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#Wie der Tiefseebergbau den Meeresboden aufwirbelt

Auf dem Meeresboden der Tiefsee liegen große Mengen Manganknollen. Diese kugeligen Gebilde enthalten wertvolle mineralische Erze, die unter anderem für Smartphones und Elektroauto-Batterien genutzt werden könnten. Doch die Umweltfolgen eines Abbaus wären möglicherweise gravierend. Eine Studie zeigt nun, dass ein potenzieller Tiefseebergbau nicht nur die Abbaugebiete selbst verändert, sondern auch weiter entfernt liegende Gebiete, in denen sich die aufgewirbelten Sedimentschichten wieder ablagern. Was das für die empfindlichen Ökosysteme der Tiefsee bedeutet, lässt sich bisher noch kaum abschätzen.

Für die Produktion von Smartphones, Elektroautos und Co. werden Rohstoffe wie Mangan, Nickel, Kobalt und Seltene Erden benötigt. Bisher stammen diese oft aus Minen in Afrika, wo sie unter prekären Umwelt- und Arbeitsbedingungen abgebaut werden. Noch nicht erschlossen ist dagegen ein weiteres riesiges Vorkommen: Am Meeresboden der Tiefsee, in etwa 3500 bis 6500 Metern unter der Meeresoberfläche, finden sich sogenannte Manganknollen. Sie sind einige Millimeter bis Dezimeter groß und haben sich über Millionen von Jahren aus verschiedenen Metallen zusammengelagert, die zuvor im Meerwasser gelöst waren oder bei der Zersetzung organischen Materials freigesetzt wurden.

Begehrte Rohstoffe

„Aufgrund ihres großen Vorkommens und ihres beträchtlichen Gehalts an Kupfer, Nickel, Kobalt und einer Reihe von Seltenerdelementen sind die Knollen seit den 1960er Jahren von kommerziellem Interesse“, erklärt ein Team um Iason-Zois Gazis vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Die Internationale Meeresbodenbehörde ISA arbeitet derzeit an einem Regelwerk, das festlegen soll, ob und unter welchen Bedingungen die Manganknollen abgebaut werden dürfen. Bisher ist allerdings weitgehend unklar, wie sich ein möglicher Tiefseebergbau auf die empfindlichen Ökosysteme der Tiefsee auswirken würde. Frühere Studien haben bereits darauf hingedeutet, dass entsprechende Eingriffe Schäden verursachen, die noch nach Jahrzehnten die Artenvielfalt und die Funktionsfähigkeit des Ökosystems beeinträchtigen.

Eine der bisher noch wenig verstandenen Gefahren besteht in der Ausbreitung von Sedimentwolken, die beim Abbau der Manganknollen aufgewirbelt werden. Um besser zu verstehen, wie sich das Sediment am Meeresgrund bei einem möglichen Tiefseebergbau verhalten würde, haben Gazis und sein Team eine Testmission eines Knollenkollektor-Prototyps wissenschaftlich begleitet. Im April 2021 testete das belgische Unternehmen Global Sea Mineral Resources (GSR) ein Tiefseefahrzeug zum Abbau von Manganknollen. In 4500 Metern Tiefe baute das ferngesteuerte Gerät während seines 41-stündigen Testbetriebs Manganknollen auf einer Fläche von 34.000 Quadratmetern ab.

Aufgewirbeltes Sediment

Das Forschungsteam erfasste mit verschiedenen Sensoren am Meeresboden sowie Tauchrobotern, wie sich die aufgewirbelten Sedimentwolken ausbreiteten und wieder ablagerten. „Während der größte Teil der aufgewirbelten Sedimente innerhalb weniger hundert Meter wieder zu Boden sinkt, konnten wir feine Partikel noch in bis zu 4,5 Kilometern Entfernung nachweisen“, berichtet Gazis. Entlang steiler Abschnitte des Meeresbodens bewegte sich die Sedimentwolke bis zu 500 Meter hangabwärts. Ihre weitere Ausbreitung wurde durch die natürliche Ozeanströmung bestimmt.

In unmittelbarer Umgebung des Abbaugebiets waren die Sedimentkonzentrationen bis zu 10.000-mal höher als natürlicherweise, sanken jedoch innerhalb von 14 Stunden wieder auf Normalwerte. Der Großteil der aufgewirbelten Partikel konzentrierte sich innerhalb von fünf Metern über dem Meeresboden und setzte sich relativ schnell wieder ab. Dabei entstand in einem Bereich von mehreren hundert Metern um das Abbaugebiet eine bis zu drei Zentimeter dicke Schicht aus neu abgelagertem Sediment. Im Abbaugebiet selbst wurden mindestens die obersten fünf Zentimeter des Meeresbodens entfernt.

Toleranzschwellen unklar

Gerade in den obersten Schichten des Sediments beherbergt die Tiefsee jedoch eine enorme Artenvielfalt, die bisherigen Erkenntnissen zufolge sehr empfindlich auf kleinste Störungen reagiert. „Die schwierigste Herausforderung besteht darin, quantitative Toleranzschwellenwerte festzulegen, um das breite Spektrum der Lebewesen zu schützen, die in den potenziell vom Bergbau betroffenen Gebieten am Meeresboden leben“, erklärt das Forschungsteam. Wie viel Sediment darf aufgewirbelt werden? Wie dick dürfen die sich neu ablagernden Schichten sein, um so wenig Schaden wie möglich anzurichten? Diese Fragen lassen sich bisher noch nicht eindeutig beantworten.

Für den Fall, dass Tiefseebergbau zukünftig erlaubt wird, empfehlen Gazis und sein Team, die entsprechenden Tiefseegeräte mit fortschrittlicher Überwachungstechnologie auszustatten, um die Folgen in Echtzeit zu erfassen und bei Bedarf schnell darauf reagieren zu können. Zudem könnte es auf Basis der aktuellen Ergebnisse sinnvoll sein, den Abbau auf ebene Gebiete zu beschränken, da sich an Stellen mit großen Höhenunterschieden dickere Sedimentschichten ablagern, die potenziell gravierendere Auswirkungen haben.

Quelle: Iason-Zois Gazis (GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, Kiel), Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-025-56311-0

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