Hinter der unheimlichen Musik im neuen Horrorfilm steckt eine wahre Folter-Geschichte

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In „28 Years Later“ hört ihr einen verstörenden Song, der keine Musik ist, sondern ein 110 Jahre altes Gedicht. Die wahre Geschichte dahinter ist der Horror.
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Nach „28 Days Later“ (2003) und „28 Weeks Later“ (2007) erwartet uns bald Teil 3 des kultigen Zombie-Franchise, der den Beginn einer neuen Trilogie markiert: „28 Years Later“, der neue Zombie-Film mit Aaron Taylor-Johnson und Alfie Williams in der Besetzung läuft ab sofort in den deutschen Kinos.
Ihr kennt die Zombie-Reihe noch gar nicht? Ob ihr die Vorgängerfilme gesehen haben solltet und was ihr für „28 Years Later“ wissen müsst, könnt ihr in unserer Zusammenfassung nachlesen.
Wer den Trailer (oben im Video) bereits gesehen hat, ist sicherlich über die ungewöhnliche Musikauswahl gestolpert. Der Ton im Hintergrund klingt so eindringlich und verstörend, dass er fast vom schaurigen Szenario im Bild ablenkt.
Der verstörende Trailersong fängt nicht nur perfekt den düsteren Ton von „28 Years Later“ ein und deutet die Verzweiflung und Erschöpfung der Menschen an, die 28 Jahre nach dem Ausbruch immer noch gegen das Zombie-Virus und um ihr Überleben kämpfen. Passenderweise hört man den Sound auch in einer Filmszene, in der (Achtung, kleiner Spoiler) Spike und Jamie die sichere Insel verlassen, um aufs Festland zu marschieren.
Der unheimliche Gesang, der währenddessen läuft, ist jedoch kein Song, sondern ein berühmtes Gedicht, das schon über 100 Jahre alt ist. Besonders unheimlich ist die Aufnahme, weil man darin tatsächlich das verzweifelte Jammern eines Toten hört. Dahinter steckt eine äußerst erschreckende reale Horror-Geschichte.
Gedicht von „Dschungelbuch“-Autor als Musik in „28 Years Later“
Statt eines Songs wird im Trailer zu „28 Years Later“ das Gedicht „Boots“ von Rudyard Kipling verwendet, einem britischen Dichter und Schriftsteller, der besonders für sein später von Disney adaptiertes Werk „Das Dschungelbuch“ (1894) bekannt ist.
Das „Boots“-Gedicht wurde erstmals 1903 in seiner Sammlung „The Five Nations“ veröffentlicht. Die im Trailer verwendete historische Aufnahme aus dem Jahr 1915 stammt von dem US-amerikanischen Schauspieler Taylor Holmes, zu dessen Sprechrollen auch die des Königs in Disneys Dornröschen zählte.
Das „Boots“-Gedicht erzählt von Verzweiflung und Zermürbung
Deutlich düsterer als die erwähnten Disney-Verbindungen von Autor und Sprecher ist die Bedeutung von „Boots“. Das Gedicht handelt von den monotonen, unaufhörlichen und mit der Zeit an Wahnsinn grenzenden Gedanken eines britischen Soldaten, der während des Zweiten Burenkriegs in Südafrika (11. Oktober 1899 bis 31. Mai 1902) marschiert.
In der berühmten Aufnahme rezitiert Holmes das „Boots“-Gedicht aus Sicht der erschöpften und verzweifelten Gedanken eines Soldaten, der von den Strapazen und Entbehrungen seiner Militärzeit erzählt.
Das Gedicht steigert sich von körperlicher Erschöpfung bis hin zum völligen psychischen Verfall, genau wie Holmes‘ Stimme, die die Zeilen erst rufend und schließlich jammernd und schreiend vorträgt.
Die wiederholte Zeile „Boots—boots—boots—boots—movin‘ up and down again“ vermittelt das Gefühl von endlosem Marschieren ohne Ruhe oder ein Ende in Sicht und erzählt, wie die Soldaten versuchen, sich abzulenken vom nervtötenden Rhythmus und der Bewegung der Stiefel, die sich „auf und ab bewegen“.
Im richtigen Tempo (wie in der berühmten Aufnahme von Taylor Holmes) vorgelesen, soll der Rhythmus des „Boots“-Gedichts die typische Marschgeschwindigkeit einer Infanteriekolonne imitieren, wie der Autor selbst erklärte.
Den gesamten Text des Gedichts könnt ihr beispielsweise auf der Website der Kipling Society nachlesen. Wie bereits festgestellt, ist die Hintergrundmusik im Trailer von „28 Years Later“ zwar eigentlich kein Song, die Aufnahme könnt ihr allerdings auf YouTube, Spotify sowie als historische Originalversion in voller Länge auf der Website der Library of Congress hören.
Im ersten Trailer zu „28 Years Later“ ist „Boots“ noch präsenter als im obigen neuesten Trailer, hört und seht selbst:
„Boots“ hat historische und autobiographische Bedeutung
In „Boots“ reflektiert Kipling seine höllische Erfahrung als Militärkorrespondent während des Zweiten Burenkrieges 1902 in Südafrika, der mit der Eingliederung der Burenrepubliken in das britische Imperium endete und trotz Sieg auch auf Seiten der britischen Truppen verlustreich war.
Sprecher Taylor Holmes machte das „Boots“-Gedicht erst richtig berühmt. Zu der Zeit, als sich der Erste Weltkrieg in Europa ausbreitete, wurden Kiplings Worte und dessen dramatische Rezitation zum Symbol für die Schrecken des Krieges.
Trotz kritischer Auseinandersetzung mit sinnlosem Blutvergießen im Kampf kann Kipling selbst mit Blick auf seine patriotisch-imperialistische und den britischen Kolonialismus huldigenden Lyrik (via ORF) kaum als Kriegsgegner gesehen werden.
Das „Boots“-Gedicht wird für hartes Militärtraining verwendet
Nicht nur durch Kiplings eigene Erfahrungen als Kriegskorrespondent hat das „Boots“-Gedicht einen realen militärischen Bezug, der fast noch erschreckender ist als die Zombies in „28 Years Later“.
Aufgrund seiner intensiven und verstörenden Wirkung soll die Aufnahme des „Boots“-Gedichts von Taylor Holmes laut Berichten ehemaliger Soldat*innen in militärischen Trainingsprogrammen eingesetzt worden sein (via Collider).
Beispielsweise soll das Gedicht beim US Navy Training SERE (Survival, Evasion, Resistance, and Escape) mit extremer Wiederholung abgespielt worden sein, um zukünftige Soldat*innen auf extreme Stresssituationen und Folter in Gefangenschaft vorzubereiten und die psychische Belastbarkeit zu testen.
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