Wissenschaft

#Ein Fast Radioburst mit ungewöhnlichem Ursprung

Kurze, aber extrem energiereiche Radioblitze aus dem Weltall geben Astronomen Rätsel auf, denn die Ursachen dieser Fast Radiobursts sind weitgehend ungeklärt. Jetzt sorgt ein weiterer Fall für neue Überraschungen. Denn der vom CHIME-Radioteleskop in Kanada eingefangene, mehrfach wiederholte Radioblitz kommt anders als die meisten seiner Vorgänger aus einer massereichen, aber alten und inaktiven Galaxie – in ihr gibt es kaum Sternbildung oder junge Sterne. Das passt nicht zu den bisherigen Theorien, nach denen die Fast Radiobursts bei der Supernova massereicher, kurzlebiger Sterne und ihrer Umwandlung zum Magnetar freiwerden. Stattdessen muss es zumindest einige solcher Radioausbrüche geben, die auf andere Weise entstehen. Die Ähnlichkeit der aktuellen Entdeckung mit einem früheren “Ausreißer” könnte dazu nun erste Hinweise liefern.

Seit ihrer Entdeckung im Jahr 2007 stellen Fast Radiobursts (FRB) Astronomen vor Rätsel. Denn diese kosmischen Radiopulse dauern nur wenige Millisekunden, setzen dabei aber so viel Energie frei wie unsere Sonne an einem ganzen Tag. Während die meisten von ihnen einmalige Ereignisse sind, gibt es auch einige wenige, die in Serie auftreten oder in sporadisch wiederholten Schüben. Astronomische Beobachtungen belegen zudem, dass die meisten dieser Radioblitze aus fernen, aktiv sternbildenden Galaxien kommen und in einer stark magnetisierten Umgebung zu entstehen scheinen. 2020 lieferte die erste Beobachtung eines Fast Radiobursts in unserer eigenen Galaxie dann erste Hinweise auf einen möglichen Urheber: Astronomen konnten diesen Radiopuls zu einem Magnetar nahe des Milchstraßenzentrums zurückverfolgen – einem schnell rotierenden stark magnetischen Neutronenstern. „Die vorherrschende Theorie besagt daher, dass Fast Radiobursts von Magnetaren stammen, die durch Kernkollaps-Supernovae gebildet wurden“, erklärt Erstautor Tarraneh Eftekhari von der Northwestern University. Allerdings sind unter den inzwischen mehr als 600 detektierten Radioblitzen auch einige, deren Merkmale nicht zu diesem Ursprungsszenario passen.

Wiederholte Radioblitze aus einer alten, inaktiven Galaxie

Dazu gehört auch der im Februar 2024 mit dem Canadian Hydrogen Intensity Mapping Experiment (CHIME) entdeckte FRB 20240209A. Dieser Fast Radioburst gehört zu dem seltenen Typ der “Serientäter” und wiederholte sich bis zum Juli 2024 insgesamt 22 Mal. Einige dieser Wiederholungen wurden auch von kleineren Nebenantennen detektiert, die rund 60 Kilometer vom CHIME entfernt liegen. Dies gab dem Astronomenteam um Eftekhari die Chance, den Ursprung dieser Radiopulse genauer zu bestimmen. Dafür nutzten sie auch zusätzliche Beobachtungen der mutmaßlichen Herkunftsregion mit Spektrografen des Keck-Observatoriums auf Hawaii. Die Analysen ergaben, dass FRB 20240209A von einer massereichen, rund zwei Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie ausgeht. “Diese Galaxie hat eine stellare Masse von rund 100 Milliarden Sonnenmassen. Sie ist damit die massereichste Heimatgalaxie eines Fast Radiobursts, die je entdeckt wurde”, berichten Eftekhari und sein Team. Zum Vergleich: Die Sterne unserer Milchstraße bringen zusammen rund 60 Milliarden Sonnenmassen auf die Waage.

Überraschend ist jedoch, dass die Wirtsgalaxie von FRB 20240209A fast nur alte Sterne und kaum aktive Sternbildung aufweist. “Wir kommen auf eine Sternbildungsrate von weniger als 0,36 Sonnenmassen pro Jahr in den letzten 100 Millionen Jahren”, berichten die Astronomen. “Das Durchschnittsalter der Sternenpopulation beziffern auf 11,33 Milliarden Jahre – das ist signifikant älter als bei den bisher bekannten FRB-Wirtsgalaxien.” Mit anderen Worten: Dieser Fast Radioburst stammt aus einer alten, inaktiven Sternansammlung, in der kaum noch Sterne und auch kaum noch Supernovae und damit neue Magnetare entstehen. Denn typischerweise gehen diese aus massereichen und damit eher kurzlebigen Sternen hervor. “Dies kennzeichnet FRB 20240209A als den ersten sich wiederholenden Fast Radioburst aus einer quieszenten Heimatgalaxie”, schreibt das Team. Dazu passt, dass diese Galaxie zum elliptischen Typ gehört. Sie gehören zu den ältesten Galaxienformen im Universum.

Wer ist der Urheber?

Ebenfalls unerwartet ist die Lage der Radioblitz-Quelle innerhalb dieser Galaxie: Der intensive Radiostrahlungsausbruch geht von einer Stelle am äußeren Rand der Galaxie aus, rund 130.000 Lichtjahre von ihrem Zentrum entfernt. Dies sei unter den FRBs bisher beispiellos. „Das ist sowohl überraschend als auch spannend, da Fast Radiobursts normalerweise im Innenbereich von Galaxien entstehen, meist in Sternentstehungsgebieten”, sagt Co-Autorin Vishwangi Shah von der McGill University. “Die Lage dieses FRBs so weit außen in seiner Heimatgalaxie wirft die Frage auf, wie solche energiereichen Ereignisse in Regionen auftreten können, in denen keine neuen Sterne entstehen.“ Tatsächlich ist FRB 20240209A aber nicht der erste Radioblitz aus einem solchen “galaktischen Vorort”: Im Jahr 2022 entdeckte ein Astronomenteam einen Fast Radioburst aus der rund zwölf Millionen Lichtjahre entfernten Spiralgalaxie Messier 81. Nähere Analysen ergaben damals, dass dieser Radiopuls aus einem alten Kugelsternhaufen im Außenbereich dieser Galaxie stammte. Auch eine solche Umgebung passt jedoch nicht zum gängigen Szenario eines Strahlungsausbruchs durch einen jungen, bei einer Supernova gebildeten Magnetar.

Nach Ansicht der Forschenden sprechen die Außenposition und die alte Sternpopulation der Wirtsgalaxie von FRB 20240209A dafür, dass auch dieser neue Radioburst von einem solchen Kugelsternhaufen ausgeht. „Tatsächlich könnte er ein Zwilling des M81-Ereignisses sein”, sagt Seniorautor Wen-fai Fong von der Northwestern University. “Diese Art von alter Umgebung lässt uns unsere Standardmodelle für die FRB-Entstehung überdenken und exotischere Entstehungskanäle in Betracht ziehen – das ist spannend.” Konkret vermuten die Astronomen, dass die Interaktion von Weißen Zwergen – ausgebrannten Sternenresten – in den dichten Zentren solcher Kugelsternhaufen Magnetare und damit auch Fast Radiobursts erzeugen können. Denkbare wäre beispielsweise eine Verschmelzung zweier Weißer Zwerge oder auch ein sogenannter akkretionsinduzierter Kollaps. Dieser tritt ein, wenn ein Weißer Zwerg von einem stellaren Begleiter so viel Material absaugt, dass er unter seiner eigenen Schwerkraft kollabiert. “Wir wissen zwar nicht mit Sicherheit, ob sich ein Kugelsternhaufen an der Position von FRB 20240209A befindet”, sagt Shah. Man habe aber schon einen Antrag auf Beobachtungszeit am James-Webb-Teleskop gestellt, um diese Frage zu klären.

„Dieser neue Fast Radioburst zeigt uns, dass, gerade wenn man denkt, ein astrophysikalisches Phänomen verstanden zu haben, das Universum uns überrascht“, sagte Fong. „Das macht unser Forschungsgebiet so unglaublich spannend.“ Eftekhari ergänzt: „Es scheint klar, dass es im Zusammenhang mit Fast Radiobursts noch viele spannende Entdeckungen zu machen gibt und dass ihre Umgebungen der Schlüssel zur Entschlüsselung ihrer Geheimnisse sein könnten.“

Quelle: Tarraneh Eftekhari (Northwestern University, Evanston) et al., The Astrophysical Journal Letters, submitted; doi: 10.48550/arXiv.2410.23336

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