#In China ist Tesla den Deutschen enteilt
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„In China ist Tesla den Deutschen enteilt“
Als Volkswagen am Samstagabend in China sein erstes Elektro-SUV vorstellte, zeigte der Konzern einen bemerkenswerten Werbefilm. Nach ein wenig heftig aufgetragenem Eigenlob für das nur in der Volksrepublik erhältliche Massenmarkt-Modell ID.6 („Wie kann ein Fahrzeug so dynamisch und gleichzeitig so schön sein?“) setzte auf einem riesigen Schachbrett die Dame den gegnerischen König matt, der mit ordentlichem Rumms zur Seite fiel.
Die Botschaft war klar: In der Volksrepublik, wo laut VW-Schätzung bald mit 30 Millionen Autos jährlich fast so viele Fahrzeuge verkauft werden wie vor der Pandemie in Europa und den Vereinigten Staaten zusammen, will Marktführer Volkswagen auch bei den zukunftsträchtigen E-Autos die Nummer eins werden.
Dafür muss allerdings erst der bisherige Elektro-König vom Thron gestoßen werden, und danach sieht es derzeit ganz und gar nicht aus: Tesla, der E-Auto-Pionier aus Amerika, verkaufte im ersten Quartal in China knapp 70.000 Autos bei 437.000 verkauften E-Autos insgesamt. Zwar verkauft sich der von General Motors gebaute Wuling Hong Guang Mini EV noch besser als ein Tesla. Dafür bringt der 2,92 Meter kurze Viersitzer mit 27 PS, der einem Trabi mit Elektroantrieb sehr nahekommt, seinem Hersteller auch nur umgerechnet 4000 Euro pro Stück ein. Teslas Model 3, das der Hersteller in seiner eigenen, riesigen Fabrik in Schanghai baut, kostet 309.900 Yuan (40.000 Euro) – und verkaufte sich allein im März 25.327 Mal.
China im Mittelpunkt der Automobilbranche
Jeder dritte Tesla wird in China verkauft. Das Reich der Mitte hält seine Grenzen weiterhin fest geschlossen und in der Isolation vom Rest der Welt das Virus erfolgreich in Schach. Mit rund 5 Millionen verkauften Autos im ersten Quartal hat der Markt bereits wieder das Niveau des Jahres vor der Pandemie erreicht. Wie wichtig das Land für die Autobauer geworden ist, zeigt die Automesse, die am Montag in Schanghai beginnt. Seit einem halben Jahr hat es keine andere Fahrzeugschau auf der Welt gegeben – und die jüngste Automesse im Oktober fand in Peking statt.
14 Prozent beträgt der Marktanteil von VW in China (die gesamte Volkswagengruppe mit Audi und Porsche kommt auf einen Anteil von 19 Prozent). Doch bei E-Autos spielt der Konzern auf seinem wichtigsten Markt bisher keine Rolle. Weil VW in China die von der Regierung vorgegebene Quote für den Verkauf von Fahrzeugen mit Elektroantrieb nicht erfüllt, musste der deutsche Hersteller im vergangenen Jahr dem Konkurrenten Tesla sogenannte Kreditpunkte abkaufen und zahlte dafür nach eigenen Angaben pro Punkt zwischen 2.000 und 3.000 Yuan (255 bis 380 Euro).
Elektromobilität boomt im Reich der Mitte
Doch in China sind Elektroautos die Zukunft. 1,3 Millionen wurden davon im vergangenen Jahr in China verkauft, womit das Land auf einen Anteil am weltweiten Markt für E-Autos von 41 Prozent in fast gleicher Höhe wie Europa kommt (in den Vereinigten Staaten betrug der Anteil der E-Autos an den gesamten Autoverkäufen nur 2,4 Prozent). Das Singapurer Analysehaus Canalys sagt voraus, dass in China im laufenden Jahr 1,9 Millionen E-Autos abgesetzt werden. Chinesische Branchenschätzungen gehen davon aus, dass diese im Jahr 2025 ein Fünftel des Gesamtmarkts stellen – und weitere zehn Jahre später bereits die Hälfte.
Als Volkswagens China-Chef Stephan Wöllenstein am Sonntagvormittag im Museum für zeitgenössische Kunst an Schanghais Uferpromenade darüber sprach, ob VW nicht viel zu lange am Benzinmotor festgehalten habe und in China gerade von Tesla und den vielen pfiffigen heimischen E-Auto-Start-ups abgehängt werde, setzte der Manager seine Hoffnung auf die Größe seines Konzerns. Wie so oft bei Volkswagen komme man „spät, aber gewaltig“. Sechs neue E-Modelle will VW mit Hilfe von gigantischen Werbekampagnen über sein im Gegensatz zu Tesla umfangreiches Händlernetz mit aller Macht in den Markt drücken. Es ist das Argument der Potenz des Platzhirsches, von dem auch der eine oder andere unabhängige Fachmann sagt, dass es zutreffen könnte.
Teslas sind im Reich der Mitte beliebter als Modelle der deutschen Autobauer.
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Bild: AFP
Vielleicht gilt das allerdings mehr für Luxushersteller wie Daimler, der hofft, sein neues Elektroflaggschiff werde in China ein Hit. Junge, weniger gut verdienende Chinesen hingegen scheuen vermehrt die oft stundenlange Fahrt ins klassische VW-Autohaus, das nicht selten unterhalb der auf Stelzen stehenden gigantischen Stadtautobahn liegt und nicht allzu viel Charme versprüht.
Junge Marken wie Tesla oder das Schanghaier Start-up Nio fangen hingegen ihre Käufer mit Boutiquen gleichenden Filialen ein, die die Wochenendbummler in den großen Städten in bester Lage finden. Wer in den hellen Räumlichkeiten der E-Auto-Marken an Schanghais Einkaufsmeile Nanjing-Straße einkehrt, bekommt auf beigem Designerpolster frisch aufgebrühten Cappuccino gereicht – während von Autos erst einmal weit und breit nichts zu sehen ist. Dass mit den Werkzeugen aus der Vergangenheit nicht automatisch auch die Zukunft gewonnen ist, hat auch VW gedämmert. Für seine Elektroautomarke I.D. hat der Konzern in Pekings In-Einkaufszentrum Solana deshalb schon Schauräume angemietet, in denen der potentielle Kunde von aufdringlichen Verkäufern verschont bleiben soll.
Also ganz wie bei der Konkurrenz. Ob es reicht, deren Strategie einfach in großem Stil zu kopieren, um den Wettbewerber schachmatt zu setzen? Volkswagens China-Chef Wöllenstein gibt sich in Schanghai auf Nachfrage der F.A.Z. dann lieber doch betont vorsichtig. „Tesla ist uns hier zwei bis drei Jahre voraus.“
Samstags um 9.00 Uhr
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