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#Jesse Marsch und das schwierige Erbe

Jesse Marsch und das schwierige Erbe

Vor drei Jahren, es war in Hoffenheim, da kam ein groß gewachsener Mann auf Jesse Marsch zu. „Hello Jesse, how are you?“, fragte der Mann. Bei Marsch, zu dieser Zeit Ko-Trainer von RB Leipzig, rief das Verwunderung hervor, sprach sein Gegenüber doch mit perfektem amerikanischen Akzent. Ein Landsmann, fuhr es Marsch durch den Kopf. Er hatte recht. Der Mann war Pellegrino Matarazzo, heute Trainer des VfB Stuttgart und an diesem Freitagabend (20.30 im F.A.Z.-Liveticker zur Fußball-Bundesliga und bei DAZN) zu Gast bei Marsch und RB Leipzig.

Der 47 Jahre alte Marsch, geboren in Wisconsin, und Matarazzo, aus New Jersey stammend, sind Teil einer Premiere. Zum ersten Mal stehen sich in der Bundesliga zwei amerikanische Cheftrainer gegenüber. Es dürfte ein herzliches Aufeinandertreffen vor dem Spiel geben, man schätzt sich. „Er spricht ein viel besseres Deutsch als ich. Was das angeht, ist er ein Vorbild“, sagt Marsch, der auch einiges vom Fußball-Lehrer Matarazzo hält.

Marsch ist in Racine aufgewachsen, einer Kleinstadt zwischen Milwaukee und Chicago. Seine Großväter stammten aus Deutschland, sie haben ihm den deutschen Nachnamen mitgegeben, die Sprache aber nicht mehr. „Leider haben sie zu Hause irgendwann nur noch Englisch gesprochen“, sagt er. Deutsch musste er erst lernen, so wie er die Bundesliga kennenlernen musste. Das Jahr als Assistent von Ralf Rangnick hat ihm in dieser Hinsicht sehr geholfen.

An mangelnden Sprachkenntnissen liegt es keinesfalls, dass er als Cheftrainer noch nicht richtig angekommen ist. Zum Auftakt verlor seine Mannschaft 0:1 in Mainz – eine herbe Enttäuschung. „Wir waren nicht scharf, nicht konsequent genug“, sagt Marsch. Scharf ist eines seiner Lieblingsworte. Marsch versucht es mit der gleichen Intensität im deutschen Sprachgebrauch zu etablieren wie er versucht, seine Spielidee an die Mannschaft zu bringen. Gelungen ist ihm beides noch nicht.

„Wir hätten mehr Lösungen gebraucht“

Am auffälligsten war in Mainz die harmlose Offensive, die sich gegen einen tief stehenden Gegner kaum Tormöglichkeiten herausspielen konnte. „Wir hätten mehr Lösungen gebraucht“, sagt Marsch. Ihn ärgert das besonders, war doch die Vorgehensweise mit Ball eines seiner Lieblingsthemen in der Vorbereitung gewesen. Schneller, gradliniger wollte er angreifen lassen als sein Vorgänger Julian Nagelsmann, der das Positionsspiel stärker eingebracht hatte. Wieder mehr nach altem, sprich: Rangnicks Vorbild wollte Marsch agieren, mit aggressiverem Gegenpressing und möglichst schnellen Abschlüssen. Das ist sein Ansatz.

Normalerweise Kumpels, an diesem Abend aber Gegner: Marsch (l.) und Pellegrino Matarazzo vom VfB Stuttgart


Normalerweise Kumpels, an diesem Abend aber Gegner: Marsch (l.) und Pellegrino Matarazzo vom VfB Stuttgart
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Bild: dpa

Marsch gilt als Musterschüler im RB-Kosmos. Die New Yorker Filiale führte er mit dem hauseigenen Stil zu Erfolgen, ehe er nach Europa versetzt wurde. Zuerst als Ko-Trainer nach Leipzig, dann als Chef nach Salzburg. Nun also wieder Leipzig. Als Spieler war Marsch ein Arbeiter, als Trainer ist er es noch mehr. „Ich stamme aus einer klassischen Arbeiterfamilie, alles, was meine Eltern und Großeltern hatten, haben sie sich erarbeitet. Diese Einstellung habe ich mit auf den Fußballplatz genommen“, sagte er einst im Interview mit der F.A.Z.

Physischer Grenzbereich

Wie fordernd er sein kann, erfuhren seine Spieler während der Vorbereitung. Im Vergleich zu seinen Vorgängern lässt Marsch bisher sehr intensiv trainieren. Die Einheiten sind physisch oft im Grenzbereich, in Mainz klagten einige Spieler darüber, sich kraftlos zu fühlen. Marsch verteidigt sein Vorgehen. „Wir wollen eine fittere, stärkere Mannschaft. Unser Ziel ist es, in dieser langen Saison zu bestehen“, sagt er. Für seine Art von Fußball ist eine herausragende Fitness zwingend notwendig, diese Erfahrung mussten schon die Spieler von RB Salzburg machen, die Marsch in den vergangenen zwei Jahren trainierte. Mit der österreichischen Filiale machte der Amerikaner vor allem in der Champions League von sich reden. Besonders der grandiose Auftritt beim 3:4 in Liverpool, als die Mannschaft ein 0:3 aufholte und zum 3:3 kam, blieb in Erinnerung. Fußball nach dem Ideal von Rangnick war das, mit hoher Laufleistung und Intensität.

In Leipzigs Team stehen nach zwei Jahren unter Nagelsmann inzwischen aber mehr Fußballer, die sich mit Ballbesitz ebenso wohlfühlen. Auch ist der Altersschnitt der Leistungsträger höher. Willi Orban (28 Jahre), Emil Forsberg (30), Kevin Kampl (30) und Marcel Sabitzer (27) stehen nicht mehr im „Verdacht“, entwicklungsfähige Talente zu sein. Sabitzer klagte jüngst über Adduktorenbeschwerden, für das Spiel gegen den VfB meldete sich der Kapitän aber fit. „Sabi wird bereit sein. Ich hatte viele positive Gespräche mit ihm, er ist ein wichtiger Spieler hier“, sagt Marsch.

Worum es konkret ging, erwähnte der Leipziger Trainer nicht. Gut möglich, dass auch Sabitzers persönliche Situation ein Thema war. Sein Vertrag läuft am Ende dieser Saison aus, nach einer Verlängerung sieht es nicht aus. RB Leipzig möchte den Leistungsträger aber unter keinen Umständen ablösefrei ziehen lassen. Um noch einen angemessenen Preis für Sabitzer zu erzielen, bleibt den Verantwortlichen nicht mehr viel Zeit. Transfers dürfen nur noch bis zum 31. August getätigt werden. In den vergangenen Tagen und Wochen ist Sabitzer immer wieder mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht worden, wo Nagelsmann inzwischen Trainer ist. Auch Stürmer Alexander Sörloth steht zum Verkauf. Olympique Marseille soll größeres Interesse an dem Norweger haben. Für beide könnte ihre Zeit in Leipzig jetzt enden. Für Jesse Marsch soll sie dagegen erst so richtig beginnen.

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