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#Botanische Kenntnisse fördern einen anderen Blick auf die Weltgeschichte

„Botanische Kenntnisse fördern einen anderen Blick auf die Weltgeschichte“

Während der Covid-Pandemie hatten Wissenschaften wie die Virologie und Epidemiologie oft einen schweren Stand – die Notwendigkeit der Bekämpfung einer akuten Krise gepaart mit großer Unsicherheit der wissenschaftlichen Befunde, auf die diese Bekämpfung sich stützen musste, erzeugte bei vielen Menschen tiefgreifende Zweifel am etablierten Wissenschaftsbetrieb. Dafür führte die Pandemie immerhin auch zu einem enormen Boom von „Citizen Science“, von Forschungsprojekten, vor allem in der Astronomie, der Zoologie und der Botanik, die unter Mithilfe oder komplett von einer großen Zahl von Laien durchgeführt werden. Auch meldeten botanischen Gärten im Jahr 2021 Besucherrekorde – ein weiteres Zeichen dafür, dass viele Menschen die Zeit nutzten, um sich „der Natur“ zuzuwenden.

Hansjörg Küsters neustes Buch bietet eine gute Gelegenheit, ein solches Interesse an Pflanzen wissenschaftlich zu unterfüttern. In hierarchischen Systemen sitzen Pflanzen in der Regel ganz unten, und häufig sind Menschen mehr an Tieren als an Pflanzen interessiert – in den Vereinigten Staaten sind 57 Prozent der landesweit gefährdeten Arten Pflanzen, doch nur vier Prozent der Geldmittel zum Schutz bedrohter Arten werden für Pflanzen aufgewendet. Der globalen Bedeutung von Pflanzen wird das überhaupt nicht gerecht: Die Biosphäre enthält ungefähr 550 Gigatonnen Kohlenstoff eingelagert in der Biomasse – davon sind 450 Gigatonnen in Pflanzen gebunden.

Die Ziellosigkeit der Evolution

Küster geht von der einfachen, aber ungemein folgenreichen Beobachtung aus, dass Pflanzen und ihr Wachstum der Antrieb für alles Leben auf der Erde sind – ohne Pflanzen gäbe es keine Tiere und keine Menschen. In neunzehn Kapiteln zeichnet er die Evolution der Pflanzen in der Erdgeschichte nach, vom Auftauchen der ersten Zellen bis zur Eroberung des Landes, und beschreibt dann mit Wurzel, Spross und Blatt die morphologischen Grundbausteine von Landpflanzen.

Hansjörg Küster: „Flora“. Das ganze Reich der Pflanzen.


Hansjörg Küster: „Flora“. Das ganze Reich der Pflanzen.
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Bild: C.H. Beck Verlag

In Kapiteln über Blüten, Pollen, Samen und Früchte geht es schließlich um die Fortpflanzung, und das Buch endet mit Betrachtungen über Kulturpflanzen, Vegetationszonen, die Dynamik der Vegetationsentwicklung unter dem Einfluss des Menschen wie des Klimas und über Nachhaltigkeit. Küster betont immer wieder die Ziellosigkeit der Evolution und die Dynamik der natürlichen Prozesse, und er weist darauf hin, dass es Stabilität der Vegetation nie gab und nie geben wird. Nachhaltigkeit beruht darauf, diese Dynamik anzuerkennen und dafür zu sorgen, dass immer genügend organische Materie in Pflanzen gebunden ist, so dass der Temperaturanstieg der Atmosphäre kontrollierbar bleibt.

Küsters Buch entstand aus einer universitären Vorlesungsreihe. Es ist didaktisch und thematisch klar strukturiert und gut verständlich, setzt aber eine grundlegende Vertrautheit mit wissenschaftlicher Terminologie voraus. Natürlich kann ein Buch dieses Umfangs die meisten Themen nur kurz anreißen, weshalb eine ausführlichere Liste mit weiterführender Literatur zur Vertiefung der behandelten Themen wünschenswert gewesen wäre. Küster gelingt es aber gut, für die Botanik zu interessieren und die Umgebung mit anderen Augen sehen zu lassen.

Eine der wichtigsten Zukunftswissenschaften

Botanische Grundkenntnisse fördern auch einen anderen Blick auf Weltgeschichte wie zeitgenössische Politik – die Domestikation und Weiterzüchtung von Pflanzen macht sie zu kulturellen und technologischen Artefakten, und Kulturpflanzen wie der Weizen, Reis und Mais sind seit Tausenden von Jahren mit der Geschichte des Menschen eng verwoben. Der Krieg in der Ukraine zeigt zudem die Verletzlichkeit des globalen Ernährungssystems, das in extremer Weise von diesen drei Arten – Weizen, Reis, Mais – abhängt.

Die Verbesserung der Robustheit dieses Systems gegenüber Störungen wird auch von einer Diversifizierung der pflanzlichen Nahrungsgrundlage abhängen. Schätzungen besagen, dass ungefähr siebentausend Pflanzenarten essbar sind; dieses Potenzial muss stärker erforscht und genutzt werden. Darüber hinaus müssen vernachlässigte Kulturpflanzen, vor allem in den Tropen, mehr Aufmerksamkeit bei Züchtern und Pflanzengenetikern finden. Die Botanik ist zweifellos eine der wichtigsten Zukunftswissenschaften, und Hansjörg Küster ist ihr wirkungsvoller Fürsprecher.

Hansjörg Küster: „Flora“. Das ganze Reich der Pflanzen. C.H. Beck Verlag, München 2022. 224 S., Abb., geb., 22,– €.

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