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Europas Verteidigung braucht mehr Tempo

Die Europäer haben in den vergangenen Jahren ihre Militärausgaben gesteigert, aber ihre militärische Schlagkraft nimmt möglicherweise nicht schnell genug zu, um sich bis 2030 gegen einen russischen Angriff zu wappnen. Das Jahr 2030 ist nach Ansicht internationaler Verteidigungsexperten ein Termin, zu dem Russland in der Lage sein könnte, im Baltikum gegen die NATO militärisch aktiv zu werden. In einzelnen Studien wird sogar ein noch früherer Termin angenommen, sofern bis dahin der Ukrainekrieg ein Ende findet.

„Trotz hoher Verteidigungsausgaben kann die Aufrüstung scheitern, wenn die europäische Integration der Verteidigungsmärkte nicht vorankommt“, warnt der Ökonom Guntram Wolff in einer vom Kieler Institut für Weltwirtschaft und dem Brüsseler Institut Bruegel veröffentlichten Studie. Gemeinsame Bestellungen europäischer Staaten bei den jeweils wettbewerbsstärksten europäischen Anbietern senkten die Kosten für die Bestellung des in Europa derzeit teuren Militärgeräts; zudem könnten höhere Ausgaben für Forschung und Entwicklung dazu beitragen, Innovationen zu fördern. Auf sich allein gestellt werden die Europäer eine rasche Verteidigungsfähigkeit jedoch nicht erreichen. Denn die europäischen Staaten geben im Jahr 13 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung in der Verteidigung aus gegenüber 145 Milliarden Dollar in den Vereinigten Staaten.

Eigene KI-Systeme hinken hinterher: Europa bleibt von Militär-Importen abhängig

„So bleibt Europa technologisch hinter den USA, China und Russland zurück – etwa bei Drohnen, Raketen und digitaler Kriegsführung“, bemerkt Wolff. Von einer europäischen Souveränität in der Verteidigung könne daher gerade in zahlreichen modernen Produktgattungen für viele Jahre keine Rede sein. „Die europäische Entwicklung und Produktion der fortschrittlichsten Systeme wie Raketenartillerie, unbemannte und autonome Systeme, KI-integrierte Systeme, Flugzeuge der 6. Generation, strategische Fähigkeit zum Lufttransport, integrierte Luftverteidigung, luftgestützte Frühwarnung und -kontrolle, Satelliten, Langstreckenraketen für Boden- und Seeangriffe und Hyperschallraketen bleiben bestenfalls begrenzt und schlimmstenfalls gar nicht vorhanden“, heißt es in der Studie. Die Importabhängigkeit von den Vereinigten Staaten werde daher hoch bleiben. Seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs haben die europäischen Einfuhren amerikanischer Militärgüter besonders stark zugenommen.

Ein Blick auf weniger anspruchsvolle Produkte zeigt zwar eine erhebliche, für eine glaubwürdige Abschreckung ausreichende Zunahme der Produktionsmengen von Artilleriegeschossen und Haubitzen in Europa, aber die Herstellung etwa von Panzern, Schützenpanzern und Raketen verläuft viel zu langsam, um mit dem Aufbau der russischen Bestände Schritt zu halten. Nach Schätzungen gibt Russland kaufkraftbereinigt für das Militär etwa so viel Geld aus wie die Mitglieder der Europäischen Union und Großbritannien zusammen.

„Wir schätzen, dass die Produktion von Landstreitkräftesystemen um einen Faktor von etwa drei bis sechs gesteigert werden muss, wenn das Ziel darin besteht, den Kräftevorsprung Russlands gegenüber den europäischen Ländern in den nächsten fünf Jahren deutlich zu verringern“, gibt Wolff zu bedenken. „Die Produktion anderer Systeme wie etwa der Luftverteidigung und anderer moderner Technologien, müsste sogar noch stärker gesteigert werden.“ Wegen der Lieferfristen von Militärgütern, die im Durchschnitt mehrere Jahre betragen, dürften die europäischen Staaten mit Bestellungen nicht zu lange zögern. Mit Blick auf den technischen Fortschritt empfehle es sich, Lehren aus dem Krieg in der Ukraine zu ziehen. „Rüstungspläne müssen sich jetzt verstärkt auf neue Technologien konzentrieren, die in der Ukraine ihre Effektivität gezeigt haben“, sagt Wolff. Die Erhöhung von Produktionskapazitäten, zum Beispiel für Drohnen oder unbemannte Fahrzeuge, sei unzureichend. Der Aufbau eigener Cloud-Computing- und KI-Zentren bleibe ebenfalls wichtig.

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