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#Sicherheitskräfte sollen bei Protesten gezielt auf Augen schießen

Die ersten Hilferufe erreichten den Münchner Augenarzt Amir-Mobarez Parasta kurz nach Beginn der Proteste in Iran im vergangenen September. Etliche iranischstämmige Ärzte in Deutschland schlossen sich damals über Whatsapp zusammen und tauschten Informationen über verletzte Demonstranten aus.

Friederike Böge

Politische Korrespondentin für die Türkei, Iran, Afghanistan und Pakistan mit Sitz in Ankara.

Parasta kümmerte sich um diejenigen, die um ihr Augenlicht kämpften, weil iranische Milizionäre ihnen mit Paintball- oder Jagdmunition ins Gesicht geschossen hatten. Die Zahl der Opfer stieg schnell. In rund 90 Fällen sei er beratend hinzugezogen worden, erzählt Parasta am Telefon.

Er sichtete Röntgenbilder und Fotos, vermittelte Verletzte an behandelnde Ärzte in Iran, las Patientenakten und flog in die Türkei, um Betroffene zu treffen, denen die Flucht aus Iran gelungen war. Einer dieser Betroffenen, ein Sechzehnjähriger, konnte jüngst aus der Türkei nach Deutschland einreisen.

„Ein Auge hat er schon verloren. Wir werden sehen, ob wir das andere retten können“, sagt der Mediziner. Sein Visum wurde auf Basis von Paragraph 22 des Aufenthaltsgesetzes ausgestellt, als Einzelfall aus „völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen“.

Schüsse aus nächster Nähe

Hunderte Iraner haben laut einem Bericht des zuständigen UN-Sonderberichterstatters in den ersten Monaten der Proteste in Iran „schwere Augenver­letzungen erlitten oder ihr Augenlicht verloren“. Die norwegische Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights geht angesichts der hohen Zahl davon aus, dass es sich um ein systematisches Vorgehen handelte, „um die Proteste niederzuschlagen“.

Eine Demonstrantin mit Augenpflaster im Februar in Paris


Eine Demonstrantin mit Augenpflaster im Februar in Paris
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Bild: AFP

Der Münchner Augenarzt Parasta glaubt das auch. In vielen Fällen seien die Schüsse aus nächster Nähe abgefeuert worden. „Da kann mir keiner sagen, dass die Augen nicht gezielt getroffen wurden.“ Auffällig sei, dass Berichte der Betroffenen in sozialen Medien häufig nicht zensiert worden seien. „Sie wollten, dass die Leute davon wissen. Das ist eine wirksame Form der Abschreckung. Und sie hat funktioniert.“

Die Vereinten Nationen und mehrere Menschenrechtsorganisationen gehen der­zeit der Frage nach, ob sich nachweisen lässt, dass es sich um „systematische“ und „ausgedehnte“ Angriffe handelte, mit dem Ziel, die Opfer teilweise blind zu machen. Damit wäre ein Kriterium für „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ erfüllt. Die Rechercheure suchen nach Anordnungen der iranischen Führung oder nach Belegen, dass diese von den massenhaften Augenverletzungen wusste und nichts dagegen unternahm.

Augenbinden als Symbole des Widerstands

„Unsere Untersuchungen dauern an“, sagt Tara Sepehri Far von der Organisation Human Rights Watch. Es gibt Hinweise, dass die Führung zumindest früh informiert war. Im November unterschrieben mehr als dreihundert iranische Augenärzte offene Briefe, in denen der Berufsverband aufgefordert wurde, der Regierung die Besorgnis der Mediziner über die hohe Zahl der Augenverletzungen zu übermitteln.

Es wäre nicht die einzige Einschüchterungstaktik. Laut Menschenrechtsorganisationen wurden im Zusammenhang mit den Protesten mehr als 500 Personen getötet, die meisten von ihnen in Kurdistan, wo die Sicherheitskräfte noch brutaler vorgingen als in Teheran. Mehr als 20.000 Personen wurden festgenommen und mindestens sieben hingerichtet. Die Namen der Hingerichteten kennt in Iran jeder. Doch auch die Halberblindeten sind mit ihren Augenbinden zu Symbolen des Widerstands geworden. So sehr, dass die Stadtverwaltung von Teheran sich kürzlich genötigt sah, sie auf großen Plakaten als „Lügner“ zu diffamieren.

Viele der Schwerverletzten berichten, dass sie in Krankenhäusern abgewiesen worden seien. Zum Beispiel ein 22 Jahre alter Teheraner, der hier Ali genannt werden soll. Er sitzt auf einer Parkbank in der türkischen Hauptstadt Ankara und spricht über den Tag, an dem er sein rechtes Auge verloren hat. Neun Monate ist das her. Ein Mitglied der paramilitärischen Basidsch-Miliz habe ihm bei einer Demonstration auf dem Valiasr-Platz ins Gesicht geschossen.

„Ich habe nicht gedacht, dass ich mein Auge verlieren könnte“

Fünf Metallkügelchen hätten sich in sein Auge und die umliegende Gesichtspartie gebohrt. Es ist Munition, wie sie bei der Vogeljagd eingesetzt wird. Im Firoozgar-Universitätskrankenhaus habe man ihm nach langem Bitten nur das Auge verbunden, die Blutung gestoppt und ihn weggeschickt. „Sie sagten, ich müsste schnell gehen, weil sonst Sicherheitskräfte auf mich aufmerksam werden.“

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