Italienisches Unternehmen Feralpi eröffnet Werk in Sachsen

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Es ist die bisher größte Einzelinvestition des italienischen Stahlunternehmens Feralpi in Deutschland und für den traditionsreichen Stahlstandort Riesa ein wichtiger Schritt in Richtung emissionsarme Produktion: Knapp drei Jahre nach dem Spatenstich wurde in Riesa ein neues Walzwerk eröffnet, in das Feralpi rund 120 Millionen Euro gesteckt hat. Hinzu kommen ein neues Umspannwerk, eine neue Schrottaufbereitungsanlage und neue Logistik auf dem 60 Hektar großen Werksgelände. Insgesamt hat der Elektrostahlhersteller mit Sitz am Gardasee in den vergangenen drei Jahren mehr als 200 Millionen Euro in seinen Standort an der Elbe investiert, den das Familienunternehmen nach der Wende auf den Resten des zweitgrößten Stahlkombinats der DDR errichtete.
„Wir glauben fest an das Wachstumspotential Deutschlands und wollen ein Motor des wirtschaftlichen Aufschwungs sein“, sagte Firmen-Chef Giuseppe Pasini, der zur Eröffnung für viel Italianità in Riesa sorgte: Für das Design des Industriebaus verpflichtete Pasini das Mailänder Architekturbüro Caruso e Torricella. Ein Großteil der technischen Anlagen kommt vom Maschinenbauer Danieli aus der Nähe von Udine. Zur Eröffnungsfeier kamen unter anderem Tommaso Foti, Italiens Minister für Europäische Angelegenheiten, und Fabrizio Bucci, der italienische Botschafter in Deutschland, die beide die engen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Italien lobten. Selbst der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte, er wünschte sich mehr italienische Lebensart für Sachsen.
Stahlindustrie ist unter Druck
Die Hoffnungen für das neue Walzwerk ruhen vor allem auf Berlin. Denn der Stahlindustrie in Deutschland geht es schlecht, und auch Feralpi ächzt wegen der hohen Energiepreise und der schwachen Nachfrage nach Baustahl. Der gruppenweite Umsatz ging 2023 ein Viertel zurück und lag bei gut 1,7 Milliarden Euro. Die Margen stehen auch wegen der schlechten Rahmenbedingungen am deutschen Standort unter Druck.
Die Zahl der Beschäftigten in Riesa will Feralpi bis zum Abschluss aller Investitionsvorhaben trotzdem von 850 auf 950 erhöhen. Die Produktionskapazität am Standort soll mit dem neuen Walzwerk von einer Million Tonnen auf 1,3 Millionen Tonnen steigen. Damit zählt Feralpi zu den zehn größten Stahlherstellern in Deutschland. Das Unternehmen setzt darauf, dass die bereits beschlossenen Infrastrukturmilliarden aus Berlin auch die Nachfrage nach Baustahl aus Riesa beflügeln, der etwa im Geschossbau und in Brücken zum Einsatz kommt.
„Seit einigen Tagen haben wir endlich eine neue Regierung in Deutschland, das ist eine gute Gelegenheit für einen Neuanfang“, sagte Pasini. Der Koalitionsvertrag von Union und SPD hat die Branche auch mit Blick auf mögliche Entlastungen zumindest vorsichtig optimistisch gestimmt. Denn die Stahlindustrie findet nicht nur explizit Erwähnung, sondern wird in ihrer zentralen strategischen Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland hervorgehoben.
Energiekosten stehen im Fokus
„Wir werden die Stahlindustrie erhalten und zukunftsfähig machen und sie bei ihrer Umstellung der Produktionsprozesse auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützen“, versprechen die Koalitionspartner. Die Zeit für „Alibis“ sei vorbei, sagte Pasini. Deutschland und Europa müssten sich entscheiden, ob sie Wert auf energieintensive Industrie legen oder sich in die Abhängigkeit anderer begeben wollten.
„Wir brauchen bezahlbare Energie, also Strom und Gas, nicht in ferner Zukunft, sondern jetzt“, stellte Uwe Reinecke, Werksdirektor von Feralpi in Riesa, die Erwartungen an die neue Bundesregierung klar. Die Industrie müsse sowohl bei aktuellen wie bei künftigen Netzentgelten entlastet werden, und die aktuelle Strompreiskompensation müsse fortgeführt werden, sagte er. Es gehe nicht nur um faire, sondern auch um stabile Rahmenbedingungen. Der Elektrolichtbogenofen des Stahlwerks in Riesa verbraucht mit 540 Gigawattstunden Strom je Jahr ungefähr so viel Energie wie alle Haushalte der Stadt Dresden. Hinzu kommt ein Gasverbrauch in der Größenordnung von 250 Gigawattstunden für die Erhitzung von Stahlknüppeln, die zu Draht und anderen Stahlprodukten gewalzt werden.
Schrott wird strategischer Rohstoff
Mit Blick nach Brüssel macht sich Pasini für den Schutz von grünem Stahl aus Europa vor Billigimporten aus dem Ausland stark. „Wenn wir grüne Produkte haben wollen, dann müssen wir sie auch verteidigen“, sagte er. In der Branche ist man trotz der jüngsten Entspannung in den globalen Handelskonflikten besorgt, dass künftig mehr Billigstahl aus China nach Europa drängt. Um die Transformation der Stahlindustrie in Richtung Klimaneutralität zu ermöglichen, müsse Europa seinen Umgang mit Metallschrott ändern und ihn als strategischen Rohstoff begreifen, forderte Pasini. In Riesa werden jeden Tag mehr als 3000 Tonnen zum größten Teil recycelter Metallschrott eingeschmolzen und zu Baustahl verarbeitet.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) lobte das Bekenntnis von Feralpi zum Industriestandort Sachsen. „Es ist ein starkes Signal in wirtschaftlich schwierigen Zeiten“, sagte er. Unternehmen wie Feralpi müssten weiterhin Bedingungen vorfinden, die „Wertschöpfung und technologische Transformation bei fairem Wettbewerb“ ermöglichen, sagte Kretschmer. Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz müssten dabei Hand in Hand gehen.
Das neue Walzwerk in Riesa soll dafür ein Beispiel sein. Denn die Anlage setzt für die Erhitzung von Stahlknüppeln aus der Stranggussanlage statt auf Gas auf einen elektrisch betriebenen Induktionsofen. Es handele sich um das erste Walzwerk in Deutschland, das keine direkten Klimaemissionen verursacht. Die Energieeffizienz sei höher als bei konventionellen Walzwerken. Das liegt auch daran, dass Feralpi sich in Riesa künftig einen Arbeitsschritt sparen kann und den Stahl am Ende des Walzvorgangs noch erwärmt in bis zu acht Tonnen schwere Stahldrahtrollen aufspult.
Während das warmgespulte Produkt im deutschen Markt neu ist, setzen die acht Tonnen schweren Spulen global Maßstäbe. Zuvor werden die 16 mal 16 Zentimeter dicken Stahlknüppel auf einen Runddurchmesser zwischen acht und 25 Millimeter gewalzt. Mit einer Geschwindigkeit von etwa 500 Metern pro Stunde laufen die Knüppel in das erste Walzgerüst. Mit einem Tempo von 35 Metern je Sekunde wird der Stahldraht am Ende auf die Rolle gespult. „Das macht Spaß! Das ist so, als würde man ein neues Auto bekommen“, sagt einer der Anlagenfahrer im neuen Walzwerk.
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