Nachrichten

#Ein Nickerchen zur Vorbereitung

Ein Nickerchen zur Vorbereitung

Seine Pokale in Gold und Silber blitzen dicht aneinandergedrängt aus hohen Glasvitrinen; manche als dickbauchige Kelche, andere in Form überdimensionierter Schachfiguren, wiederum andere stehen auf kleinen Podesten. In der Ecke seines Zimmers reihen sich Koffer, die seit Anbeginn der Pandemie ruhen müssen, vor ihm ein Schachbrett aus hellem Holz – sein liebstes von ungefähr 15 Exemplaren, wie Alexander Donchenko sagt.

Johanna Christner

Seitdem er acht Jahre alt ist, spielt er Schach, was mit den Jahren eine wachsende Rolle in seinem Leben eingenommen hat. „Ich habe Zeit gebraucht, um zu verstehen, dass ich Schachspieler sein will“, sagt der zweiundzwanzigjährige und schon vielgereiste Profispieler. Heute sei der junge Großmeister aus Gießen sich aber sicher: „Es ist das, was mir am meisten Spaß macht – und es gibt nichts Besseres, als wenn man das zu seinem Beruf machen kann.“




F+ FAZ.NET komplett

Vertrauen Sie auf unsere fundierte Corona-Berichterstattung und sichern Sie sich 30 Tage freien Zugriff auf FAZ.NET.



Jetzt F+ kostenlos sichern

Weil er die Herausforderung sucht, nimmt Donchenko schon früh an den Erwachsenenturnieren teil, anstatt Jugendturniere zu spielen; die Jugend-Europa- und -Weltmeisterschaft spielt er mit 14 Jahren zum letzten Mal. „Schlussendlich muss man sich seine Fehler zeigen lassen, denn man kann sie nicht alle selbst finden“, sagt Donchenko. „Und man kann sich viel Aufwand sparen, wenn man sich seine Fehler von stärkeren Gegnern zeigen lässt.“ Noch als Schüler fährt er mindestens ein Mal im Monat auf Turniere. „Meine Schule hat mir da sehr viel Freiheit gelassen, solange meine Noten gut blieben – und das waren sie“, erzählt Donchenko.

Im Winter 2014 kann er einen Erfolg für sich verbuchen, den er als einen der schönsten Momente seiner bisherigen Karriere benennt: In den Niederlanden erspielt er eine Leistung, die der Top 10 der Weltrangliste entspricht. Ein Jahr später knackt der junge Schachprofi die Elo-Zahl von 2500 Punkten und darf sich fortan mit dem Titel des Großmeisters schmücken. Im August diesen Jahres folgt sein bislang größter Erfolg: Mit nur 22 Jahren führt Donchenko die deutsche Rangliste im Schach an. So jung wie ihm gelang das bisher noch keinem. Doch der Weg nach oben verlief nicht steil: „Von Ende 2015 bis Mitte 2018 gab es keine messbaren Fortschritte“, sagt Donchenko, der in diesem Zeitraum Jura studierte. „Aber dann hat es in meinem Kopf klick gemacht, und ich wusste, dass ich mehr Zeit in das Schachspiel investieren will.“ Donchenko bricht daraufhin das Jurastudium ab und fokussiert sich auf seine große Leidenschaft.

Vom Vater beeinflusst

Zum Spiel der Könige kam Donchenko nicht von ungefähr: Schon sein Vater war Schachprofi in der damaligen Sowjetunion. In seiner Familie, die ursprünglich aus Russland stammt, würde so gut wie jeder Schach spielen. „Aber es ist nicht so, als hätte es meine Welt vollkommen dominiert, wenn ich es nicht auch so gewollt hätte“, sagt der in Moskau geborene Donchenko, der seinen Vater mittlerweile im Schach besiegt. Wenn man ihn fragt, was dem jungen Talent Schach bedeutet, so legt er grübelnd den Kopf in seine Handfläche, um nach den richtigen Worten zu suchen: Das Schachspiel sei ein Wettstreit von Ideen und deren Ausführungen, das ihm helfe, die Grenzen seines Denkens auszutesten und zu erweitern.

Und: „Das schönste Schachbrett ist das, was ich im Kopf habe.“ Auch wenn er nicht am Brett sitze, denke er über seine Partie nach. Ab einem gewissen Niveau sei das Schachbrett nur noch Hilfsmittel, immerhin denke er nicht darüber nach, was auf dem Brett steht, sondern schon darüber, wie seine nächsten drei Züge aussehen. „Ich bin ein Mensch, der sehr wettkampforientiert ist“, sagt Donchenko, während ihm ein Lächeln über das Gesicht huscht. „Sich stets verbessern zu können und nicht nur unbegrenzt neue Ideen, sondern auch Denkweisen zu finden fasziniert mich.“

Aufgeregt ist Donchenko vor Wettkämpfen nach einer Vielzahl von Turnieren nicht mehr. „Ich habe zu viele gespielt, als dass ich mich frage, was passieren könnte – ich weiß, was passieren kann.“ In der halben Stunde vor einer Partie sei es ihm allerdings wichtig, sich von keinen äußeren Einflüssen ablenken zu lassen. Donchenkos Geheimnis zur Vorbereitung, das er, ohne lange zu überlegen, verrät: Er lege sich gerne schlafen. „Schachpartien beginnen meistens gegen drei oder vier, davor mache ich ein Nickerchen“, erklärt Donchenko. Zwar gebe es viele Spieler, die sich bis kurz vor der Partie vorbereiten und etwa am Computer geplante Schachzüge durchspielen, für ihn sei aber die Lösung: Sich hinlegen und an nichts mehr denken.

Verschnaufpause der anderen Art

Eine Verschnaufpause der anderen Art wurde dem jungen Schachprofi während der Pandemie auferlegt, der mit Online-Turnieren vorlieb nehmen musste – und gewann. Sein Sieg im Juli etwa habe ihn selbst überrascht, denn trainiert sei er nicht im virtuellen Königsspiel. Dennoch, so Donchenko, sei er kein großer Fan des Online-Schachspiels. „In einer langen Partie entwickelt sich etwa durch die Körpersprache ein stiller Dialog, der ein Spiel in eine komplett andere Richtung lenken kann“, erklärt Donchenko. „Solche Faktoren gibt es online nicht, das ist eine komplett andere Erfahrung.“

Es fühle sich gut an, wie seine Karriere momentan verläuft, sagt Donchenko. Dass er irgendwann dauerhaft die deutsche Rangliste anführt, davon ist er überzeugt. Zwar wolle er nicht von langfristigen Zielen sprechen, sein Fokus liege aber auf der internationalen Rangliste, wo er momentan ungefähr Platz 75 belegt. Sein nächstes Ziel sei aber, die Elozahl von 2700 zu überbieten und somit die erweiterte Weltspitze zu erreichen.

Für seinen Traum trainiert er beinahe täglich für mehrere Stunden, sieht sich Partien an und liest Lehrbücher von Großmeistern. „Wenn ich die deutsche Nummer eins bin und es auch bleibe, muss ich mich fragen, was mein nächstes Ziel ist“, sagt Donchenko. „Diese Frage stellt sich nicht, wenn ich mich von Anfang an auf die internationale Ebene konzentriere.“

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!