Wissenschaft

#Komplexe Sprache der Darmmikroben enthüllt

Die Mikroben in unserem Darm produzieren verschiedene Gallensäuren, um miteinander zu kommunizieren und verschiedene Prozesse in unserem Körper zu regulieren. Doch die Anzahl dieser Signalmoleküle ist weit größer und die „Sprache” der Mikroben viel komplexer als bislang angekommen: Wie Forschende herausgefunden haben, produzieren unsere Darmbewohner nicht nur hunderte, sondern tausende verschiedene Gallensäuren. Diese Entdeckung wirft ein neues Licht auf den menschlichen Stoffwechsel und auf Krankheiten, die durch Gallensäuren verursacht oder behandelt werden können.

Gallensäuren sind ein wesentlicher Bestandteil unserer Verdauung. Sie werden von der Leber produziert, in der Gallenblase gelagert und von dort in den Dünndarm abgegeben, um Nährstoffe wie Vitamine und Fettsäuren besser zu verwerten. Unterstützt wird dieser Prozess von im Darm lebenden Mikroorganismen, unserer Darmflora, die die Gallensäuren umwandeln. Dabei entstehen zahlreiche neue Moleküle, die als sekundäre Gallensäuren bezeichnet werden und vom Darm meist besser absorbiert werden als die ursprünglichen Moleküle aus der Leber.

Doch die Mikroben bauen die Gallensäuren nicht ganz uneigennützig um: Sie verwenden die verschiedenen Moleküle auch als Energiequelle und als Signale, um miteinander zu kommunizieren, wie frühere Studien belegen. In einer Art Nebeneffekt beeinflussen die Bakterien über diese Signalmoleküle auch verschiedene Funktionen in unserem Immunsystem, unserem Stoffwechsel sowie das Zusammenspiel verschiedener Organe. Ein Rätsel war dabei jedoch bislang, wie diese „Sprache“ der Mikroben im Detail funktioniert und wie weit ihr Einfluss auf unsere Gesundheit reicht.

Datensammlung offenbart Vielfalt der Gallensäuren

Ein Team um Ipsita Mohanty von der University of California in San Diego hat diese sekundären Gallensäuren daher nun genauer untersucht. Dafür verwendeten sie eine zuvor aufwendig generierte digitale Bibliothek, die Informationen über Mikroorganismen und die von ihnen produzierten Moleküle sammelt. Darin flossen rund 1,2 Milliarden öffentlich zugängliche Massenspektrometer-Messdaten von tierischen und menschlichen Proben sowie Referenzproben ein. „Für Forscher aus der mikrobiellen Metabolomik gab es bisher keine Infrastruktur, um Daten auszutauschen,” erklärt Seniorautor Pieter Dorrestein von der University of California in San Diego. Ausgehend von dieser Bibliothek des Collaborative Microbial Metabolite Center (CMMC) entwickelte das Team um Mohanty einen Algorithmus, der die Mikroben den von ihnen produzierten Metaboliten zuordnen kann. Dieses Filterwerkzeug nutzen die Forschenden anschließend, um gezielt die sekundären Gallensäuren der menschlichen Darmmikroben zu untersuchen.

Dabei stellte sich heraus: Die sekundären Gallensäuren sind deutlich vielfältiger und erfüllen viel mehr Funktionen als bislang angenommen. „Als ich anfing, im Labor zu arbeiten, gab es etwa ein paar hundert bekannte Gallensäuren“, sagt Mohanty. „Jetzt haben wir Tausende weitere entdeckt und erkennen immer mehr, dass diese Gallensäuren weit mehr bewirken, als nur die Verdauung zu unterstützen.“ Die Ergebnisse liefern demnach bisher unbekannte Einblicke in die biochemische Sprache, mit der Mikroben nicht nur den Darm, sondern auch weiter entfernte Organsysteme beeinflussen. „Gallensäuren sind ein wichtiger Bestandteil der Sprache des Darmmikrobioms, und die Entdeckung dieser vielen neuen Molekülarten erweitert unser Vokabular radikal, um zu verstehen, was unsere Darmmikroben tun und wie sie es tun,“ sagt Dorrestein. Das verändert insgesamt das Verständnis des menschlichen Stoffwechsels.

Gallensäuren als Auslöser und Abhilfe gegen Krankheiten

Die Entdeckung wirft auch ein neues Licht auf Krankheiten, die durch Gallensäuren hervorgerufen oder behandelt werden können. „Aufgrund ihrer Wechselwirkung mit unserem Mikrobiom reicht der Einfluss von Gallensäuren weit über das Verdauungssystem hinaus. Das gilt auch für die Krankheiten, die wir damit behandeln“, erklärt Co-Autorin Helena Mannochio-Russo, ebenfalls von der University of California. „Die Liste der mit Gallensäuren verbundenen Krankheiten ist meilenlang und es gibt mehrere FDA-Zulassungen für diese Art von Säuren als therapeutische Wirkstoffe.“ Dazu zählen beispielsweise Gallensteine und ALS. Viele potenzielle Behandlungen mit Gallensäuren werden zudem derzeit in klinischen Studien erforscht, beispielsweise für Diabetes und Hepatitis.

In Folgestudien will das Team nun herausfinden, welche Funktionen die neu entdeckten Gallensäuren jeweils erfüllen können. Zudem wollen sie ihre Datenbank am CMMC und dessen Filterfunktion nutzen, um die Aufgaben anderer von Mikroben produzierter Moleküle zu untersuchen, etwa Lipide oder andere Säuren. „Wir erwarten, dass das CMMC noch viele weitere Durchbrüche bringen wird“, so Dorrestein.

Quelle: Ipsita Mohanty (University of California) et al., Cell Reports, doi: 10.1016/j.cell.2024.02.019

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