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#… in dem ich beschloss, Komplimente anzunehmen

… in dem ich beschloss, Komplimente anzunehmen

Es gibt im Fränkischen den wundervollen Satz: „Ned g’schimbfd is g’lobd g’nuch“ („Nicht geschimpft ist Lob genug“). Heruntergebrochen auf eine Alltagssituation heißt das: Ein Franke sagt nicht, dass das Essen gut geschmeckt hat. Wenn er sich nicht beschwert, hat alles gepasst.

Manon Priebe

Aufgewachsen ohne den inflationären Einsatz von Lob trifft mich dieses häufig unvorbereitet. Etwa, als eine liebe Kollegin mir neulich geschrieben hat: „Manon, da hast du ja einen sehr guten Text rausgehauen.“ Das hat mich sehr gefreut, denn ich gebe etwas auf die Meinung der Kollegin. Ich selbst fand meinen Text auch gut, antwortete aber: „Findest du echt? Naja, ein bisschen lang! Die Überschrift kam aber nicht von mir, und das Thema ist ja auch super, das wäre doof gewesen, wenn ich das versaut hätte.“

Spätestens in diesem Moment fiel mir auf: Ich kann nicht mit Komplimenten umgehen. Ich kann sie nicht entschlüsseln, weiß nicht, wie man darauf reagiert. Ich fühle mich dann wie Sheldon Cooper aus der Serie „Big Bang Theory“, der die ihm entgegengestreckte „Bro-Fist“ kritisch beäugt und dann zum Händedruck schüttelt. 

Bin ich damit die Einzige?

Geht das nur mir so? Ich führe ein kleines Experiment durch und verteile offensiv Komplimente. Dem Kollegen sage ich, dass sein Hemd echt toll ist. Ich nehme mir Zeit, die studentischen Mitarbeiter für ihre Arbeit zu loben, die wirklich gut ist. Das sind die einzigen Beispiele, bei denen mir ohne Zweifel und ehrlich gedankt wird. Auf die anderen Komplimente antworten mir größtenteils Frauen, dass die Hose „im Angebot war“, dass der Pulli „doch eigentlich zu groß“ sei und das Kleid eigentlich „zu teuer“ war, „aber schau mal, es hat Taschen!“ 

Das ist auch in etwa mein Standardrepertoire an Reaktionen auf Lob. Statt mich zu freuen, fühle ich mich unsicher und rede die Sache herunter: Was, das? So toll ist das gar nicht, naja. Zumindest ist das alles, was ich nach der gedanklichen Achterbahnfahrt, die nach einem Kompliment in meinem Kopf startet, noch übrig bleibt. Die erste Station: Unglaube, „sie meint das ironisch, der Text war nicht gut, sie sagt das nur, weil der Text so offensichtlich schlecht ist, dass nur noch Ironie hilft …“ Okay, das ist zu verrückt, die Achterbahn braust den ersten Hang hinunter. Auf dem Weg seziere ich jedes Wort und jede Silbe: „Da hast du ja einen sehr guten Text rausgehauen.“ War der Text sehr gut geschrieben oder auch sehr gut zu lesen? Sehr gut im Sinne von Note 1, oder hat sie das „sehr“ nur angehängt, weil „gut“ wie die Teilnehmerurkunde an den Bundesjugendspielen klingt? Puh, Bundesjugendspiele, viele schlechte Erinnerungen, die Achterbahn saust weiter.

Als nächstes ist der „Floskel“-Looping dran, „the best looping ever“ um genau zu sein. Hier ist alles „truuuuly a-ma-ziiiiing“. War das Kompliment womöglich nur so daher gesagt? Ich erinnere mich an mein Auslandssemester in Amerika. Dort ist man mit Komplimenten so freizügig wie Oprah, die ihre Zuschauer mit Präsenten überrascht und jedem Studio-Zuschauer ein Auto schenkt. Hausaufgaben rechtzeitig und vollständig abgegeben? „Good job!“ Alleine zum Supermarkt gefunden? „Good job!“ Da ist die Enttäuschung natürlich groß, wenn man von der Toilette kommt und keiner da ist, der einem einen „good job“ bescheinigt. Wildfremde wünschten einen „amazing day“, ich war „darling“ und „sweetheart“ jeder zweiten Supermarktverkäuferin. 

„Nett gemeint“ ist es sicher, wenn man für solche Selbstverständlichkeiten gelobt wird. Aber eine Kollegin brachte es mal auf den Punkt: „Das ist mein Job, dafür werde ich bezahlt.“ Es wäre schlimm, würden wir Dinge, die wir routiniert dutzende Male am Tag erledigen, nicht hinbekommen. Dafür dann ein Kompliment bekommen? Das fühlt sich nicht richtig an. So selbstbewusst sollte man sein. Überhaupt bekommen wir eingeredet, Eigenlob stinke nach Arroganz. Das mag der Fall sein für Prahlerei und unbegründetes Eigenlob. Aber selbstbewusstes, richtiges Einschätzen, wann man etwas richtig gut gemacht hat – das sollte unbedingt gefeiert werden.

Ein schlichtes „Danke“ genügt

Ich glaube, mein komplizierter Umgang mit Lob liegt auch an der Professionalisierung des Lobens. Irgendein Coach muss mal damit angefangen haben zu behaupten, Kritik solle immer mit Positivem eingeleitet und abgeschlossen werden: Lob, Kritik, Lob – ein „Shit-Sandwich“, wie Silicon-Valley-Unternehmer Ben Horowitz es nennt, analog zu Brot, Belag, Brot. Eine Technik, die man spätestens nach dem dritten Mal durchschaut – mit dem Ergebnis, dass man bei Lob abstumpft, weil man immer erwartet, dass gleich das eigentliche Problem auf den Tisch gelegt wird.

Schluss damit: Wir sollten darauf vertrauen, dass Menschen es ehrlich mit uns meinen. Also habe ich angefangen, mich selbst zu trainieren, gar nicht erst in die Gedankenachterbahn einzusteigen und auf positives Feedback mit einem schlichten „Danke“ zu antworten. So lässt sich – hoffentlich – auch falsches Lob ersticken. Denn wenn einer grundlos schleimt und man ihm ehrlich dankt, bekommt er im besten Fall ein schlechtes Gewissen. Für Fortgeschrittene und solche, die das Gespräch abrupt beenden wollen, geht auch „Ich weiß“. Die beste Antwort hält aber das Fränkische bereit, nichts ist ehrlicher als ein freudestrahlendes „gell?!“.

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