Wissenschaft

#Invasive Ameisen prägen den Jagderfolg von Löwen

Durch Kaskadeneffekte kann letztlich sogar der „König der Tiere“ unter dem Einfluss von Winzlingen stehen: Eine Studie zeigt, dass die Störung einer Insekten-Pflanzen-Symbiose durch eine eingeschleppte Ameisenart letztlich dazu geführt hat, dass Löwen in Kenia weniger Zebras erbeuten. Den Forschenden zufolge handelt es sich um ein besonders eindrucksvolles Beispiel dafür, welch komplexe und weitreichende Folgen vom Menschen verursachte Störungen in eingespielten Lebenswelten haben können.

Neben Zerstörung, Umweltverschmutzung, Übernutzung und dem Klimawandel werden viele Ökosysteme der Welt noch von einer weiteren Gefahr bedroht: „Aliens“ machen sich breit. Durch Handel, Verkehr oder gezielte Einbürgerung hat der Mensch zahlreiche Tier- und Pflanzenarten verschleppt, die in ihrer neuen Heimat für Probleme sorgen: Durch bestimmte Merkmale breiten sich solche invasiven Spezies immer weiter aus – oft auf Kosten einheimischer Arten. Dies kann durch die komplexen Verflechtungen in vielen Ökosystemen wiederum weitreichende Folgen haben, die sich anfangs kaum erahnen lassen. Die aktuelle Studie richtet dabei nun den Blick auf die Savannen Ostafrikas.

Wie das internationale Forschungsteam um Douglas Kamaru von der University of Wyoming in Laramie berichtet, sorgt dort eine Ameisen-Pflanzen-Symbiose seit Urzeiten dafür, dass sich in der Landschaft Akazienbäume der Art Vachellia drepanolobium halten können. Die Bäume bieten einer heimischen Ameisenart in den Hohlräumen ihrer verdickten Dornen Nistmöglichkeiten sowie durch ihr Nektarangebot Nahrung. Im Gegenzug verteidigen die Akazien-Ameisen ihren Heimatbaum vehement gegen Pflanzenfresser wie Giraffen und Elefanten: Sie attackieren deren Lippen und Rüssel mit ihren Beißzangen und durch das Versprühen von Ameisensäure. Wie frühere Untersuchungen gezeigt haben, schützen die winzigen „Bodyguards“ die Bäume ausgesprochen effektiv vor einer übermäßigen Beweidung. Sie bewahren sie dabei vor allem vor der besonders zerstörerischen Aktivität der Elefanten.

Baum-Wächter fallen Aliens zum Opfer

Den Akazien-Ameisen kommt damit eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der typischen Savannenvegetation in Ostafrika zu, an die sich die Lebewesen des Ökosystems angepasst haben. Doch seit etwa 15 Jahren verlieren immer mehr Akazien ihre sechsbeinigen Bodyguards: Sie fallen einer eingeschleppten Ameisenart zum Opfer, die vermutlich ursprünglich von einer Insel im Indischen Ozean stammt. Die Dickkopfameise (Pheidole megacephala) tötet und verdrängt die einheimischen Akazien-Ameisen, schützt die Bäume jedoch nicht vor den Pflanzenfressern. Die Wissenschaftler sind nun durch umfangreiche Untersuchungen in einem Naturschutzgebiet in Kenia der Frage nachgegangen, welche direkten und indirekten Folgen dies für das Ökosystem hat.

Grundsätzlich ergaben die Beobachtungen, dass in Bereichen, in denen die invasiven Ameisen die einheimische Art verdrängt haben, die Akazien von den Elefanten fünf bis siebenmal intensiver als Nahrungsquelle genutzt werden. Diese Überstrapazierung führt dann zu deutlichen Verlusten bei diesen Bäumen, wodurch sich in den von den invasiven Ameisen betroffenen Bereichen eine zunehmend offene Landschaft bildet. Vor diesem Hintergrund kamen die Wissenschaftler dann zu der Vermutung, dass sich dieser von den Invasoren ausgelöste Wandel auf die Löwen auswirken könnte. Denn es ist bekannt, dass die Raubkatzen die Akazien als Sichtschutz nutzen, um Überraschungsangriffe auf ihre bevorzugte Beute zu starten: Zebras.

Kaskadeneffekt erreicht Löwen

Um mögliche Effekte auf dieses Räuber-Baute-Verhältnis zu belegen, erfassten die Forschenden über Jahre hinweg Daten zur Aktivität von Löwen und Zebras in den von den invasiven Ameisen geprägten sowie in den noch verschonten Bereichen des Naturschutzgebiets. Die Informationen, die unter anderem von Kamerafallen, Satellitenbeobachtungen und von mit Sendern bestückten Löwen stammten, flossen anschließend in statistische Modellierungen ein.

Wie das Team berichtet, zeichnete sich in den Auswertungsergebnissen ab: Die Zahl der von Löwen erbeuteten Zebras war in nicht befallenen Gebieten rund dreimal höher als in den Bereichen, die sich die Dickkopfameise bereits erobert hat. „Wir zeigen, dass die Ausbreitung dieser invasiven Art, eine ökologische Kettenreaktion ausgelöst hat, die letztlich den Erfolg der Löwen bei der Jagd auf ihre Hauptbeute verringert“, resümiert das Team. Dazu ergänzt Co-Autor Todd Palmer von der University of Florida in Gainesville: „Diese Ameisen tauchten vor etwa 15 Jahren zunächst kaum beachtet auf, weil sie gegenüber großen Lebewesen, einschließlich Menschen, nicht aggressiv sind. Doch jetzt sehen wir, dass sie die Landschaft verändern – mit weitreichenden Folgen“, so der Wissenschaftler.

Doch was genau bedeutet die Veränderung nun für die Löwen Ostafrikas? Aus den Daten geht hervor, dass die Bestände der Raubkatzen bisher stabil geblieben sind. Wie die Forschenden erklären, liegt dies daran, dass die Löwen nun statt auf Zebras zunehmend Jagd auf Büffel machen. Die Kolosse sind zwar deutlich schwieriger zu erbeuten als Zebras und die Jagd erfordert intensivere Zusammenarbeit des Rudels. Doch bisher scheinen sich die Raubkatzen anpassen zu können. „Löwen sind in einem gewissen Maße in der Lage, Lösungen für ihre Probleme zu finden“, sagt Palmer. Es bleibt allerdings unklar, inwieweit die Verhaltensanpassung der Tiere die Population stabil halten kann, wenn die Landschaft immer mehr von der Ameiseninvasion geprägt wird. Wir wissen noch nicht, was aus diesen tiefgreifenden Veränderungen resultieren könnte. Wir sind sehr daran interessiert, diese Geschichte weiterzuverfolgen“, sagt Palmer abschließend.

Quelle: University of Florida, University of Wyoming, Fachartikel: Science, doi: 10.1126/science.adg1464

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