Fotografien von Candida Höfer im Hessischen Landesmuseum

Ob es sich um prächtige, repräsentative Säle wie den Zuschauerraum des Teatro Mercandante in Neapel oder das Teatro della Pergola in Florenz handelt oder ob um intimere Stätten wie die Warburg-Bibliothek in Hamburg: Candida Höfer porträtiert Räume. Und dies auf eine so ruhige und sachliche Art, als müsse sie sich dem Raum und seinem spezifischen Charakter wie einem komplizierten Menschen nähern. Er offenbart seine vielschichtigen Eigenarten erst, wenn man ihm genug Zeit lässt und ihn respektvoll behandelt.
Im Hessischen Landesmuseum Darmstadt lassen sich die Innenräume Höfers, die zu den renommiertesten deutschen Fotografinnen zählt und internationale Anerkennung genießt, jetzt über die Jahre studieren. Bis 24. August präsentiert die Ausstellung „Candida Höfer. Fotografien“ mit 53 Arbeiten einen breiten Überblick über das Werk der 1944 in Eberswalde zur Welt gekommenen Künstlerin. Ihre eindrucksvollen Großformate mit den Aufnahmen prachtvoller Säle sind dabei ebenso zu sehen wie neuere Fotoserien, in denen Höfer sich mit provisorischen Beleuchtungskörpern oder Bäumen beschäftigt.
Mehr als fünf Jahrzehnte ist Höfers Œuvre gewachsen, mit dem sie zur fotografischen Avantgarde der Gegenwart zählt. Die in Köln lebende Fotografin hat national und international in wichtigen Häusern ausgestellt und ist für ihr Werk vielfach ausgezeichnet worden. Zuletzt erhielt sie 2024 den Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste Berlin. Von 1997 bis 2000 hatte sie eine Professur für Fotografie an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe inne. Auf der Documenta in Kassel war sie 2002 zu sehen, ein Jahr später vertrat sie Deutschland neben Martin Kippenberger auf der 50. Biennale in Venedig.

Nach einer Ausbildung im Fotostudio Schmölz-Huth in Köln und dem Studium der künstlerischen Fotografie an den Kölner Werkschulen war Höfer Schülerin von Bernd und Hilla Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie, wo sie 1973 bis 1982 studierte. Wie Andreas Gursky, Axel Hütte, Thomas Ruff und Jörg Sasse gehört sie zu den viel beachteten Vertretern der Düsseldorfer Fotoschule, als deren Kennzeichen eine objektivierende Sachlichkeit gilt.
Diese betont nüchterne Betrachtungsweise in der Tradition der Neuen Sachlichkeit hat Höfer zu ihrer Bildsprache gemacht. Öffentlich zugängliche Innenräume, Orte der Begegnung, der Kommunikation, der Erinnerung und des Wissens, aber auch der Entspannung und Erholung, die sie seit den Achtzigerjahren für ihre Fotografien aufsucht, Bibliotheken, Hörsäle, Konzerthäuser, Sporthallen, Cafés und Museen, bildet sie nüchtern ab, frontal aufgenommen und gestochen scharf. So wird es dem Betrachter möglich, sich in Strukturen und Gestaltung der Räume zu vertiefen, ihre Pracht zu studieren und sich über ihre Funktion Gedanken zu machen.
Zumal keine Personen auf den Bildern stören. Fotografierte Höfer anfangs noch Menschen, wie für ihre Dokumentation über türkische Migranten in Deutschland, verzichtete sie später darauf. Es mag sich, wie aus Versehen, noch einmal eine Person am Rande eines Bildes befinden.
Wichtig sind Menschen auf Höfers Fotografien aber gerade, weil sie nicht gezeigt werden. All die menschenleeren Bauten mit ihrer oft überwältigenden Pracht sprechen dennoch von ihren Nutzern, von ihrer Funktion und kulturellen Bedeutung: durch die Bücher in den Regalen alter Bibliotheken, die Lichter über den aufgeräumten Arbeitstischen, die leeren Stuhlreihen in den Vortragssälen oder, mit untergründigem Witz, durch zwei alte Sitzsäcke in einem Aufenthaltsraum in Los Angeles.
In vier Themen ist die Darmstädter Ausstellung gegliedert. Nach den großformatigen Innenräumen im Oberlichtsaal sind in den kleineren Räumen der Karl-Freund-Galerie Höfers „Zoologische Gärten“, „Glühbirnen“ (2021) und „Trees“ (2021) zu sehen. Auch hier offenbart sich Höfers meisterhafte Kunst, mit sachlich fotografierten Motiven nebenbei Fragen aufzuwerfen.
Die Glühbirnen, die mit Klebeband und Kleiderbügeln provisorisch in einem leeren weißen Raum aufgehängt wurden, lassen den Betrachter ebenso rätseln, wer hier zugange war, wie die in engen Betonunterkünften gehaltenen Tiere in den Zoologischen Gärten Rückschlüsse auf ihre empathielosen Betrachter erlauben. In „Trees“ wiederum sind geordnete Landschaften zu sehen, in denen horizontale und vertikale Linien eine strukturierte Bildkomposition ergeben. Überall hat der Mensch seine Spuren hinterlassen.
„Candida Höfer. Fotografien“, bis 24. August, Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Friedensplatz 1
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