Nachrichten

#Bei Drogen war Schluss

„Bei Drogen war Schluss“

Als Thomas Mann im April 1941 nach Pacific Palisades zog, trennten ihn von Aldous Huxley kaum hundert Meter. Im Amalfi Drive 740 mietete der deutsche Exilant mit seiner Familie ein Haus, und der britische Schriftstellerkollege wohnte mit seiner Frau schon seit April 1939 schräg gegenüber in der Nummer 701. Die Nähe zwischen beiden Autoren war aber von mehr als rein geographischer Natur: Kurz bevor Mann im Jahr 1929 den Literaturnobelpreis zugesprochen bekommen hatte, war Huxleys Roman „Kontrapunkt des Lebens“ erschienen, ein Hauptwerk nicht nur seines Schaffens, sondern der ganzen Gattung des psychologischen Romans, der sich auch Thomas Mann zugehörig fühlte. Im 22. Kapitel findet sich eine Passage, die den Deutschen begeistert haben muss, ein Zitat aus den fiktiven Aufzeichnungen des Schriftstellers Philip Quarle, Huxleys literarischem Alter Ego in „Kontrapunkt des Lebens“: „Die Musikalisierung der Fiktion. Nicht auf die symbolistische Weise, indem der Sinn dem Klang untergeordnet wird . . . Sondern im großen Maßstab, in der Konstruktion. Denken Sie an Beethoven. Die Wechsel der Stimmungen, die abrupten Übergänge.“ Hierin steckte bereits einiges von jenem Programm der Verbindung von Musikalität und Literatur, dem Thomas Mann von 1943 an mit der Niederschrift des „Doktor Faustus“ Romangestalt verleihen sollte. Und viele Interpreten hatten in „Kontrapunkt des Lebens“ die englische Antwort auf den „Zauberberg“ gesehen.

Huxley war bei Mann zu Gast

Kein Wunder, dass sich Mann für Huxley interessierte. Erstmals hatte er ihn 1933 im französischen Sanary-sur-Mer getroffen, wo Huxley seit 1929 lebte und „Brave New World“ geschrieben hatte. Mann war nach Hitlers Machtübernahme dorthin gezogen, und Huxley war zu Gast bei ihm, als der Hausherr aus dem damals entstehenden zweiten Teil seines Josephromans las. Beide bleiben miteinander in Kontakt, auch nachdem Huxley 1937 nach Los Angeles gezogen war. Mit dem Dampfschiff „Normandie“, das ihn und seine Familie in die Vereinigten Staaten brachte, fuhr damals zufällig auch Thomas Mann zu einer seiner amerikanischen Vortragsreisen, als Nobelpreisträger standesgemäß in der ersten Klasse, während die Huxleys sich nur Touristenklasse leisten konnten. 1938 folgte Mann Huxley ins amerikanische Exil und 1941 dann sogar in die Nachbarschaft.

Thomas Mann


Thomas Mann
:


Bild: Interfoto

Fortan pflegten beide Familien enge Be­ziehungen. In den Tagebüchern Thomas Manns finden sich regelmäßig Eintragungen über Besuche bei den Huxleys zum Abendessen und vor allem zum Tee (die britische Herkunft des Gastgebers verpflichtete!) sowie Gegeneinladungen seitens der Manns. Immer wieder begegnete man sich bei Spaziergängen auf den Straßen jenes nahen Hügels, wo hoch oben am San Remo Drive das künftige Haus der Manns gebaut wurde, oder am Strand von Santa Monica. Huxley hatte gerade „Grey Eminence“ veröffentlicht: eine Studie über einen Kapuzinermönch des siebzehnten Jahrhunderts, der als enger Berater von Kardinal Richelieu unter dem Namen Père Joseph aufgetreten war – eine für Thomas Mann faszinierende Parallele zum eigenen literarischen Werk der Josephs-Tetralogie. Am Neujahrstag 1942 brachte das Ehepaar Mann seinen Nachbarn noch Blumen vorbei, doch wenige Wochen später, im Februar, verließen beide Familien kurz nach­einander den Amalfi Drive: die Huxleys in ein Wüstenhaus im etwa siebzig Meilen entfernten Llano del Rio, die Manns ins neue Heim im San Remo Drive. Bei der Anwerbung von Haushaltshilfen verließen sie sich auf Empfehlungen der Huxleys und übernahmen deren altes Personal.

Damit endete die räumliche Nachbarschaft von zwei der berühmtesten Schriftsteller des zwanzigsten Jahrhunderts, aber nicht die Neugier Manns auf Huxleys Bü­cher. Nachdem 1950 „Brave New World“ erstmals seit 1932 wieder auf Deutsch er­scheinen konnte, verfolgte Mann interessiert dessen Rezeption in der vom Totalitarismus befreiten früheren Heimat, so auch die harsche Kritik an Huxleys Buch durch Theodor W. Adorno, die ihm schon Monate zuvor vom Verfasser als Manuskript zugespielt worden war.

An Thomas Manns in den Tagebüchern dokumentierter Sympathie für Adornos Standpunkt zeigte sich nun eine inhaltliche Absetz­bewegung von Huxley: Im Juli 1950 hatte er sich ihm noch literarisch zugehörig gefühlt und Huxley neben Joyce und Proust zu seinen „bourgeoisen“ und „formalistischen“ Verwandten gezählt. Das letzte persönliche Wort über Huxley aber war harsch. Es fiel 1954, ein Jahr vor Thomas Manns Tod und schon nach seiner Rückkehr aus Amerika in die Schweiz. Anlässlich der Lektüre von „The Doors of Perception“, Huxleys Erfahrungsberichten über seinen Umgang mit psychedelischen Drogen, notierte Mann im Tagebuch: „Be­schäftigung mit Huxleys Mescalin-Verherrlichung. Mag sie nicht und mag ihn nicht.“ Ein anderes Rauschmittel als Tee mochte er für die Bourgeoisie nicht ak­zeptieren.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!