Frankfurt went West: Foto-Ausstellung von Mickey Bohnacker
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Wären sie nicht schwarz-weiß, zeigten sie nicht Motive der Nachkriegszeit, dann könnten viele dieser Bilder von einem Instagram-Kanal stammen. Mickey Bohnacker fotografierte, was ihm vor die Linse kam. Ohne hehren künstlerischen Anspruch, ohne Agenda, aber mit wacher Neugier und unerschöpflicher Begeisterung für die Zeit, in der er und die von ihm Porträtierten lebten. Michael Fleiter spricht mit einem Goethe-Wort von „zarter Empirie“: Mit unverstelltem, liebevollem Blick habe Bohnacker die gesellschaftliche Wirklichkeit einer entscheidenden Epoche der jungen Bundesrepublik abgebildet.
Zusammen mit Tobias Picard hat Fleiter die Ausstellung „Frankfurt went West“ kuratiert, die jetzt ein Jahr lang bis zum 7. Juni 2026 im Institut für Stadtgeschichte zu sehen ist. Gezeigt werden gut 100 Fotografien aus dem Nachlass des 2017 verstorbenen Bohnacker. Anliegen der Kuratoren ist es, ein neues Licht auf den Mann zu werfen, der als „Sensationsfotograf“ eine Institution in Frankfurt war und doch mehr als nur Prominente und spektakuläre Ereignisse ablichtete. Die Bilder aus den Jahren 1945 bis 1965 zeigen Bohnacker als politisch Interessierten, der die Aufbruchszeit der Fünfziger und die Orientierung an Amerika geradezu enthusiastisch verfolgte.
Diese Begeisterung entsprang seinem eigenen Erleben. Karl-Heinz Bohnacker – den Namen „Mickey“ erhielt er später wegen seiner Körpergröße von nur 1,52 Meter – kam 1928 am Bornheimer Hang zur Welt, wuchs in einfachen Verhältnissen auf und sollte eigentlich Feinmechaniker werden. Seine Bestimmung fand er, als er kurz nach Kriegsende im deutsch-amerikanischen Jugendclub „German Youth Activities“ mit den Besatzern in Kontakt kam. Die lässige Lebensart der GIs faszinierte ihn, und er begann, mit einer einfachen Boxkamera für die Armeezeitung zu fotografieren. Kurz darauf engagierte ihn eine US-Bildagentur, bei der er bis 1954 blieb, danach machte er als freier Pressefotograf weiter.
Seine Statur war kein Defizit, sondern gereichte ihm sogar zum Vorteil. So durfte Bohnacker bei vielen Anlässen in der ersten Reihe vor allen anderen stehen. Mit seiner auffallenden Erscheinung – der amerikanische General und spätere US-Präsident Dwight D. Eisenhower nannte ihn „Shorty“ –, vor allem aber mit seiner Unerschrockenheit, etwa bei Luftaufnahmen aus Militärflugzeugen, wurde er schnell zur „Marke“. „So entstanden Motive, die aus nächster Nähe den Einfluss Amerikas auf Politik, Alltag und Kultur zeigen“, sagt Mirjam Sprau, die Leiterin des Instituts für Stadtgeschichte.
Bild von Kennedy ein Wendepunkt
Ein zweiter Glücksfall für Bohnacker war seine Heimatstadt. Frankfurt war, wie Kurator Fleiter sagt, „ein Ausgangspunkt der Amerikanisierung Westdeutschlands sowie der demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik“. Auch nachdem die Wahl auf Bonn als Regierungssitz gefallen war, behielt die Stadt am Main ihre zentrale Funktion, denn der Sitz des zuständigen Hohen Kommissars John J. McCloy blieb bis 1952 im I.G.-Farben-Gebäude. Geprägt sind die Bilder von Bohnackers durchweg positivem Verhältnis zu Amerika – die in den Sechzigerjahren einsetzende Kritik an den USA war ihm fremd, wie Kurator Picard sagt. Insofern sei das Bild, das John F. Kennedy auf umjubelter Fahrt durch Frankfurt zeigt, so etwas wie ein Wendepunkt. Danach habe sich die Amerika-Rezeption geändert – und damit auch die Arbeitsgrundlage Bohnackers, dessen späteren Bildern die Stimmung der Aufbruchsjahre fehle.
Gegliedert ist die Ausstellung in zwölf Kapitel, die sich Themen wie Demokratisierung, NATO, Kaltem Krieg, Drehkreuz Flughafen und Konsumgesellschaft widmen. Unter der Überschrift „Chicago am Main“ sind Fotografien zu Kriminalfällen zu sehen, bei denen Bohnacker von seinen Verbindungen zur Polizei profitierte. Sehenswert sind aber auch die unter „Tradition und Unterhaltung“ gruppierten Aufnahmen von Festen, Sportereignissen und Alltagsszenen wie der von der Rollschuhbahn am Mainufer, auf der die spätere Eisprinzessin Marika Kilius ihre Runden dreht.
Etwas bedauern mag man bei manchen Bildern, dass sie nicht großformatiger präsentiert werden können. Andererseits ist es den Kuratoren so gelungen, möglichst viele zum jeweiligen Thema passende Fotos unterzubringen. Wobei auch diese nur einen winzigen Bruchteil des gesamten Nachlasses von weit mehr als hunderttausend Bildern darstellen, die das Institut für Stadtgeschichte übernommen hat. Bohnacker habe die Fotografien ungeordnet und weitgehend unbeschriftet in aktenkoffergroßen Schachteln aufbewahrt, sagt Picard. Die Zuordnung der Fotos sei oft nur durch Zeitungsartikel gelungen, in denen die Bilder abgedruckt worden waren.
Zur Ausstellung gehört eine ausführliche Veranstaltungsreihe, die am Montag, 25. August 2025, von Michael Fleiter mit einem Abend über „Frankfurt – Westdeutschlands amerikanischste Stadt“ eröffnet wird.
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