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#Illusionslos, aber gütig

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Illusionslos, aber gütig

Wer Moskau noch zu sowjetischen Zeiten erlebt hat, wird die Stadt und deren Menschen, besonders deren Frauen, in dem Film „Moskau glaubt den Tränen nicht“ leicht wiedererkennen: Eine unsentimentale Illusionslosigkeit, die durch Geschwätz nicht zu beeindrucken war, verband sich mit tatkräftiger Lebenszugewandtheit, Hilfsbereitschaft und echter Herzenswärme. Der Film, der dem DrehbuchWer zweimal lügt“ von Walentin Tschernych folgt, beginnt 1958, während Chruschtschows Tauwetterzeit, als temporeiche Burleske in einem Ledigenwohnheim. Die drei Freundinnen Katja, Ljudmilla und Antonina geben sich am Telefon der diensthabenden Pförtnerin – vor der sie ihr Privatleben, vor allem: ihr Liebesleben nicht geheimhalten können – stets als etwas anderes aus, als sie wirklich sind. Ihr Ziel ist es, einen möglichst gut verdienenden Mann oder einen mit hervorragenden Beziehungen zur Nahrungsmittel- und Baustoffversorgung zu bekommen. Dabei sind alle Mittel erlaubt.

Doch der Übermut dieser Jugend trägt nicht über die nächsten zwanzig Jahre, die der Film die drei Frauen begleitet: Man sieht, wie Katja von ihrem Schwarm früh verlassen wird und als alleinerziehende Mutter zurückbleibt; man sieht Ljudmilla, deren Lebensliebe sich als Alkoholiker erweist, bis die Scheidung für sie eine Erlösung wird; man sieht Antonina, die von allen die bescheidensten Ansprüche gestellt hatte und am Ende als beherzte Matriarchin ihren Mann und ihre Söhne voll im Griff hat. Dass der Film die Wirklichkeit ungeschönt einfing, all die Zumutungen den Frauen gegenüber in vollster Schäbigkeit, aber deren nüchterne Vorteilsnahme ebenso zeigte, ohne dabei an Menschenliebe zu verlieren, war das Verdienst der großartigen Schauspielerinnen Wera Alentowa, Irina Murawjowa und Raissa Rjasanowa; es war auch das Verdienst des Komponisten Sergej Nikitin, dessen melancholisch-leichtfüßiger Walzer „Alexandra“ (nach der Tochter Katjas benannt) den Film durchzog, aber es war vor allem das Verdienst des Regisseurs Wladimir Menschow, dem eine wunderbare Balance aus Ernst und Leichtigkeit in der Personenführung wie im Bildrhythmus gelungen war.

Voll Menschenkenntnis und Humor

Natürlich hatte man „Moskau glaubt den Tränen nicht“ auch als Propagandafilm konzipiert, der im Ausland Sympathie für den Austragungsort der Olympischen Spiele 1980 wecken sollte. Der fertige Film stieß dann in der Sowjetunion, vor allem seiner Ehrlichkeit wegen, nicht auf ungeteilte Liebe bei den Funktionären. Aber er gewann den Oscar als bester ausländischer Film 1980 und war damit auch im Inland unantastbar. Das Publikum liebte ihn; besonders die Frauen erkannten sich in ihm wieder. Manche Dialogzeilen wurden zu Sprichworten. Gemeinsam mit der melancholischen Hochhauskomödie „S ljochkim parom“ (Ironie des Schicksals) und dem Melodram „Bahnhof für zwei“, beide von Eldar Rjasanow, wurde „Moskau glaubt den Tränen nicht“ zum populärsten Film des sowjetischen Kinos. Bis heute berühren die Menschenkenntnis, der Humor und der Lebensmut an allen diesen Filmen.

Menschow, 1939 in Baku geboren, brachte „Moskau glaubt den Tränen nicht“ den Durchbruch. Sein Leben war von allen Zerrüttungen sowjetischer Geschichte gezeichnet. In der Kindheit wechselten seine Wohnorte zwischen Archangelsk am Weißen Meer und Astrachan am Kaspischen Meer, weil der Vater beim Geheimdienst NKWD arbeitete. Menschow studierte Schauspiel und Filmregie, erfuhr durch den Regisseur Michail Romm frühzeitig Förderung und blieb sein Leben lang beides: Schauspieler und Regisseur. Im Film „Wächter der Nacht“, der 2004 zum größten kommerziellen Erfolg des russischen Kinos wurde, spielte er eine der Hauptrollen.

Im Jahr 2000 unterstützte Menschow die Tschetschenien-Politik von Wladimir Putin, wurde drei Jahre später Mitglied der Partei „Einiges Russland“, erklärte aber bald, er würde diese Aktivitäten nur mit einiger Ironie verfolgen. Im Jahr 2007 sprach er sich gegen eine nächste Amtszeit Putins als Präsident aus, wurde 2018 dennoch einer von dessen Vertrauten. Menschow begrüßte die Annexion der Krim und spendete eine Million Rubel für die Donbass-Milizen, um den Anschluss des ukrainischen Gebiets an Russland voranzutreiben. Umgehend verhängte die ukrainische Staats-Duma ein Einreiseverbot für ihn.

Am 26. Juni wurde bei dem Regisseur eine Covid-Infektion diagnostiziert. Am 5. Juli ist er in Moskau gestorben. Er soll am 8. Juli auf dem Friedhof des Neujungfrauenklosters in Moskau beerdigt werden.

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