Sozialen Medien

Hanna Plaß: ‚Nach meinem Gefühl sieht das Leben keine Trennung zwischen Humor und Ernst vor‘

An Karfreitag sendet das ZDF «Das gläserne King», indem die Entfremdung zwischen Mutter und Tochter im Mittelpunkt steht. Plaß konnte sich am Besten mit Gesprächen einer Freundin auf die Rolle vorbereiten.

Hallo Frau Plaß. Wovon handelt «Das gläserne Kind»?
Das gläserne Kind handelt von der Annäherung zwischen Mutter Anne und ihrer Tochter Helen nach dem Tod ihres Sohnes und Helens Bruders Lukas und 7 Jahren Funkstille.

Helen ist eine vielschichtige Figur mit tiefen emotionalen Wunden. Was hat Sie an dieser Rolle besonders gereizt?
Genau diese Vielschichtigkeit. Mich hat gereizt, wie die verschiedenen Anteile ihrer Persönlichkeit in Konflikt kommen. Die kindliche Helen, die erwachsene Helen, die trauernde Helen, die Mutter…

Der Film behandelt ein sehr sensibles Thema: Kinder, die im Schatten eines schwerkranken Geschwisters aufwachsen. Wie haben Sie sich auf diese spezielle Dynamik vorbereitet?
Es gibt Blogs und Erfahrungsberichte, aber trotzdem ist jede Erfahrung individuell und abhängig von den Personen, und wie sie das Erzählte erlebt haben. Das zu verstehen, war für mich das Wichtigste.

Die Beziehung zwischen Helen und Anne ist von Schuld, Entfremdung und unausgesprochenem Schmerz geprägt. Wie haben Sie gemeinsam mit Katharina Böhm diese komplexe Dynamik erarbeitet?
Wir haben schon einmal 2011 Mutter und Tochter gespielt und konnten auf diesen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Und wir haben uns an mehreren Wochenenden getroffen und vor allem die Streitszene erarbeitet.

Der Begriff „Glass Children“ gewinnt immer mehr Aufmerksamkeit. Haben Sie sich während der Vorbereitung mit echten Geschichten oder Erfahrungsberichten von Betroffenen beschäftigt?
Wenn sie glass child im Internet eingeben, kommen unendlich viele Vorträge und Chatverläufe zum Vorschein. Mir hat aber am meisten das Gespräch mit einer Freundin geholfen, die in einer ähnlichen Situation aufgewachsen ist.

Obwohl der Film ein ernstes Thema behandelt, gibt es auch humorvolle Momente. Wie wichtig war es Ihnen, diese Leichtigkeit in die Geschichte einfließen zu lassen?
Nach meinem Gefühl sieht das Leben keine Trennung zwischen Humor und Ernst vor. Jedes Licht bringt seinen Schatten. Es würde sich irreal anfühlen nur einen Aspekt beleuchten zu wollen.

Helen kommt nach langer Zeit aus den USA zurück – sie hat sich ein eigenes Leben aufgebaut. Sehen Sie sie als eine Frau, die vor der Vergangenheit flieht, oder als jemanden, der sich ihr endlich stellt?
Helen ist nicht der Typ, der vor der Vergangenheit flieht. Sie sah keinen Weg mehr mit ihrer Mutter zusammen zu leben, deshalb ist sie nach Amerika gegangen. In Amerika gab es nach sieben Jahren keinen Weg mehr als Alleinerziehende, Arbeit und Fürsorge unter einen Hut zu bringen, deshalb kommt sie zurück. Ich mag die Pragmatik, mit der sie Entscheidungen trifft und dann mit den Konsequenzen umgeht.

Helen nennt ihren Sohn Luke – nach ihrem verstorbenen Bruder. Ist das für Sie ein Zeichen der Verarbeitung oder eher der fortwährenden Belastung durch die Vergangenheit?
Ich glaube, dass Helen mit Lukas eine viel intensivere Wahrnehmung für das Leben erlernt hat, die den meisten Menschen nicht zugänglich ist. Auch wenn darin viel Schmerz und Erschöpfung liegt. Ihren Sohn Luke zu nennen ist, glaube ich, eine Erinnerung oder ein Denkmal, dass sie erinnern soll: Nimm wahr, wie sich das Licht im Wasser spiegelt, wie die Blätter im Wind rauschen, da liegt die Magie des Moments. Gerade im Großwerden des eigenen Kindes ist jeder Moment kostbar.

Konnten Sie sich mit Helen in irgendeiner Weise identifizieren? Gab es Aspekte an ihrer Geschichte, die Sie persönlich berührt haben?
Nicht zu wissen, wann man sich, ob man sich eigentlich jemals wirklich abgenabelt hat von der eigenen Mutter. Ob man eigenständig und versorgt genug ist. Das sind Dinge, die mich selbst immer wieder beschäftigen. Und dass sich dieser Prozess bei Helen und ihrem eigenen Kind Luke spiegelt, hat mich sehr berührt.

Wie war die Arbeit mit Suki M. Roessel? Hat sie Ihnen als Schauspielerin neue Perspektiven eröffnet?
Suki M. Roessel kann unendlich viel Energie halten. Sie ist wie ein Magnet für interessante Perspektiven und Gespräche, weil sie immer wirklich da ist. Es gibt wenig Lebendigeres.

Der Film lässt Raum für verschiedene Perspektiven und Interpretationen. Was würden Sie sich wünschen, dass das Publikum aus der Geschichte mitnimmt?
Meine größte Hoffnung ist, dass der Film Mut macht, aufeinander zuzugehen. Und uns unsere eigenen Rückzüge und Schutzhaltungen bewusst zu machen, damit wir öfter unterm Visier hervorlugen können.

Nach einem so intensiven Drama – haben Sie Lust, mal wieder etwas Leichteres zu spielen? Oder zieht es Sie weiterhin zu anspruchsvollen Themen?
Ich halte mich für eine geborene Komödiantin, weil ich anspruchsvollen Themen liebe und schrecklich ernst nehme, aber mich selber nicht. Da gibt es einen sehr ulkigen Spielraum. (lacht)

Sie haben sich auch gerade auf die „andere“ Seite gewagt und einen Kurzfilm produziert, der bereits auf einem Festival lief. Erzählen Sie uns, worum es geht?
Sehr gerne! Er handelt von meiner Großmutter und ihren Kampf gegen den Maulwurf in ihrem Garten. Sie wurde 1935 in die Weite des friesischen Horizonts und mitten im Faschismus geboren. Der Western wird zu einer Metapher für den Umgang der vergessenen Generation mit Gefühlen und Erinnerungen. Und er hat gerade den Publikumspreis auf dem Festival Schleswig-Holstein gewonnen. Das freut mich sehr!

Herzlichen Glückwunsch. Welche Erfahrungen haben Sie gesammelt und können Sie sich vorstellen, in dem Bereich weiter tätig zu sein?
Ich habe gelernt, dass ich gar nicht so schlecht darin bin, Regie zu führen, deshalb werde ich das auf jeden Fall weiter machen. Und ich habe verstanden wie viel es noch zu lernen und zu verstehen gibt, auch deshalb kann ich definitiv nicht damit aufhören, mich für Geschichten zu interessieren. Aber dafür gibt es viele Formen.

Danke für Ihre Zeit!

«Das gläserne Kind» ist an Karfreitag,18. April, um 21.15 Uhr zu sehen. Seit 11. April ist der Film in der ZDFmediathek.

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