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#Eine Breitwandbühnenübung

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Eine Breitwandbühnenübung

Wenn die Weltgeschichte eine Epoche abschließt, in der sich Ereignisse zuspitzen und Entscheidungen fallen, die Millionen oder gar Milliarden Schicksale ändern, stellt sich rückblickend gern die Frage: Wie viel konnte eine einzelne Person bewirken, wenn es um das Schicksal so vieler geht?

Der Film „Der Spion“ nimmt zwei solcher Personen in den Fokus, deren Handlungen die Weltgeschichte bewegten, die aber von der Geschichtsschreibung schnell vergessen wurden. Der Russe Oleg Penkovsky (Merab Ninidze) schaut sich Anfang der Sechzigerjahre skeptisch die erratische Politik Chruschtschows an und beschließt, die politische Gegenseite vor der nuklearen Bedrohung zu warnen („Er ist gefährlich, so ein Mann darf keine Atomwaffen haben“). Der Brite Greville Wynne (Benedict Cumberbatch mit Schnauzer und verwuschelter Hugh-Grant-Tapsigkeit) ist eigentlich Geschäftsmann und hat mit Politik nicht viel am Hut. Als ihm ein Vertreter des „Handelsministeriums“ den Vorschlag unterbreitet, eine Kurierfahrt in die Sowjetunion als Geschäftsreise zu tarnen, macht er ungläubig James-Bond-Witze („Schießt diese Krawattennadel etwa auch Giftpfeile?“), bis er merkt, dass der unauffällige Herr im grauen Anzug es ernst meint.

Regisseur Dominic Cooke spart in seinem Thriller nicht an Kalten-Krieg-Klischees. Die Sowjetunion zeigt er in entsättigten Bildern, deren bleiche Töne Moskau in trübes Grau tauchen. Die Menschen huschen mit geduckten Köpfen in beigen Mänteln durch die Straßen, selbst das Mütterchen am Empfang ist ein Spitzel des Geheimdienstes.

Selbst der steifste Russe tanzt Swing

In London hingegen explodieren die Bilder fast vor Farbintensität, glitzernde Werbetafeln feiern die Konsumgesellschaft, und selbst der steifste Russe in der Geschäftsdelegation tanzt am Ende fröhlich Swing. Die Überspitzung mag am eigentlichen Metier Cookes liegen – „Der Spion“ ist erst sein zweiter Spielfilm, normalerweise inszeniert er Theaterstücke für die Royal Shakespeare Company und das Royal National Theatre in London; einige seiner besseren Ideen sind klar der Bühnenarbeit entlehnt – so etabliert er die konservative Ehe des britischen Geschäftsmanns Wynne durch eine geschickte Raumaufteilung: Beim ersten Nachhausekommen sieht man Wynne mit einem Drink in den Wohnzimmersessel sinken, während seine Ehefrau im Nebenraum am Küchentisch Karotten schält. Die Kamera nimmt die Szene vom Flur aus auf, schaut gleichzeitig durch offene Türen auf beide Eheleute, die sich Wand an Wand unterhalten, macht durch den Bildaufbau klar, wo die Probleme des Paares liegen werden, und erzählt so mehr über diese Ehe, als alle späteren Dialogsätze das können.

„Schießt die auch Giftpfeile“: Greville Wynne (Benedict Cumberbatch, links) inspiziert sein Equipment vom Geheimdienst (Angus Wright und Rachel Brosnahan, rechts).


„Schießt die auch Giftpfeile“: Greville Wynne (Benedict Cumberbatch, links) inspiziert sein Equipment vom Geheimdienst (Angus Wright und Rachel Brosnahan, rechts).
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Bild: Picture-Alliance

Sein Fingerspitzengefühl fürs Zwischenmenschliche aber hilft Cooke leider nicht bei der Darstellung des großen politischen Geschehens, daher schwankt der Film schon bald im Unentschlossenen: „Der Spion“ beginnt als John-le-Carré-hafter Spionagethriller, erlaubt sich Andeutungen von Komik und wird dann zum konventionellen Biopic über den Geschäftsmann Wynne, der am Ende sein Leben riskiert, um den Russen zu retten, der eine nukleare Katastrophe verhindern wollte. Cumberbatch und Ninidze aber geben alles, spielen sich in den gemeinsamen Szenen gegenseitig die Bälle zu und fangen mit kleinsten Blicken und Gesten alles an Bedeutung auf, was sonst ins Pathos abgeglitten wäre.

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