#Eine fast perfekte Illusion
Inhaltsverzeichnis
„Eine fast perfekte Illusion“
Am schönsten ist die Anreise per Boot von Como aus, vorbei an bewaldeten Höhen, schroffen Bergen, ans Ufer gedrückten Dörfern, prächtigen Villen. War der See zu Beginn unserer Fahrt noch tief in die Berghänge eingeschnitten, so öffnet er sich im Zentrum des Sees und wird weit und licht. Dort, hinter der Felsnase der Villa Balbianello, liegt die kleine Bucht von Lenno.
Der Landesteg ist nur ein paar Schritte vom Hotel entfernt. Durch Zufall steht das Gartentor offen, und so ziehen wir unsere Koffer über einen Kiesweg einfach in den Hotelgarten hinein. Dort bleiben wir verzaubert stehen. Oberhalb einer Wiese mit uralten Bäumen steht das Hotel. Es sieht aus wie aus einem Traum mit seinen Rundbögen, grünen Fensterläden, schmalen Balkonen und gerafften roten Jalousien. Efeu rankt sich die Hauswand hinauf. Eine hölzerne überdachte Veranda weist zum Garten hinaus, in eine Parklandschaft voller Dattelpalmen, Zierahorn, Agaven und baumhohen Rhododendren. Weinlaubbewachsene Pavillons spenden Schatten. Ein verwittertes Mäuerchen trennt die Wiese vom See. Runde Mühlsteine dienen als Tische. Weiße Plastikliegen sind in kleinen Gruppen über die Wiese verteilt, das einzige Zeichen, dass wir uns im einundzwanzigsten Jahrhundert befinden. Ein Kellner bringt ein Tablett mit Aperitifs in den Garten. Alles ist von einer heiteren Melancholie bestimmt, als wären wir in einen Roman von Giorgio Bassani eingetaucht, „Die Gärten der Finzi-Contini“. Da hat uns auch schon der Kellner entdeckt, und wenige Augenblicke später schleppt ein junger Mann unsere Koffer die Stufen hinauf in die Halle. Er ist ein wenig verwundert, wie wir mit unseren Koffern in den Garten gekommen sind, der Hoteleingang sei auf der anderen Seite, oben an der Straße. Als wir auf das Boot zeigen, das eben den See überquert und weiter nach Bellagio fährt, lächelt er: Benvenuti.
Nicht verstaubt, eher nostalgisch
Wenig später haben wir unser Zimmer bezogen. Es ist geräumig und licht. Weiße Vorhänge bauschen sich vor dem bodentiefen Fenster. Eine altertümliche Waschkommode mit Spiegel nimmt fast die ganze Seitenwand ein. Die Schubladen klemmen ein wenig. Wir füllen nicht einmal die oberste Schublade, der Platz würde für einen ganzen Sommer reichen. In einem weiß lackierten Wandschrank stapeln sich Wolldecken und Kissen. Das Bett mit dem altmodischen Metallrahmen nimmt das halbe Zimmer ein. Wir versinken in den dicken Matratzen wie zwei Neugeborene. Die Laken riechen nach frischer Seife. Die Schubladen des Nachttischchens sind mit Papier ausgeschlagen wie bei meiner Großmutter. Der glänzende dunkle Dielenboden fühlt sich warm an unter den Füßen. Einen Kühlschrank gibt es nicht. Einziges Zeichen der Moderne ist ein kleiner Flachbildschirm auf einem runden Beistelltischchen. Das Bad ist fast gänzlich ausgefüllt von einer Emaillebadewanne mit Löwenfüßen, das Waschbecken gegenüber ist jedoch so niedrig montiert, als sei es für Zwerge gedacht. Zugegeben, manches ist ein wenig in die Jahre gekommen in diesem Haus. Der abgesprungene Lack am Nachttisch und der fast blinde Spiegel im Bad. Dennoch fühlen wir uns sofort wohl. Vielleicht, weil jeder Gegenstand eine Geschichte erzählt, nichts ist uniformiert und durchgestylt. Das Hotel ist nicht verstaubt, vielmehr ein wenig nostalgisch, als würde die Zeit hier langsamer vergehen. Nur der Parkplatz vor unserem Fenster mit den dunklen Limousinen stört ein wenig die Illusion. Zum Glück ist er von Dattelpalmen und baumhohen Rhododendren verdeckt. Der Lärm der Durchgangsstraße ist in der Nacht dennoch zu hören. Wir haben zu spät gebucht, sonst hätten wir noch eines der Zimmer mit Seeblick bekommen. Aber schon bald habe ich mich entspannt und schlafe tief und fest.
Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.
Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.
Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.