#Fällt ein Stein, beginnt das riskante Klima-Domino
„Fällt ein Stein, beginnt das riskante Klima-Domino“
Das Ende der Welt müsse es nicht bedeuten, so schrieben noch im April vier britische Wissenschaftler nach der Auswertung ihrer Klimodellrechnungen in der Zeitschrift Nature, wenn bestimmte kritische Schwellenwerte für die globale Erwärmung überschritten würden – das System Erde könne durchaus wieder stabilisiert werden. Die gefürchteten, sogenannten Kippelemente („tipping elements“) seien so empfindlich gar nicht wie gedacht, jedenfalls die meisten nicht. Der Schaden sei durchaus behebbar, auch wenn kurzfristig etwa die im Pariser Klimavertrag genannten anderthalb oder zwei Grad Maximalerwärmung für eine gewisse Zeit überschritten würden. Grund also zum Aufatmen?
Eher wohl nicht, viel mehr ein weiteres Beispiel dafür, so darf man die Reaktionen von Klimaexperten seither deuten, dass diese sogenannten Kippelemente ganz entscheidende, ja schicksalhafte Teile im großen Klimapuzzle sind, die noch genauer als bisher untersucht werden sollten. Etwa ein Dutzend dieser Kippelelemente sind in den vergangenen Jahren beschrieben und zunehmend genauer unter die Lupe genommen worden: die großen Eisschilde der Antarktis und auf Grönland, der Amazonas-Regenwald, die thermohaline – von Temperatur und Salzgehalt abhängige – globale Zirkulation der Meeresströme, die Monsune in Südasien, das El-Nino-Phänomen und einige mehr. Gemeinsam ist allen, dass sie sich mit der globalen Erwärmung verändern und auf einen Schwellenwert zubewegen, der ein Umkippen des Teilsystems markiert. Ist erst einmal genug Eis geschmolzen, gibt es kein Halten mehr. Sind Teile des Amazonas ausgetrocknet, wäre das weitere Austrocknen von einem Drittel bis vielleicht sogar die Hälfte der „grünen Lunge“ nicht mehr aufzuhalten. Die physikalischen und biologischen Zusammenhänge lassen das jeweils vermuten, und die Modelle der Klimaforscher zeigen diese Muster immer wieder. Die Sorge ist, dass mit dem Kippen eines oder mehrerer Teile jeweils auch die Gefahr heraufbeschworen wird, dass das gesamte Erdsystem in den Abgrund gerissen wird.
So groß die Sorge vor dem katastrophalen Abrutschen ist, so groß sind aber auch die wissenschaftlichen Unsicherheiten. Kippelemente zu simulieren mit Klimamodellen ist extrem schwer angesichts der vielen Rückkoppelungen, die schon in jedem einzelnen dieser großräumigen Klimasubsysteme wirken. Schmilzt etwa das Grönlandeis immer schneller, wie in den vergangenen Jahren tatsächlich zu beobachten, fließt sehr viel salzarmes Süsswasser in den Nordatlantik – und dieses Süßwasser schwächt die globale Ozeanzirkulation (AMOC) ab, was widerum dazu führt, dass weniger von dem warmen Golfstromwasser in den Nordatlantik transportiert wird. Folge: Auf Grönland kühlt es sich ab, das bremst die Eisschmelze.
Helikopterflug von AWI-Forschern aus Bremerhaven entlang der Eiskante des frisch abgebrochenen Eisbergs A 74.
:
Bild: dpa
Neben solchen Bremsklötzen, negativen Rückkoppelungen, gibt es aber auch die positiven Feedback-Schleifen: das „Melt-elevation Feedback„ beispielsweise. Schmilzt das Eis massiv an der Oberfläche, wie auf Grönland, sinkt es ab. Unten ist es ind er Regel aber auch auf Grönland wärmer als oben. Deshalb beschleunigt das Absinken des viele hundert Meter hohen Eispanzers in die Tiefe die Eisschmelze zusätzlich. Ein „Teufelskreis“, so hat es vor kurzem Niklas Boers vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung genannt, der zusammen mit norwegischen Kollegen die jüngste Entwicklung in der Mitte des westlichen Grönlandeisschildes ausgewertet hat. In den Proceedings der amerikanischen Nationalen Akademien der Wissenschaften hat er Anzeichen in der Dynamik des Schmelzvorgangs beschrieben, die darauf hindeuten, „dass die Destabilisierung des Eisschildes bereits begonnen hat“.
Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.
Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.
Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.