Nachrichten

#Kollektive Ekstase in Buenos Aires

„Kollektive Ekstase in Buenos Aires“

Schon vor dem entscheidenden Elfmeter vibriert die Luft. Sekunden werden zu einer Ewigkeit. Dann der Schuss, der Sieg, die Explosion, die kollektive Ekstase. Wildfremde fallen sich euphorisch in die Arme. Väter erleiden vor den Augen ihrer verdutzten Kinder Weinkrämpfe. „Wir sind Weltmeister!“ schreien alle unaufhörlich.

Wenig später strömen in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires Hunderttausende auf die Straßen, die während des Spiels noch leer gefegt waren. Fangesänge hallen von allen Seiten durch das Zentrum. Autokorsos bahnen sich zwischen den Massen ihren Weg. Alles zieht es zum Obelisken hin, wo die Argentinier seit jeher zusammenkommen, wenn etwas Bedeutsames passiert.

Kaum irgendwo kann dieser Weltmeistertitel eine höhere Bedeutung haben als in Argentinien. Jeder konnte es in den Stadien in Qatar beobachten. Tausende Argentinier waren in den vergangenen Wochen an den Golf gereist, um ihr Nationalteam anzufeuern. Die argentinischen Fußballclubs halfen dabei kräftig, indem sie sich an Reisekosten beteiligten. Andere Argentinier nahmen ihre gesamten Ersparnisse in die Hand, um dabei zu sein.

„Argentinien wollte den Titel mehr als alle anderen“

In Argentinien selbst hatte das Fußballfieber schon lange vor der Weltmeisterschaft – der letzten ihres Helden Lionel Messi – die Massen erfasst. Zeitweise fehlte es an Abziehbildchen für die Sammelalben. Selbst im fußballverrückten Lateinamerika ist man sich unter Fachleuten mehr oder weniger einig, dass der Fußball in keinem anderen Land eine wichtigere Rolle spielt. Ein großer Teil der Argentinier definiert sich über den Fußball, über den Verein. Alle vier Jahre verschmilzt dieser Fanatismus zu einer großen Einheit, in der alle Grenzen und Konflikte verschwinden.

Extase in den Straßen der Hauptstadt


Extase in den Straßen der Hauptstadt
:


Bild: AP

Rund um den Obelisken, an dem Argentinien alle bedeutenden Ereignisse feiert


Rund um den Obelisken, an dem Argentinien alle bedeutenden Ereignisse feiert
:


Bild: dpa

„Argentinien wollte den Titel mehr als alle anderen“, glaubt ein junger Mann, der sich vor einem kleinen Quartiersladen mit Dutzenden anderen das Spiel auf einem kleinen Fernseher angesehen hat. „Das ist der Lohn für unser Leiden“, sagt er. Leiden mussten die Argentinier nicht nur in diesem verrückten Finalspiel oder nach dem missglückten Start gegen Saudi-Arabien. Schwer haben es viele Argentinier schon seit längerem. Das Land befindet sich wirtschaftlich in einer tiefen Krise. Die Jahresteuerung kratzt an der 100-Prozent-Marke. Vielen Argentiniern reicht ihr Einkommen nicht bis zum Monatsende. Die Fußball-WM bot ihnen während der letzten Wochen eine Gelegenheit, in einen kollektiven Traum zu flüchten, der nun wahr geworden ist.

Wann und wie die argentinischen Nationalspieler in Argentinien eintreffen werden, war  am Abend noch unklar. Zunächst stand  kein Programm fest. Vorsorglich hatte Präsident Alberto Fernández die möglichen Helden bereits in den Präsidentenpalast eingeladen. Ein Foto mit Messi ist heiß begehrt – auch bei den Politikern. Fernández hatte es trotz Einladung durch den Gastgeber unterlassen, nach Qatar zu reisen. Das politische Risiko wurde als zu hoch eingeschätzt. Man stelle sich vor, Argentinien hätte in  Anwesenheit des Präsidenten verloren. Die abergläubischen Argentinier hätten ihm möglicherweise die Schuld gegeben.

Alle Gefühle müssen raus


Alle Gefühle müssen raus
:


Bild: AFP

Ein Moment für alle Argentinier


Ein Moment für alle Argentinier
:


Bild: Reuters

Unklar ist auch noch die Frage, ob es Messi dank des gewonnen Titels in den argentinischen Fußballhimmel schafft. Dort thront bis heute immer noch Diego Maradona, die verstorbene und in Argentinien doch so lebendige Fußballlegende, die vor 36 Jahren den Pokal letztmals für Argentinien küsste und bis heute wie eine Gottheit verehrt wird. Ein Fan, der ein verblasstes Bild von Maradona bei sich trägt, weiß keine Antwort auf die Frage. „Größer als Maradona ist schwierig“, sagt er. Doch er könne noch nicht fassen, was gerade passiert sei, die Zeit werde es zeigen.

Die Zeit wird auch zeigen, wie lange die kollektive Euphorie der Argentinier anhält. In der Regel sind Ereignisse wie dieses sehr kurzlebig. Im Fall von Argentinien wird  die Freude sicher noch über die Festtage andauern. Danach kommt der Januar und mit ihm die Realität, in der jeder im Land wieder für seinen eigenen Verein kämpft und  die Grenzen und Gräben wieder aufgehen. Den 18. Dezember 2022 jedoch, der als  Heldenmoment  in die Geschichte eingehen wird, werden sie für immer miteinander teilen.

Straßenszene in Buenos Aires


Straßenszene in Buenos Aires
:


Bild: Reuters

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!