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#Globalisierung schützt nicht vor Wahnsinn

„Globalisierung schützt nicht vor Wahnsinn“

Gut, dass die Welt so verflochten ist: Wenn sie es wirklich wollen, können Europa und Amerika schnell verändern, wie es anderen Ländern ergeht. Wenn das russische Regime auf seine Devisenreserven nur eingeschränkt zugreifen kann, der Wert des Rubels rapide verfällt, Moskauer Schlange stehen vor Bankautomaten, reiche Russen plötzlich um Villen, Luxusjachten und Auslandskonten bangen, ausländische Unternehmen Investitionen absagen oder Geschäft abstoßen und auf Plattformen wie Facebook oder Twitter Betroffene unmittelbar mitteilen, was ihnen in diesem Krieg widerfährt – dann geht all das, weil sich weltumspannend feingliedrige Verbindungen etabliert haben, die das eigene Wohlergehen mit dem Wohlergehen vieler anderer verknüpfen. Deshalb sind Sanktionen möglich, wie sie der Westen nun auf den Weg gebracht hat.

Für sich genommen, sorgten und sorgen die dahinterstehenden Mechanismen grundsätzlich für mehr Stabilität. Dieser Kern der einst in Maximen wie „Wandel durch Handel“ verpackten oder viel früher schon von Immanuel Kant vorgebrachten Globalisierungshoffnungen gilt weiterhin. Zumindest lässt sich nicht, wie das im Angesicht des aktuellen Schreckens gelegentlich geschieht, schlussfolgern, dass die Welt heute automatisch ein friedlicherer Ort wäre, wenn Westeuropäer und Amerikaner nach dem Ende des Kalten Krieges den Handel mit Russland weniger intensiviert oder China nicht in die WTO gelassen hätten. So einfach ist es leider nicht.

Es ist nicht egal, wer sich worauf spezialisiert

Reichen die nun beschlossenen Maßnahmen, um die von Wladimir Putin befohlene Invasion der Ukraine zu stoppen? Vermutlich nicht. Die Globalisierung leistet viel, sie schützt aber nicht vor Wahnsinn. Sie schützt nicht vor Mächtigen, die über Zigtausende Leichen gehen (können) oder jede Form konstruktiver Kooperation ablehnen. Diese Lektion haben hoffentlich nun auch jene verinnerlicht, die noch in der jüngeren Vergangenheit als zentrales Ziel deutscher Außen-, Innen-, Entwicklungs-, Finanz- und Wirtschaftspolitik im Grunde nur mehr Freihandel propagierten und glaubten, auch der niederträchtigste Despot müsse bloß die Verheißungen der internationalen Arbeitsteilung beigebracht bekommen, um sich in einen lupenreinen Demokraten zu verwandeln. Darüber hinaus war und ist natürlich ohnehin nicht egal, wer sich worauf spezialisiert – wenn ein Land vor allem auf Tennissocken und Turnschuhe setzt oder sonnige Sandstrände anbietet und ein anderes Land moderne Waffen und Sicherheitstechnik entwickelt, dann hat das langfristig nicht nur wirtschaftliche Konsequenzen.

Einigermaßen fehlgeleitet war zuletzt auch manche Diskussion über spieltheoretische Strategien, mit denen Deutschland oder die EU glaubwürdig bleiben könnten. Das verkannte, dass sich Putin schon lange in Worten und Taten wenig für Nash-Gleichgewichte oder Pareto-Verbesserungen interessiert: Im Kampf um geopolitische Macht und Kontrolle sind gerade nicht „Win-win-Situationen“ attraktiv, sondern solche Weiterentwicklungen, in denen sich die eigene Position verbessert und zugleich die des oder der anderen verschlechtert.

Und nun? Bekanntlich haben politische und wirtschaftliche Entscheider rund um den Globus längst auf das seit Jahren viel rauere weltpolitische Umfeld reagiert, das im russischen Angriff auf die Ukraine eine abscheuliche neue Eskalationsstufe erreicht hat. Die USA und die EU fördern inzwischen Schlüsselindus­trien wie die Halbleiterbranche und Technologien wie die Künstliche Intelligenz stärker, nehmen Lieferketten genauer in den Blick und untersuchen bedrohliche Abhängigkeiten aus der geschichtlich verbrieften Gewissheit heraus, dass technologisch-wirtschaftlicher Vorsprung nahtlos in politisch-militärische Machtmöglichkeiten übergeht.

Sogar Berlin zieht jetzt mit, das sich darin lange schwerer getan hat als die geschulteren Partner in Paris, London oder Washington. Die der Bundeswehr zugesicherten zusätzlichen Milliarden sind richtig und wichtig. Die Bundesrepublik braucht fortschrittlichste Verteidigungssysteme, die etwa vor KI-basierten Luftwaffen und Cyberangriffen schützen. Und die deutsche oder zumindest die EU-Wirtschaft muss fähig sein, die wichtigsten Bauelemente dafür herzustellen und zu beherrschen. Das kostet, was es kostet.

Nicht hilft jedenfalls eine weitere nach wie vor verbreitete Denkfigur, die auch in der Pandemie oder in der Geldpolitik anzutreffen ist: die Vorstellung einer „Rückkehr zu Normalität“. Die Weltgeschichte kennt keinen Rückwärtsgang.

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