#Eine Heimat fernab des Heimatlandes
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„Eine Heimat fernab des Heimatlandes“
Am 15. April 2020 stiegen zwölf Kinder in Luxemburg aus einem Flugzeug. Sie trugen Masken über Mund und Nase, Rucksäcke auf den Schultern und in den Händen Tüten, auf denen groß das Logo der Internationalen Organisation für Migration prangte. Ein erstes Gruppenfoto wurde noch vor dem Flugzeug gemacht, ein zweites vor den Flaggen der EU in der Ankunftshalle. Dann wurden die elf Jungen und ein Mädchen in einem Bus in ihr neues Zuhause im Norden des Landes gebracht.
Gestartet waren sie am frühen Morgen in Athen: Das Großherzogtum war an diesem Tag das erste EU-Land, das unbegleitete Kinder und Jugendliche im Alter zwischen elf und fünfzehn Jahren aus den griechischen Camps aufnahm – insgesamt 16.000 wollen zehn EU-Staaten gemeinsam aufnehmen, die Corona-Pandemie verzögerte die Pläne.
Wo Luxemburg liegt, wusste niemand
Nach der vielbeachteten Ankunft der ersten Zwölf vor fast einem Jahr ist es still um die Kinder geworden. Die Caritas Luxemburg, in deren Obhut die Kinder sind, veröffentlichte Anfang Mai die letzten Bilder von ihnen in den sozialen Netzwerken. Sie zeigen die Kinder auf gelben Fahrrädern, eine Firma hat sie gespendet.
Wie ist es ihnen in der Zwischenzeit ergangen? Ein Treffen ist wegen der Beschränkungen durch das Coronavirus und dem Wunsch, die Kinder zu schützen, nicht möglich. Auf Anfragen meldet sich aber Luxemburgs Caritas-Präsidentin Marie-Josée Jacobs. Die frühere Politikerin, die bis 2013 das Amt der Familienministerin bekleidete, besucht die Kinder regelmäßig in dem für sie hergerichteten Haus, indem sie leben und sozialpädagogisch betreut werden. Am Telefon spricht Jacobs mit fürsorglicher Stimme über die Schützlinge ihrer Organisation.
Die ersten Wochen seien dazu da gewesen, dass die Kinder zur Ruhe kommen und auch untereinander eine Verbindung aufbauen konnten, rekapituliert die 71-Jährige. Die Kinder hatten sich erst kennengelernt, kurz bevor sie ins Flugzeug stiegen. Wo Luxemburg liegt, wusste niemand – die Nähe zu Deutschland half bei der Orientierung. Zur Verständigung mit den Betreuern kamen Dolmetscher zu Hilfe, aber auch unter einander hatten die elf Jungen und ein Mädchen Sprachbarrieren: Zehn von ihnen kommen aus Afghanistan, ein Geschwisterpaar stammt aus Syrien. Wenn niemand zur Verfügung stand, versuchten sie es auf Englisch – „der eine sprach besser, der andere weniger gut, aber es hat funktioniert“, erzählt Jacobs.
Fast schon wie unter normalen Geschwistern
Inzwischen besuchen die Kinder verschiedene Schulen in der Umgebung. So soll vermieden werden, dass sie keinen Anschluss in ihren Klassen finden und nur unter sich bleiben, erklärt Jacobs. In fünf verschiedenen Bildungsstätten erleben sie gemeinsam mit anderen Jugendlichen den Schulalltag – zumindest, soweit die Corona-Pandemie es zu lässt. Neben der Schule sei das Lernen der Landessprachen – Luxemburgisch und Französisch – eine ihrer größten Herausforderungen. „Die luxemburgische Sprache kommt in der Schule von alleine und klappt schon richtig gut. Aber um Französisch zu lernen, müssen sie sich wirklich anstrengen. Damit haben aber auch unsere Luxemburger Schüler zum Teil zu kämpfen“, sagt Jacobs. Aber die Rückmeldungen der Lehrer zum Ende des Schulhalbjahres vor einigen Wochen seien positiv gewesen. Von Vorteil dürfte wohl sein, dass man Internationalität in Luxemburg kennt: Nicht selten stoßen mitten im Schuljahr Portugiesen, Deutsche, Franzosen oder Belgier in die Klassen dazu.
Zwischen Homeschooling und Wechselunterricht versuchten die Kinder das Beste aus der von pandemiebedingten Einschränkungen geprägten Zeit zu machen. Jacobs spricht von einer sehr familiären Atmosphäre. Anders als am Anfang seien sie schon viel aufgeschlossener: „Sie lachen miteinander, spielen Streiche und machen Unfug“ – fast schon wie unter normalen Geschwistern. Die frühere Politikerin nennt solche Situationen „Momente der Leichtigkeit“, in denen sie manchmal vergesse, dass die Kinder ein Trauma mit sich tragen.
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