissarin, die als Zeugin geladen ist. Das Opfer habe sichtbar auf dem Forstweg gelegen, ganz in Weiß gekleidet. Die brutale Gewalt, die Zertrümmerung des Schädels sei somit direkt sichtbar gewesen. Der Mann sei stark untergewichtig gewesen, er habe nur 39 Kilogramm gewogen. Als die Bilder des Leichnams im Gerichtssaal projiziert werden, wendet Aziza Y. ihren Blick ab, legt zwischenzeitlich das Gesicht in ihre Hände und schweigt.

Ein Beil, ein Küchenmesser und eine Klappsäge gekauft

Zum Motiv für die Gewalttat gibt es nur grobe Vermutungen. Laut Staatsanwaltschaft lässt es sich zurückführen auf einen Satz, der im Sommer 2023 gefallen sein soll: Der Geschädigte M. habe damals den zwölf Jahre alten Sohn des Ehepaares bei dem Onlinespiel „Free Fire“ kennengelernt. In einem Telefonat soll das spätere Opfer gegenüber dem Zwölfjährigen gesagt haben: „Ich kann dich ficken.“ Da die Lautsprecherfunktion des Handys aktiviert war, hätten die Eltern diesen Satz gehört und daraufhin den Entschluss gefasst, den Achtzehnjährigen zu töten.

Aus einer „übersteigerten und irrationalen Furcht“ heraus wollten sie den Sohn vor sexuellen Übergriffen schützen, so die Anklage. Monatelang soll Aziza Y. zu dem jungen Mann über Whatsapp Kontakt aufgebaut und sich sein Vertrauen erschlichen haben. Dann lockte sie ihn unter einem Vorwand nach Aschaffenburg.

Aziza Y. verstrickt sich vor Gericht in Lügen.
Aziza Y. verstrickt sich vor Gericht in Lügen.dpa

Richter und Staatsanwaltschaft appellieren immer wieder an Aziza Y., sie solle die Wahrheit sagen. Sie beteuert jedoch, sie habe von alledem nichts gewusst. Zwar bezweifle sie nicht mehr, dass ihr Mann den Achtzehnjährigen getötet habe, sie selbst habe jedoch weder die Tat gesehen, noch habe sie in den Monaten zuvor Kontakt zu dem Geschädigten aufgebaut. Auch die Schilderungen ihres ältesten Sohnes B., der aus­gesagt hatte, er habe zu Hause hören können, wie die Eltern die Tat planten, weist sie zurück. Er sei ein guter Junge, sagt Aziza Y., aber das stimme nicht.

Mithilfe der geladenen Zeugen wird der Tathergang rekonstruiert: Am Vortag kaufte das Ehepaar laut Anklage in einem ZG-Raiffeisen-Markt ein 36 Zentimeter langes Beil, ein Küchenmesser und eine Klappsäge. Am nächsten Tag, gegen 21.20 Uhr, soll sich Aziza Y., die vier ihrer Kinder bei sich hatte, mit dem späteren Opfer in Aschaffenburg getroffen haben – zuvor sei M. mit dem Zug aus Niedersachsen angereist.

Danach nahmen sie gemeinsam die Regionalbahn und fuhren dann in einem Großraumtaxi nach Faulbach. Anschließend soll die Gruppe den Forstweg in Richtung Altenbuch genommen haben. Während der gesamten Reise sollen Ehemann Atiqullah S. und der älteste Sohn B. der Gruppe mit Abstand gefolgt sein. An einem Baum mit einer Bank daneben, an einer Stelle, die von keiner Lichtquelle erleuchtet war, soll Atiqullah S. mit dem Beil mehrere Male auf das Opfer eingeschlagen haben.

Sohn soll Arzt oder Pilot werden – keine „Schwuchtel“

Eine Kriminaloberkommissarin berichtet, der älteste Sohn habe angegeben, dass in der elterlichen Ehe beide gleichberechtigt seien. Aziza Y. sei nicht die „typische“ unterdrückte Ehefrau. Sie gehe aber auch davon aus, dass Aziza Y. ihrem Mann gegenüber „sehr loyal“ war.

Die Familie lebte in Altenbuch in ei­ner Flüchtlingsunterkunft. Dort habe Atiqullah S. seine Ehefrau mindestens einmal aufgefordert, statt durch die Haustür zu gehen, aus dem Fenster zu klettern, um so den Männern aus der Unterkunft nicht zu begegnen. Nach ih­rer Festnahme soll das Ehepaar in einer verdeckten Abhörzelle darüber beraten haben, was Aziza Y. sagen solle, wenn die Bilder der Überwachungs­kameras ausgewertet würden. Atiqullah S.: „Wenn sie ein Bild von dir zeigen, sag einfach, du weißt von nichts!“

„Es wird immer schlimmer“

Genau das tut Aziza Y. Auch noch am dritten Prozesstag, als im Gerichtssaal die Videos der Überwachungsbilder präsentiert werden, behauptet sie, die Begegnung mit dem späteren Opfer sei rein zufällig gewesen. „Sie verstricken sich immer mehr in Lügen“, sagt der Richter. „Es wird immer schlimmer.“

Wie tief war Aziza Y. wirklich eingeweiht in die Pläne ihres Mannes? Die Videos zeigen die Angeschuldigte mit dem späteren Opfer wenige Stunden vor der Tat. Sie sprechen miteinander, der Geschädigte M. hilft Aziza Y. mit ihrem Kinderwagen, wendet sich ihren Kindern zu, gibt ihnen Süßigkeiten. „Sie wirken vertraut“, sagt ein als Zeuge geladener Kriminalbeamter. Zu erkennen ist auch, wie Vater und Sohn dem Opfer und Aziza Y. mit Abstand folgen. Nun wendet sich der Richter an den Ehemann, Atiqullah S.: „Wieso um Gottes Willen haben Sie Ihren Sohn in die ganze Geschichte eingebunden?“

Dann wird eine Videoaufnahme gezeigt, die im Rahmen des Unterbringungsbefehls aufgenommen wurde. Atiqullah S. sagt da: „Ich habe meinen Sohn nach Deutschland gebracht, weil ich ihm ermöglichen wollte, ein Arzt oder Pilot zu werden und nicht eine Schwuchtel.“ Er habe seinen Sohn schützen wollen. Mädchen und Jungen seien in Deutschland nicht sicher. Und er sagt: „Lassen Sie bitte meine Frau frei!“ Das Urteil wird Ende Juni er­wartet.

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