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#„Mehr Pflegepersonal löst nicht alle Probleme“

„Mehr Pflegepersonal löst nicht alle Probleme“

Herr Rüter, Sie führen die Geschäfte von drei katholischen Krankenhäusern in Ostwestfalen mit zusammen rund 700 Betten. Haben Sie Schwierigkeiten mit Leuten, die das Coronavirus für ungefährlich halten?

Sebastian Balzter

Sebastian Balzter

Redakteur in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Das größte Problem hatten wir mit unserem ersten Corona-Patienten überhaupt, im Frühjahr. Da rief der Sohn am Wochenende an, er werde jetzt ins Krankenhaus kommen und seinen Vater abholen. Wir haben sofort die Polizei gerufen, ich bin selbst auch in die Klinik gefahren. Dort haben wir der Familie dann als Vollzugspersonen der Gesundheitsbehörde klargemacht, dass der Patient bei uns kaserniert ist und ganz bestimmt nicht abgeholt wird. Die Verwandten haben sich erst besonnen, als die Polizisten ihnen gezeigt haben, dass sie auch Handschellen dabeihaben.

Bringt die zweite Corona-Welle die Kliniken im Land an den Rand des Zusammenbruchs?

Die derzeitige Zuspitzung muss mehr als beunruhigen, unerträglich sind die Missachtungen der Coronaregeln. Aber ein Systemkollaps ist nicht erkennbar. Die Auslastung bei uns ist hoch, aber nicht im roten Bereich; sie war es durchaus mal in einigen Häusern. Covid-Fälle blockieren schnell mal eine ganze Station. Wir haben aber genug Schutzmaterial, genug Geräte und auch genug Personal, das sich extrem engagiert.

Wie kommt es dann zu den vielen alarmierenden Meldungen über die Lage in den Krankenhäusern?

Ich bekomme hier in der Region auch jede Woche wieder eine Hochrechnung von irgendeinem Spezialisten vorgelegt, laut der die Fallzahlen jetzt endgültig explodieren. Da steckt nach meiner Einschätzung viel Aktionismus drin. In unseren Häusern haben wir uns klipp und klar erklärt, dass wir nicht von Triage reden – also davon, bestimmte Patienten nicht zu behandeln, damit es für die anderen reicht. Das ist in Deutschland nicht gerechtfertigt. Der Lockdown hat dazu geführt, dass die Leute ihr Verhalten verändert haben. Deshalb steigt die Zahl der Behandlungsfälle zurzeit nicht mehr. Und wenn wir mal tatsächlich einen Engpass haben in einer Region, dann können wir in relativ kurzer Zeit ein anderes Krankenhaus erreichen. Das ist der Vorteil gegenüber dem vielgelobten dänischen Modell, wo es nur noch sehr wenige große Kliniken im ganzen Land gibt.

Sie klingen entspannt. Liegt das womöglich bloß daran, dass es bei Ihnen einfach nicht so viele Corona-Fälle gibt?

In unserem kleinen Hospital St. Vinzenz in Rheda-Wiedenbrück hatten wir im Sommer die Corona-Infizierten aus dem Schlachthof von Tönnies. Da waren innerhalb weniger Tage 1000 Leute krank, rund 50 mussten stationär behandelt werden, etwa die Hälfte bei uns, drei wurden beatmet. Von den acht Intensivbetten in St. Vinzenz waren fünf mit Covid-Patienten belegt, insgesamt waren bis zu 11 Prozent der Patienten in der Klinik Covid-Fälle. Hinzu kam, dass von diesen Patienten nicht einer auch nur eine Silbe Deutsch sprach. Wir haben die Behandlung mit eigenen Mitarbeitern aus Polen und Rumänien begleitet, Dolmetscherdienste waren im gesamten Landkreis nicht verfügbar.

Haben die Pflegekräfte im St.- Vinzenz-Hospital die 1000 Euro Prämie bekommen, die Gesundheitsminister Spahn versprochen hat?

Nein. Das Geld gab es nur dort, wo bis Ende Mai eine bestimmte Zahl von Covid-Patienten behandelt worden ist. Unsere kamen erst im Juni, also gingen wir leer aus. Diese Prämie klang in den Talkshows gut. In der Realität war sie ein Rohrkrepierer, sie hat zudem viel Zwietracht gesät. Vollmundig einen Betrag auszuloben, ihn dann detailliert an Bedingungen zu knüpfen – das kann nicht gutgehen. Uns haben die Tönnies-Fälle sogar Geld gekostet. Wir hätten mehr verdient, wenn wir an ihrer Stelle unsere Durchschnittspatienten behandelt hätten – oder wenn die Betten gleich ganz leer geblieben wären und wir die pauschale Freihalteprämie bekommen hätten, die es damals noch gab.

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