Wissenschaft

#Erster 3D-Blick in die Atmosphäre eines Exoplaneten

Bisher haben Astronomen nur wenige Erkenntnisse zum Wetter auf fremden Planeten. Doch nun ist es erstmals gelungen, die Gashülle eines heißen Gasriesen dreidimensional zu kartieren. Der Exoplanet WASP-121b ist rund 900 Lichtjahre entfernt und gehört zu den nah an ihren Sternen kreisenden heißen Jupitern. Analysen mithilfe des Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte in Chile enthüllten, dass die Atmosphäre dieses Exoplaneten drei Schichten mit sehr unterschiedlicher Dynamik umfasst: einen nur über die Tagseite reichenden Jetstream, eine tiefere Strömung, die von der Tagseite zur Nachtseite weht und eine ganz außen liegende Zone mit radialen Wasserstoffwinden. Ein solches Zirkulationsmuster sei noch nie auf einem Planeten beobachtet worden, so die Astronomen.

Viele bisher näher untersuchte Exoplaneten gehören zu den sogenannten “heißen Jupitern”. Dies sind große Gasplaneten, die ihrem Stern sehr nahe und entsprechend aufgeheizt sind: Die Tagseite dieser meist in gebundener Rotation kreisenden Planeten ist bis zu mehrere tausend Grad heiß. Entsprechend exotisch ist die Chemie in den Gashüllen dieser extrasolaren Gasriesen: Durch die extreme Hitze werden Metalle gasförmig und sogar stabile Moleküle zerfallen. Selbst die Nachtseite einiger heißer Jupiter ist noch so heiß, dass es dort flüssiges Eisen regnet, Titandioxid schneit oder sich Wolken aus flüssigen Mineralen bilden. Gleichzeitig bieten diese Exoplaneten aber fast perfekte Voraussetzungen, um ihre Gashüllen zu untersuchen. Weil sie ihre Sterne nah umkreisen und ihre Gashülle zudem oft aufgebläht ist, fällt beim Transit der Planeten viel Licht des Sterns durch ihre Atmosphäre. Deren spektrometrische Signaturen können Astronomen daher relativ gut detektieren und analysieren. “Ultraheiße Jupiter eröffnen uns daher ein einzigartiges Fenster in atmosphärische Prozesse”, erklären Julia Seidel von der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile und ihre Kollegen.

Blick in die Gashülle eines ultraheißen Jupiters

Bei einem dieser ultraheißen Exoplaneten haben Seidel und ihr Team nun erstmals die dreidimensionale Struktur der Atmosphäre entschlüsselt und ihre Dynamik so genau wie noch nie zuvor bei einem Exoplaneten analysiert. Bei dem Planeten handelt es sich um den rund 900 Lichtjahre entfernten heißen Jupiter WASP-121b. Dieser Gasriese ist rund 1,6 Jupitermassen schwer, hat aber einen rund 75 Prozent größeren Durchmesser. “Der Planet ist demnach stark aufgebläht und hat eine 2,5-mal geringere Dichte als der Saturn”, erklären die Astronomen. Mit einer Umlaufzeit von nur 30,6 Stunden umkreist der Planet seinen Stern extrem nah und kehrt ihm dabei immer dieselbe Seite zu. Auf seiner Tagseite herrschen daher Temperaturen von mehr als 2700 Grad, das ist genug, um Moleküle auseinanderzureißen und Metalle verdampfen zu lassen. Auf der Nachtseite ist es immerhin noch rund 1200 Grad heiß. “WASP-121b ist damit ein archetypischer ultraheißer Jupiter, der uns einzigartige Chancen bietet, diese extremen Atmosphärenbedingungen im Detail zu erforschen”, schreiben Seidel und ihr Team.

Für ihre Studie schalteten die Astronomen die vier Teleskope des Very Large Telescope (VLT) der europäischen Südsternwarte in Chile so zusammen, dass sie wie ein großes Teleskop von 16 Meter Durchmesser arbeiten. Dieser kombinierte Modus des VLT sammelt viermal so viel Licht wie eine einzelne Teleskopeinheit und macht selbst schwächere Details sichtbar. Das in diesem Modus beim Transit von WASP-121b vor seinem Stern eingefangene Licht analysierten sie dann mithilfe des hochauflösenden ESPRESSO-Spektrografen. Mithilfe dieser spektralen Daten konnten Seidel und ihre Kollegen die Signaturen zahlreicher Elemente und Ionen nachweisen, darunter Wasserstoff, aber auch Metalle wie Eisen, Vanadium, Titan, Barium, Nickel, Natrium, Kalium und Calcium. Drei dieser Elemente – Wasserstoff, Eisen und Natrium – nutzten die Astronomen dann, um die atmosphärischen Strömungen in unterschiedlichen Höhen der Gashülle zu verfolgen. „Das VLT ermöglichte es uns, drei verschiedene Schichten der Atmosphäre des Exoplaneten auf einen Schlag zu untersuchen“, sagt Co-Autor Leonardo dos Santos vom Space Telescope Science Institute in Baltimore.

(Video: ESO)

Drei Zonen mit unterschiedlichen Winden

Die spektralen Analysen erlaubten es dem Team erstmals, die in unterschiedlichen Höhen wehenden Winde des Planeten WASP-121b zu rekonstruieren und die dreidimensionale Struktur seiner Atmosphäre zu kartieren. „Es ist wirklich verblüffend, dass wir in der Lage sind, Details wie die chemische Zusammensetzung und die Wettermuster eines Planeten in einer so großen Entfernung zu untersuchen“, sagt Co-Autorin Bibiana Prinoth von der Universität Lund in Schweden. Die Auswertung zeigte eine unerwartete Vielschichtigkeit für die Gashülle dieses heißen Jupiters: „Unser Fund war eine Überraschung: Ein Jetstream wälzt Material um den Äquator des Planeten, während eine separate Strömung in den unteren Schichten der Atmosphäre Gas von der heißen Seite zur kühleren Seite transportiert”, berichtet Seidel. Der Jetstream von WASP-121b erstreckt sich in der obersten Atmosphärenschicht über die Tagseite des Planeten. Die Geschwindigkeit dieses Windbands nimmt dabei von rund 13,7 Kilometern pro Sekunde am Morgen bis 26,8 Kilometer pro Sekunde am Abend deutlich zu, wie die Astronomen ermittelten. Dies entspricht umgerechnet einem Tempo von knapp 50.000 und fast 100.000 Stundenkilometern. „Selbst die stärksten Hurrikane im Sonnensystem wirken im Vergleich dazu ruhig“, sagt Seidel.

Unterhalb dieses Tagseiten-Jetstreams verläuft eine weitere Strömung, die die Astronomen anhand der Eisen-Ionen nachverfolgen konnte. Während der Jetstream von der Morgen- zur Abendseite verläuft, transportiert diese untere Strömung schräg dazu Gas von der Tag- zur Nachtseite des Planeten. Oberhalb des Jetstreams liegt zudem eine dritte Atmosphärenzone, in der Wasserstoff radial vom sternenfernsten Punkt wegströmt. “Ein solches Klima wurde noch nie auf einem Planeten beobachtet“, sag Seidel. „Die Atmosphäre dieses Planeten verhält sich auf eine Weise, die unser Verständnis der Wetterabläufe in Frage stellt – nicht nur auf der Erde, sondern auf allen Planeten. Es fühlt sich an, wie etwas aus einem Science-Fiction-Film.”

Quelle: Julia Seidel (European Southern Observatory (ESO), Chile) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-025-08664-1

 

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