#Die Schweiz, die Türkei und das Gold
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„Die Schweiz, die Türkei und das Gold“
Gold spielt in der türkischen Gesellschaft schon immer eine besondere Rolle, ob als Münze zu Geburt oder Hochzeit oder als Schmuck zu anderen Anlässen. Doch das allein erklärt nicht den Goldrausch, der das Land erfasst hat. Im vergangenen Jahr beliefen sich die Einfuhren des Edelmetalls nach amtlichen Zahlen auf 20,4 Milliarden Dollar, fast das Vierfache des Vorjahreswertes. Inflationsraten von bis zu 85 Prozent im Jahresvergleich, wie im vorigen Oktober, ließen die Leute zu vermeintlich wertstabileren Anlagen wie Immobilien, Devisen, Kryptowährungen oder eben Gold greifen.
Die Nachfrage scheint noch lange nicht gedeckt zu sein: Im Januar verzeichnete das Handelsministerium laut Minister Mehmet Mus Importe von Edelmetallen im Wert von 5,4 Milliarden Dollar – ein Plus von 656 Prozent binnen Jahresfrist. Allein für die Rekordmenge von 68,3 Tonnen Gold mussten 5,1 Milliarden Dollar aufgebracht werden. Davon kamen 58,3 Tonnen oder 85 Prozent aus der Schweiz. Dies lässt sich einer Statistik entnehmen, die das Schweizer Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) veröffentlicht hat. Mit Lieferungen im Wert von mehr als 15 Milliarden Dollar, vor allem Gold, hat sich die Eidgenossenschaft im Jahr 2022 in der Liste der wichtigsten Lieferanten der Türkei hinter Russland, China und Deutschland und vor den USA einen Spitzenplatz gesichert.
Doch damit soll jetzt erst einmal Schluss sein. Nicht wegen der Schweiz, sondern weil die Importe ein tiefes Loch in die türkische Leistungsbilanz reißen – sie sind die Ursache von 40 Prozent des aktuellen Defizits von 48,8 Milliarden Dollar. Nur für Öl und Gas gab das Land mehr Geld aus.
Nach dem Erdbeben mit mehr als 45.000 Toten hat die Regierung zusätzlich zu anderen Markteingriffen angeordnet, die Goldimporte einzuschränken. Händler wurden zudem angewiesen, die Spanne zwischen An- und Verkaufskursen zu vergrößern. Beschwerden von Marktteilnehmern über solche „Kapitalverkehrskontrollen“ wiegen die Sorge der Regierung nicht auf, dass wegen der durch das Beben ausgelösten Unsicherheit noch mehr Menschen die türkische Lira meiden und ihr Erspartes im Wortsinne vergolden.
Goldanlagen brachten zu Jahresbeginn den höchsten Ertrag
Im Januar wäre Gold nach Berechnungen des türkischen Statistikamtes die einzige Anlageform gewesen, die real keinen Wertverlust gebracht hätte – besser jedenfalls, als Geld auf dem Sparkonto liegen zu lassen, auf Fremdwährungskonten zu parken oder in Aktien zu stecken, obschon Aktieninvestments im vergangenen Jahr die gewinnträchtigste Anlageform in der Türkei waren –, vor den von der Regierung gegen Wertverlust „versicherten“ Lira-Konten, die aus dem Tausch von Devisen gespeist werden und eben Gold.
Nicht nur die Bürger horten Gold. Auch die türkische Notenbank hat ihre Goldreserven angesichts steigender geopolitischer Spannungen und einer global steigenden Inflation auf ein Niveau nahe dem historischen Höchststand von 2020 aufgestockt: 542 Tonnen waren es Ende vergangenen Jahres. Das waren 148 Tonnen oder 32 Prozent mehr als im Vorjahr, wie der World Gold Council nachgerechnet hat. Keine andere Zentralbank der Welt habe größere Käufe gemeldet.
Nach einem Verfahren der USA gegen den staatlichen türkischen Kreditgeber Halkbank wegen Nichteinhaltung der Sanktionen gegen Iran hat die Türkei inzwischen ihren gesamten Goldbestand zurückgeführt, den sie in den USA gelagert hatte. Laut dem Jahresbericht 2021 der türkischen Zentralbank wird das Gold bei der Bank of England, der Istanbuler Börse und der Zentralbank aufbewahrt.
Schweiz ist Drehscheibe für türkisches Gold
Während die Schweiz im Januar so viel Gold wie nie zuvor in die Türkei ausführte und dadurch zum zweitgrößtem Importpartner des Landes hinter Russland avancierte, sank ihr gesamter Goldexport leicht auf 148 Tonnen, wie Krishan Gopaul vom World Gold Council feststellt. Im vergangenen Jahr wurden nach Zolldaten 188 Tonnen Gold von der Schweiz in die Türkei exportiert, 17-mal so viel wie im Jahr 2021.
Obwohl die Schweiz selbst kaum Bodenschätze hat, ist das Land eine sehr bedeutende Drehscheibe im Handel mit Gold. Vier der sieben größten Edelmetallraffinerien der Welt sind dort beheimatet, der Schwerpunkt liegt im Tessin. Wer in großen Mengen gut verarbeitetes Gold kaufen will, kommt an den Betrieben der Eidgenossenschaft nur schwer vorbei. Zu den wichtigsten Anbietern zählen Argor-Heraeus, Pamp, Metalor und Valcambi. Sie verarbeiten angeliefertes Gold im Auftrag ihrer Kunden und veredeln dieses bis zu einem Reinheitsgrad von 99,9 Prozent.
Dass sie dazu einst das technische Know-how entwickelten, von dem sie bis heute profitieren, hat mit der Nähe zu wichtigen Abnehmern wie der Schweizer Uhrenindustrie und der italienischen Schmuckindustrie zu tun. Auch in Sachen Sicherheit und Logistik punkteten die Anbieter. Einen weiteren historischen Grund für den Aufbau dieser Industrie sehen Fachleute darin, dass die Schweizerische Nationalbank im Zweiten Weltkrieg den Nazis erhebliche Mengen Raubgoldes abkaufte, das weiterverarbeitet werden musste. Eine Blüte erlebten die Raffinerien in den Achtzigerjahren, als die Schweiz unter dem Mantel der Neutralität dem von der Weltgemeinschaft sanktionierten Südafrika massenhaft Gold abnahm und umschmolz. Damals besaßen etliche Schweizer Banken ihre eigenen Goldraffinerien.
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