#Frauen ohne Schlecker
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„Frauen ohne Schlecker“
Das Ende verbringen die Schlecker-Frauen von Stetten am kalten Markt gemeinsam. Noch einmal kommen die fünf Mitarbeiterinnen der gerade untergegangenen Drogeriemarktkette im Juni 2012 in die Filiale in der Gemeinde auf der Schwäbischen Alb. Sie kleben das Schaufenster von innen blickdicht ab. Sie sehen im leeren Lager und im Verkaufsraum ein letztes Mal nach dem Rechten. Schließlich sperren sie die Ladentür ab. Danach gehen die Frauen mit ihren Männern Pizza essen. Bis zum Schluss zusammenhalten, nach allem, was war, und angesichts all dessen, was kommen mag: Das sei an diesem Tag vor bald zehn Jahren wichtig gewesen. So schildert es Andrea Straub im Rückblick.
Straub ist eine der fünf ehemaligen Schlecker-Frauen aus Stetten. Vereint an einem Strang ziehen, in guten wie in schlechten Zeiten – daran halten sich Straub, 55 Jahre, und ihre fünf Jahre ältere Mitunternehmerin Karin Beck heute, ein Jahrzehnt nach der Schlecker-Insolvenz, immer noch. Zusammen betreiben sie die „Drogerie Drehpunkt“ in Stetten, gut 100 Kilometer südlich von Stuttgart. Bekannt ist die Gemeinde für die Alb-Kaserne und einen Truppenübungsplatz der Bundeswehr. Wer nach Stetten hineinfährt, kommt als Erstes an einem Schild vorbei, das sich als Befehl lesen lässt: „Einkaufen in Stetten“ steht darauf. Für einen Ort mit weniger als 5000 Einwohnern gibt es erstaunlich viele Möglichkeiten dazu.
An und neben der Durchgangsstraße finden sich ein Optiker, zwei Metzger, ein Bäcker, zwei Elektronikhändler, ein Getränkemarkt und ein Laden, der gleichzeitig Obst, Gemüse und Blumen anbietet. Mittendrin: der Drehpunkt von Straub und Beck, „meine Drogerie“, wie es im Schaufenster heißt. Der Slogan soll natürlich zuallererst den Kundinnen und Kunden ein heimeliges Gefühl vermitteln. Er trifft aber auch auf die beiden Betreiberinnen Straub und Beck zu.
Intransparentes Imperium
Bis vor zehn Jahren waren sie normale Mitarbeiterinnen des gar nicht so normalen Drogeriemarktimperiums von Anton Schlecker: gut 8000 Filialen in Europa, etwa 6000 davon in Deutschland, insgesamt rund 32.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Geleitet von einem öffentlichkeitsscheuen Patriarchen, der sein Unternehmen trotz seiner Größe weiter als eingetragener Kaufmann führte und deshalb in der Insolvenz mit seinem gesamten Privatvermögen haften musste. Schlecker ließ es an Transparenz mangeln, er war umstritten wegen seines Umgangs mit den Angestellten, die laut Gewerkschaftsvertretern schikaniert und zu Dumpinglöhnen beschäftigt wurden. Legendär machte Schlecker, dass ihm durch massive Expansion aus dem Nichts der Aufbau der zeitweise größten Drogeriemarktkette Europas gelang. Doch im harten Konkurrenzkampf des Drogeriegeschäfts verlor das Unternehmen irgendwann den Anschluss an modernere Wettbewerber.
Der Drogeriemarkt „Drehpunkt Stetten“ in Stetten am kalten Markt.
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Bild: Finn Winkler
Straub und Beck waren zusammen mit ihren drei Kolleginnen diejenigen, die das System Schlecker in Stetten am Laufen hielten. Die Idee war, in kleineren Städten und Gemeinden eine fußläufig erreichbare, nicht allzu große Drogerie zu betreiben, vollgestellt mit zahllosen Produkten auf ziemlich schmucklosen Regalreihen, zwischen denen gerade mal ein schmaler Einkaufswagen durchkommt. Nachdem Schlecker am 23. Januar 2012 die Zahlungsunfähigkeit angemeldet hatte, erhielten deshalb auch Straub und Beck einen Beinamen, der je nach Zeitpunkt und Blickwinkel mal nach Ehre, mal nach Makel klang: Die beiden wurden zu „Schlecker-Frauen“, so wie die rund 27.000 anderen, überwiegend weiblichen Angestellten des Unternehmens in Deutschland.
Mit Eigeninitiative aus der Arbeitslosigkeit
Als Schlecker-Mitarbeiterinnen in ganz Deutschland unmittelbar nach der Insolvenzanmeldung dafür kämpften, dass ihre Filiale im Rahmen einer Sanierung vielleicht doch überlebt, signalisierte die Bezeichnung noch Respekt. Als sich aber herauskristallisierte, dass die Drogeriemarktkette sämtliche Angestellte entlassen würde, kam ein Unterton dazu, wenn es um die Schlecker-Frau ging. Verstärkt hat das ein Satz des damaligen Bundeswirtschaftsministers und FDP-Chefs Philipp Rösler.
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