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#Das Schicksal der Elben

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Das Schicksal der Elben

Mit dem Tod J.R.R. Tolkiens am 2. September 1973 begann eine Publikationsgeschichte, die ihresgleichen sucht: Die schiere Menge der seither postum publizierten von Tolkien herrührenden Buchseiten übersteigt die der zu Lebzeiten veröffentlichten bei Weitem. Dem „Hobbit“ von 1937 und dem „Herrn der Ringe“ (1954/55) stehen etwa das „Silmarillion“ und das Riesenwerk „The History of Middle-earth“ gegenüber, die wie zahlreiche weitere postume Tolkien-Bücher vom dritten Sohn des Autors, Christopher Tolkien, herausgegeben wurden, zusammen­gestellt teils aus einem offenbar recht unübersichtlichen Konvolut im Nachlass.

Was dabei ans Licht kam, weitete den Blick der Leser auf jenen umfangreichen Mythos, den Tolkien im „Herrn der Ringe“ vorausgesetzt und auf den er an­gespielt hatte, der aber in seinen Dimensionen allenfalls im Anhang des Romans zu erahnen gewesen war. Zum „Dritten Zeitalter“ Mittelerdes, dem des Ringkriegs, kamen so die beiden früheren, die aber in vielem die Ereignisse des Romans vorbereiteten. Der heterogenen Herkunft entsprechend ist dieses Material von unterschiedlicher Zugänglichkeit – ein reines Lesevergnügen sind die dort auch enthaltenen chronikalen oder mitunter tabellarischen Passagen nicht, andere Geschichten dagegen – etwa die der Kinder Húrins oder die vom Fall Gondolins – besitzen in ihrer Erzählweise einen eigenständigen Reiz.

J.R.R. Tolkien: „Natur und Wesen von Mittelerde“.


J.R.R. Tolkien: „Natur und Wesen von Mittelerde“.
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Bild: Klett-Cotta Verlag

Vor knapp zwei Jahren, am 16. Januar 2020, starb Christopher Tolkien. Dass es mit den Nachlasseditionen trotzdem weitergeht, zeigte sich in diesem Herbst: Herausgegeben von dem amerikanischen Tolkien-Experten Carl F. Hostetter, er­schien der Band „Natur und Wesen von Mittelerde“, der ganz unterschiedliche, meist überschaubar kurze Texte bündelt, die sich Fragen widmen wie Tod und Wiedergeburt (eine überraschend schöne Vision von persönlicher Fortdauer in immer neuen Körpern), Schicksal und freiem Willen bei den Elben oder dem Verhältnis von „fea“, dem Geist, zu „hroa“, dem Körper – ganz so, als wollte sich Tolkien damit über bestimmte Aspekte seiner eigenen Riesenschöpfung klar werden. Manches davon ist jenen Texten verwandt, die in „The History of Middle-earth“ publiziert worden sind, einige Beiträge des neuen Bandes waren dort sogar vorgesehen gewesen, hatten aber aus Platzgründen keine Aufnahme gefunden. Ein beträchtlicher Teil dieser Texte findet sich auf den Rückseiten von allen möglichen Papieren, die Tolkien gerade zur Hand hatte: von Terminkalenderblättern bis zu Verlagsmitteilungen, mit Tinte, Bleistift, Kugelschreiber oder wechselndem Schreibwerkzeug, versehen mit Streichungen und Fußnoten.

Wer mit diesem Material arbeitet, muss sich im Klaren darüber sein, an wen sich das fertige Buch richtet, nach welchen editorischen Prinzipien die Entscheidungen getroffen werden und wie überhaupt aus den reichen Archivbeständen aus­gewählt wird. Hostetter schlägt einen Mittelweg ein: Klar ist, dass niemand etwas mit dem Band anfangen kann, der nicht mit Tolkiens Kosmos einigermaßen vertraut ist. Mit inhaltlichen Erläuterungen zu Grundlagen hält sich der Herausgeber nicht auf, und neben einer guten Kenntnis von „Hobbit“ und „Herr der Ringe“ ist auch Vertrautheit mit dem „Silmarillion“ hilfreich bei der Lektüre dieses Bandes. Zugleich aber ist Hostetter bestrebt, die einzelnen hier aufgenommenen Texte möglichst zugänglich zu präsentieren, also eingeleitet, auch bearbeitet und gekürzt, wo es ihm sinnvoll erscheint.

Tolkien als Zeichner

Ein Schwerpunkt liegt dabei, sicherlich auch im Sinne des Autors, auf linguistischen Überlegungen, die sich freilich oft zur Darstellung der zugrunde liegenden Verhältnisse weiten. Widerspruchsfrei ist all das nicht, was den Eindruck unterstreicht, dass hier ein Weltschöpfer am Werk ist, der ausprobiert, prüft und verwirft oder eine Vermutung durch eine andere, einleuchtendere ersetzt. Zugleich ist diese Welt nicht nur in der Auffassung, die Tolkien jeweils von ihr hatte, sondern auch in sich selbst einem Wandel unterworfen. Elben wie Orks machen ihre Erfahrungen und ziehen ihre Schlüsse daraus, was etwa Auswirkungen auf ihre jeweiligen Siedlungsbewegungen hat.

Gefährlich: der alte Weidenmann, gezeichnet von Tolkien


Gefährlich: der alte Weidenmann, gezeichnet von Tolkien
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Bild: J.R.R. Tolkien/Klett-Cotta

Die hier reich dargebotenen Notizen, Erläuterungen und ausgearbeiteten längeren Texte sind nicht Tolkiens einziges Mittel, diese Welt zu erkunden. Eine Neuausgabe des „Herrn der Ringe“ versammelt nun eine Reihe von Arbeiten Tolkiens, in denen er sein Werk ver­anschaulicht – für sich selbst und für andere. Über seine Begabung als fili­graner Zeichner und abstrakter, bisweilen geradezu plakativer Illustrator konnte man sich schon länger durch diverse Pu­blikationen ein Bild machen (Tolkien selbst zeigte sich in der Regel überkritisch diesen Arbeiten gegenüber).

Hier erschienen sie – fertig ausgeführt und liebevoll koloriert oder skizzenhaft angedeutet – in hervorragender Druckqualität in die einbändige Ausgabe in­tegriert. Am beeindruckendsten ist die Klapptafel mit Tolkiens Zeichnung des Buchs, das an Balins Grab gefunden wird – drei beschädigte Seiten mit Runenschrift. Die größte Sorgfalt, so erscheint es, widmete Tolkien der Abbildung von Zerstörung. Und so auch der Bewahrung dessen, was noch zu retten war.

J.R.R. Tolkien: „Natur und Wesen von Mittelerde“. Hrsg. von Carl F. Hostetter. Aus dem Englischen von Helmut W. Pesch und Susanne Held. Klett-Cotta, Stuttgart 2021. 720 S., geb., 28,– €.

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