#„Kernenergie ist Teil der Lösung“
„„Kernenergie ist Teil der Lösung““
Herr Generaldirektor, kann die IAEA trotz der coronabedingten Reisebeschränkungen überall auf der Welt ihre notwendigen Inspektionen durchführen?
Wir haben nicht eine Minute innegehalten, denn die Präsenz von Inspekteuren zu unterbrechen wäre extrem gefährlich. Es gab gewaltige Schwierigkeiten, teilweise gab es nicht einmal kommerzielle Flüge. Im Frühjahr waren die Grenzen teilweise wirklich dicht. Wir mussten viel Überzeugungsarbeit leisten, haben private Flugzeuge gemietet, aber am Ende konnten wir überall auf der Welt hin. Das war ein großer Erfolg.
Gab es denn stattdessen politische Hindernisse für Inspektionen etwa in Iran?
Das ist etwas anderes. Wir hatten in diesem Jahr ein Problem mit Iran, das nichts mit der Pandemie zu tun hatte. Iran hat entschieden, unseren Inspekteuren den Zugang zu zwei Anlagen zu verwehren, die wir inspizieren wollten. Es gab eine lange Hängepartie, aber schließlich bin ich Ende August nach Iran gereist, und wir konnten dieses Problem lösen. Jetzt sind wir wieder im Geschäft und können alle Anlagen sehen, die wir sehen müssen.
In der gemeinsamen Erklärung, die Sie mit dem Chef des iranischen Atomprogramms nach Ihrer Einigung veröffentlicht haben, ist allerdings nicht von „Verpflichtung“ die Rede, sondern davon, dass Iran der IAEA „freiwillig“ den angeforderten Zugang zu zwei Orten gewährt. War das die Kompromissformel?
Es waren Verhandlungen, und wir hatten am Ende eine Erklärung. Eine Erklärung ist nicht die Vereinbarung. Die Vereinbarung bestand darin, dass die Inspekteure wieder hinkönnen. Die Erklärung wurde von einer Reihe politischer Erwägungen begleitet. Dass die Iraner erklärt haben, dass der Zugang „freiwillig“ gewährt wird, bedeutet nicht, dass es keine Verpflichtung gibt. Sie glaubten, aus welchen Gründen auch immer, dass sie das hinzufügen müssten. Rechtlich macht das nichts. Alles, was wir tun, ist freiwillig, schließlich sind wir die Verpflichtungen selbst eingegangen.
Haben Sie den Eindruck, dass Iran der IAEA misstraut? Da war ja nicht nur diese Angelegenheit. Vergangenes Jahr wurde eine Inspekteurin unter dem Vorwand, sie plane einen Bombenanschlag, nicht ins Land gelassen.
Das war natürlich absurd, es wurde beigelegt. Die Geschichte der Beziehungen zwischen der Agentur und Iran seit den 2000er Jahren, als das heimliche Atomprogramm entdeckt und vor den UN-Sicherheitsrat gebracht wurde, war vielschichtig, mit Auf und Ab. Dieses Jahr hatten wir beides.
Der Generaldirektor der IAEA, der Argentinier Rafael Grossi
:
Bild: Reuters
Aber inzwischen hat Iran weit über die Grenzen des Nuklearabkommens JCPOA hinaus wieder Uran angereichert. Wie weit ist es von einer Waffenfähigkeit entfernt?
Sie spielen auf die Menge nuklearen Materials an, die nötig wäre. Sie wächst. Aber um eine Bombe zu bauen, benötigt man mehr als eine bestimmte Menge angereicherten Urans oder Plutoniums. Natürlich ist es nicht egal, wenn jemand diese Menge hat. Die IAEA hat durch die Inspektionen einen umfassenden Einblick in das ganze System in einem Land – übrigens in jedem Land. In Iran gilt ein ganz besonderes Überwachungsregime (durch das JCPOA; Red.). Das ist schon an sich ein Zeichen, dass sie an einer Normalisierung ihrer ganzen Tätigkeit arbeiten müssen. Da ist noch viel zu tun.
Sie reisen diese Woche nach Deutschland. Gibt es da überhaupt noch Themen für Sie als IAEA-Chef?
Deutschland ist ein Schlüsselland in jeder internationalen Organisation, in dieser hier erst recht. Es gibt die Energiewende und den „Ausstieg“, der eine Reihe von Herausforderungen mit sich bringt – politisch wie technisch. Die Agentur arbeitet eng mit Deutschland auf einer Reihe von Gebieten zusammen, ob es nuklearer Abfall ist oder der Abbau von Reaktoren, nukleare Sicherheit oder der Schutz vor nuklearen Bedrohungen. Die Tatsache, dass Deutschland in einigen Jahren keine Nuklearreaktoren mehr betreibt, heißt nicht, dass wir nicht mehr miteinander zu tun hätten, im Gegenteil.
Welche Rolle spielt Kernenergie beim Klimawandel?
Sie ist Teil der Lösung. Ein Drittel der sauberen Energie in der Welt ist nuklear. Ohne Kernenergie würde sich der CO2-Ausstoß vervielfachen. Sie ist eine äußerst effiziente Ergänzung zu den Erneuerbaren, die bekanntlich nicht immer gleichmäßig Energie liefern. Das Problem in der Welt ist Dekarbonisierung, nicht Denuklearisierung.
Sie nennen Kernenergie „sauber“ – aber es gibt natürlich das Problem mit der Entsorgung des strahlenden Mülls und mit der Gefahr äußerst folgenreicher Unfälle.
Das berücksichtigen wir natürlich. Jede industrielle Tätigkeit hat Auswirkungen. Technik ist dafür da, mit Problemen vernünftig umzugehen. Wir verstehen, dass es gesellschaftliches Unbehagen gibt. Das ist ja nicht nur in Deutschland so, sondern in vielen Ländern, wenn auch nicht in allen, sehen Sie nach Finnland oder Schweden. Es ist eine Frage der Wahrnehmung. Es gibt die Technik, um damit umzugehen.
Die IAEA ist eine Organisation, die eine Menge Optimismus über die Möglichkeiten nuklearer Energie verströmt. In Deutschland herrscht, gelinde gesagt, Skepsis vor. Was kann ein Aussteiger in einer solchen Organisation noch groß für eine Rolle spielen?
Wir sind keine nuklearen Lobbyisten. Wir betrachten die Welt, wie sie ist. Und die Welt sieht einen kräftigen Anstieg bei der Nutzung nuklearer Energie. In Indien, China, Russland, Osteuropa, Lateinamerika, überall. Es gibt ein paar wenige Länder, die aussteigen – und eigentlich nur eines, das das wirklich ernsthaft versucht. Das eine ist Deutschland. Das war nicht irgendein Land, sondern führend in der Welt. Die Nuklearindustrie in meinem Land, Argentinien, besteht aus deutscher Technik. Der Ausstieg war politisch begründet, nicht technisch, und das respektieren wir natürlich. Es gab eine ganze Flotte von Reaktoren, die ohne ein einziges Problem funktionierten und nun heruntergefahren wurden oder werden. Das stellt natürlich eine Reihe von Herausforderungen. Das wird sehr interessant.
Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.
Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.