#Ist das der letzte Schrei?
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„Ist das der letzte Schrei?“
„Nicht applaudieren, einfach Geld werfen“, lautet die Übersetzung der lateinischen Inschrift auf dem Sockel eines „Denkmals für den unbekannten Künstler“ im Schatten der Tate Modern. Die Aufforderung sticht in einer Woche, in der Sammler nicht mit Geld um sich geworfen haben und gewissermaßen auch Geld verbrannt wurde, besonders ins Auge. Während die Crème de la Crème der internationalen Kunstszene erstmals seit der Pandemie wieder in großer Zahl für die Herbstmessen Frieze und Frieze Masters in London anreiste, inszenierte Damien Hirst ein Spektakel, das Wert und Sinn der Kunst infrage stellt.
In der Newport Street Gallery standen die Menschen Schlange, um der Verbrennung von Hunderten seiner Punktegemälde im DIN-A4-Format beizuwohnen. Hirst brachte sein Projekt „The Currency“ zum Abschluss, bei dem Käufer einer Edition von 10.000 dieser für je 2000 Dollar erworbenen Werke nach einem Jahr zwischen dem Original auf Papier oder dem digitalen Zertifikat in Form eines Non-Fungible Token (NFT) wählen mussten. Eine knappe Mehrheit spekulierte auf das physische Objekt, wobei Hirst sich selbst tausend NFTs sicherte. Die von ihren Besitzern verworfenen materiellen Werke landen im Laufe der Woche in einem der sechs Brennöfen, die den Saal unerträglich aufheizen und unangenehme Assoziationen wecken, deren sich der Provokateur Hirst nur zu bewusst sein dürfte.
Blick zurück: am Stand von Sam Fogg (London) auf der Frieze Masters
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Bild: Michael Adair
Während Hirst in silberner feuerfester Hose auftrat, sahen seine Gehilfen in orangefarbenen Overalls aus wie Guantánamo-Sträflinge. Bei jedem Blatt sicherstellend, dass es mit dem NFT übereinstimmte, bevor er es in den Ofen warf, sagte Hirst, viele glaubten, er verbrenne Millionen Dollar. Dabei vollziehe er bloß die Umwandlung physischer Kunstwerke in virtuelle. Tatsächlich machte er sich einen Spaß daraus, Kunst als reines Spekulationsobjekt zur Schau zu stellen, just in der Woche, in der Abermillionen die Hände wechselten.
Auf der Frieze-Messe für zeitgenössiche Kunst tummelten sich bei der Vorschau Mitglieder des Klubs der oberen Zehntausend und sogenannte VIPs wie eine wartende Frau, die bekannte, nicht zu wissen, wofür sie anstehe, vielleicht für eine Vorstellung oder ein Glas Champagner. Zwischen effekthascherischen Installationen, wie den eher in eine Meisterschaft für Riesengemüse passenden Lederkürbissen von Anthea Hamilton am Stand von Thomas Dane, drängten sich monumentale, frisch aus dem Atelier kommende Leinwände junger Künstler auf. Sie wirkten, als sei ein Kommando ausgegangen, dass in diesem Jahr die Malerei der letzte Schrei sei. Umso besser, wenn die Künstler weiblich und die Themen postkolonial sind.
Blick voraus: Tim Etchells Skulptur „Don’t Look Back“, präsentiert von Vitrine (London, Basel)
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Bild: Linda Nylind / Frieze
Bei der Amerikanerin Kara Walker, deren Können nicht infrage steht, trifft sich beides. Ihr fast vier Meter breites Graphit-Diptychon „Yesterdayness in America Today“ gehört zu den Werken bei Sprüth Magers, die schon in den ersten Stunden Absatz fanden. Die Galerie Jack Shainman hätte Lynette Yiadom-Boakyes fiktives Doppelporträt „To Satiate a Satyr for a Saint“ mit zwei Männern, der eine lesend, der andere denkend, für 500.000 Dollar mehrfach verkaufen können. Für Gemälde der britischen Künstlerin gibt es inzwischen eine lange Warteliste. Im Einklang mit anderen Händlern hebt die Galerie hervor, dass es darum gehe, Künstler „richtig“ zu platzieren. Dazu dienten diese Messen, die persönlichen Kontakt zu Sammlern, Museen und Stiftungen ermöglichten. Trotz des rasanten Absatzes, der sich auch dem starken Dollar verdankt, machte sich die Sorge bemerkbar, dass die von Art Basel lancierte Messe Paris+, die in der kommenden Woche eröffnet, der Londoner Frieze etwas Wind aus den Segeln nehme.
Auf der Frieze Masters: Die Galerie Loeve & Co zeigt Bilder von Michael Adair.
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Bild: Loeve & Co, Frieze Masters 2022
Im Zelt der Frieze Masters war der Auftrieb geringer und das Angebot erlesener. Aber auch hier wurden gute Geschäfte gemacht, nicht nur mit großen Namen der Moderne wie Philip Guston, dessen symbolistisches Spätwerk „Letter to a Friend“ Hauser und Wirth für 4,8 Millionen Dollar verkaufte, sondern auch mit den auf der Messe immer weniger stark vertretenen Alten Meistern. So fand eine exquisite, auf Kupfer gemalte ländliche Szene mit einem Selbstporträt Jan Brueghels des Älteren auf dem Stand von Johnny von Haeften für rund zehn Millionen Dollar einen neuen Besitzer. Wie bei Frieze machte sich die Tendenz bemerkbar, Einzelausstellungen den Vorzug vor einer gemischten Auswahl von Künstlern zu geben. Die Pariser Galerie Loeve stahl mit ihrer Präsentation der italienisch-argentinischen Surrealistin Leonor Fini an einer von ihr entworfenen Tapete die Schau. Herausragend auch die Inszenierungen bei Prahlad Bubba, der kostbare indische Textilien in einen Dialog mit westlichen Kunstwerken bringt, und dem Waffen- und Rüstungshändler Peter Finer, die zeigen, dass Kennerschaft im Kunsthandwerk nicht ganz aus der Mode gekommen ist.
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