Nachrichten

#Flucht nach Marrakesch

Inhaltsverzeichnis

„Flucht nach Marrakesch“



Canetti war vor diesem Ort geflohen: der alte jüdische Friedhof von Marrakesch.

Bild: ddp

„Die Stimmen von Marrakesch“ war lange Elias Canettis erfolgreichstes Buch. Eines seiner besten ist es geblieben. Aber was findet man, wenn man seinen Gegenstand, die marokkanische Stadt, heute von Neuem sucht? Ein Gastbeitrag.

Es war ein lang gehegter Traum, aber eine spontane Entscheidung: Seit mehr als dreißig Jahren lese ich und schreibe über Elias Canetti, der 1954 mit einem Filmteam nach Marrakesch reiste. Das erzeugte den Wunsch, all die Orte zu besuchen, die er in seinem kleinen Juwel eines Buches, „Die Stimmen von Marrakesch“ (1967), heraufbeschwört. Aber immer kam etwas dazwischen – die Kinder, administrative Aufgaben, Abgabefristen, die schiere Extravaganz der Reise. Letztlich gab der kalte, regnerische und unerträglich dunkle nordrhein-westfälische Winter den Ausschlag. Ich klagte bei meinem Therapeuten, dass ich mein mojo einfach nicht finden könne – nicht bei diesen frühen Sonnenuntergängen. Neben einer Tageslichtlampe empfahl er einen kurzen Ausflug an einen sonnigen Ort. Kaum eine Woche später befand ich mich in Marokko.

Der Plan war einfach: Canetti wieder lesen, Marrakesch erkunden und die Sonne genießen. Dass mein Gepäck ver­loren ging, war kein großer Rückschlag: So konnte ich ausgiebig den bemerkenswert schönen Flughafen von Marrakesch betrachten und darüber nachdenken, wie viel großzügige Architektur für die Stimmung eines Menschen leisten kann. Das scheint bei dem Entwurf für den Campus Duisburg-Essen leider keine Rolle gespielt zu haben, auf dem ich derzeit (und sehr gerne) Scholar in Residence bin, beurlaubt von meiner amerikanischen Heimatuniversität. Beim Warten dachte ich mitleidig an die Studenten und Kollegen dort, denen die offen gesagt uninspirierte und marode Infrastruktur dort sozusagen täglich mitteilt, wie wenig sie im reichsten Land Europas von Bedeutung sind. Aber ich war im Urlaub, und wie Canetti bekanntermaßen in den „Stimmen“ schreibt: „Auf Reisen nimmt man alles hin, die Empörung bleibt zu Haus. Man schaut, man hört, man ist über das Furchtbarste begeistert, weil es neu ist. Gute Reisende sind herzlos.”

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!