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#… in dem ich im Ordenskloster zur Bibel griff

… in dem ich im Ordenskloster zur Bibel griff

Ich bin kein religiöser Mensch, doch ich verstehe, warum anderen ihre Religion viel bedeutet. Ob Buddhismus, Judentum, Islam oder Christentum – alle großen Glaubensrichtungen dieser Welt haben das Zusammenleben von Menschen über viele Jahrhunderte bedeutend geprägt. Sie waren und sind Stützen der Gesellschaft. Ein Zufluchtsort für viele, die Erfüllung suchen. Die sich unter Gleichgesinnten wissen möchten.

Obwohl ich nicht religiös bin, würde ich mich als spirituellen Menschen bezeichnen. Ich glaube daran, dass die Wahrnehmung des Menschen nicht das Maß der Realität ist, sondern dass durchaus Dinge existieren, die wir schlichtweg nicht begreifen können und vermutlich auch niemals begreifen werden. Der Agnostiker in mir versteht Religion als kulturell geprägte Interpretation von Phänomenen, die sich der Logik des Menschen entziehen. In der Physik geben wir diesen Dingen Namen wie „Dunkle Materie“ und sprechen von höheren Dimensionen. Und auch wenn der Mensch ein immer schärferes Verständnis von sich selbst, seiner Umwelt und dem Kosmos erlangt, weil die Neugierde in seiner Natur liegt, so wird er wohl trotzdem nie imstande sein, den unumstößlichen Gottesbeweis zu erbringen.

Ein bisschen wie Hogwarts

Ich war trotzdem neugierig. Vor einiger Zeit buchte ich kurzerhand für fünf Tage ein Zimmer in einem bayerischen Ordenskloster. In den Wochen zuvor war mein Alltag stressig gewesen und so freute ich mich darauf, im Allgäu „Ruhe und Entschleunigung“ zu finden, wie es auf der Internetseite des Klosters versprochen wurde. Aber mich reizte auch herauszufinden, wie es hinter den dicken Klostermauern zugeht. Vielleicht würde ich dort zu Gott und Religion finden?

Der Empfang war herzlich. Ein Mönch in dunkler Kutte öffnete mir die alten Pforten, stellte sich als Bruder Markus Maria vor und überreichte mir zwei Schlüssel. Einer war für meine Zimmertür. Der andere, ein Universalschlüssel, sollte Durchgangstüren innerhalb der pompösen, nahezu leerstehenden Anlage entriegeln. Als mich Bruder Markus Maria zum Speiseraum führte, wo auch gerade die wenigen anderen Gäste zu Abend aßen, fragte ich ihn, ob es auch Bereiche gäbe, in denen ich mich als Gast nicht aufhalten dürfe. „Ja, die gibt es“, sagte der Mönch. „Die erkennen sie daran, dass der Schlüssel nicht passt.“

Natürlich streifte ich nach dem Abendessen durch die halbdunklen Marmorgänge des über 1000 Jahre alten Gebäudekomplexes und stellte meinen Universalschlüssel auf die Probe. Während mir Tagungsräume und altehrwürdige Säle verschlossen blieben, konnte ich sämtliche Innenhöfe und alle Gänge der unteren drei Stockwerke betreten. Der vierte Stock blieb mir verwehrt. Ein bisschen wie in Hogwarts, dachte ich.

Am nächsten Morgen stellte sich mir dann die Frage: Was mache ich eigentlich in den kommenden Tagen? In meinem Zimmer hatte ich keinen Handyempfang, aber zur Entschleunigung gehört auch, das geliebte Smartphone mal nicht zu benutzen. Ich verstaute es ausgeschaltet in meinem Koffer. Einer der Gäste empfahl mir beim Frühstück, die Wandornamente in den Innenhöfen zu zählen. Er habe sich allerdings bei rund 1000 verzählt und nun das Interesse verloren. Andere machten Tagestouren und gingen im Umland wandern. Ich aber wollte das Klosterleben kennenlernen, und so verweilte ich die meiste Zeit hinter den dicken Mauern.

Das unverfälschte Wort Gottes

Ein Buch hatte ich nicht mitgenommen, denn ich dachte bei der Abreise, ein Science-Fiction-Roman würde mich womöglich bei der Auseinandersetzung mit Gott und dem Christentum ablenken. Eines fand ich aber in meinem Zimmer: die Bibel. In jedem Gästezimmer war eine hinterlegt. Ein Zeichen der Modernität der Kirche, wie mir Bruder Markus Maria wenige Tage später im Zwiegespräch auf meinem Zimmer erklärte. Früher sei viel vorsichtiger mit der Heiligen Schrift umgegangen worden. Gästen wurde sie im Kloster lange Zeit verwehrt.

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Viele Geschichten aus dem Alten Testament waren mir noch aus der Schulzeit bekannt: Adam und Eva, Moses und die Zehn Gebote, die Arche Noah. Mehr beschäftigte ich mich mit den Texten der Propheten am Ende des Alten Testaments. Ich fand es spannend, wie die Prophezeiungen mit den Geschehnissen im Neuen Testament korrelieren. Nun kann man sich darüber streiten, ob diese Texte wirklich schon lange vor der Geburt Jesu verfasst wurden, wie es in der Bibel geschrieben steht, oder ob die Bibel nicht doch über Jahrhunderte hinweg immer wieder umgeschrieben wurde. Eine Gretchenfrage, die über glauben und nicht glauben entscheidet. Für Bruder Markus Maria ist die Bibel jedenfalls das unverfälschte Wort Gottes. Das glaubt er nicht nur – das weiß er.

Vor dem Hintergrund historischer Konflikte

Im Neuen Testament sagt der Apostel Paulus, der einst Saulus hieß, dass sich Frauen ihren Männern unterordnen sollen. Wie passt das noch in die heutige Zeit? „Wenn ein Zug von Bamberg nach Nürnberg fährt, dann hält er nicht in Wuppertal“, entgegnete der Mönch überzeugt. Soll heißen: Texte in der Bibel seien vor dem Hintergrund damaliger gesellschaftlicher Konflikte geschrieben worden und müssten deshalb in ihrem historischen Kontext betrachtet werden. „Aber wieso eine Frau heute nicht auch die Heilige Messe halten soll, verstehe ich auch nicht“, gab der Mönch zu. An den Werten, die Gott durch die Bibel vermittele, wie Gerechtigkeit, Hoffnung und Nächstenliebe, ändere das aber nichts.

Nach fünf Tagen im Kloster freute ich mich gar ein bisschen auf den Trubel der Außenwelt, dem ich vor meiner Reise noch zu entrinnen versucht hatte. Meinen Heimweg trat ich in bester Laune und mit dem Segen von Bruder Markus Maria an. Gott oder dem Christentum fühlte ich mich zwar nicht näher, doch das Kloster hat gehalten, was es versprach: Ruhe und Entschleunigung habe ich gefunden.

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