Künstler Christoph von Weyhe ist gestorben

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Schon der Beginn war wie die Erfüllung eines Modetraums. Der junge deutsche Künstler Christoph von Weyhe war 1959 gerade mit dem Modemacher Azzedine Alaïa zusammengekommen, da gab es für die beiden Paris-Neulinge einen Großauftrag namens Greta Garbo. „Es war unglaublich“, sagte Christoph von Weyhe 2020 der F.A.Z. über diesen hoffnungsvollen Start. Unglaublich waren auch die Anproben: Damit Azzedine einen Mantel für die Hollywood-Ikone abstecken konnte, musste sein Freund Christoph Modell stehen – offenbar hatte er damals noch die Maße der Diva.

Es war der Beginn zweier großer Karrieren. Azzedine Alaïa, der aus Tunesien stammte, wurde zu einem der wichtigsten Pariser Modemacher, der von Tina Turner über Madonna bis Shakira viele Frauen mit seinen eng auf den Körper geschnittenen Korsagenkleidern ausstattete. Und Christoph von Weyhe, der am 27. März 1937 in Halle (Saale) geboren wurde, in Holstein aufwuchs und bis zum Tod Alaïas am 18. November 2017 an seiner Seite blieb, baute fast sechs Jahrzehnte lang die Marke mit auf, als Geschäftspartner mit einem Anteil von 50 Prozent, vor allem aber als Gesprächspartner, der die Liebe zur Kunst teilte. Am 10. Mai ist nun auch Christoph von Weyhe gestorben, im Alter von 88 Jahren.
Er malte fast nur noch Ansichten des Hamburger Hafens
Er war das untypischste Mitglied einer großen Modefamilie. Während Alaïa wirbelte, war er der stille Mann im Hintergrund. Gab es nicht gerade eine Modenschau oder ein großes Abendessen in der Halle an der Rue de la Verrerie, dann malte er zurückgezogen in seiner Wohnung im vierten Stock über einem der schönsten Hinterhöfe des Marais-Viertels. Und was er malte: Seitdem er 1959 mit dem Zug von Hamburg nach Paris gefahren war, um an der École des Beaux-Arts zu studieren, malte er fast nur noch Ansichten des Hamburger Hafens. „Es war wie ein Stück Heimat in Paris“, sagte er. „Das hat mir hier gefehlt.“ Am Ende wurden es Hunderte Werke, die so vielfältig schimmern wie das Licht, die Schiffe, die Docks, das Wasser und die Erinnerung.
Er hätte mehr Heimat haben können. Aber als junger Mann wollte Christoph von Weyhe nicht den Hof des Vaters im Kreis Eutin übernehmen. Der Zufall wollte es übrigens, dass das väterliche Gut zu den ostholsteinischen Höfen gehörte, die Milch an Glücksklee lieferten, das Kondensmilch-Unternehmen von Karl Lagerfelds Vater Otto. „Der Sohn von Otto ist auch in Paris, ihr solltet euch mal kennenlernen“, sagte sein Vater zu ihm. Aber beim ersten Kennenlernen in Paris lernten sie sich gar nicht kennen: Bei dem Dinner junger Modemenschen im Jahr 1960 gab sich Lagerfeld noch als schwedisch aus, um nicht als Deutscher erkannt zu werden.
Der Tod seines Partners nach fast sechs gemeinsamen Jahrzehnten traf Christoph von Weyhe schwer. Ebenso schwer traf es ihn, dass er seine Arbeit an der Stiftung, die Alaïas Werk und die gemeinsam aufgebaute Mode- und Kunstsammlung bewahren soll, schon bald nicht mehr fortsetzen konnte. Denn die Fondation Azzedine Alaïa unter Galeristin und Unternehmerin Carla Sozzani drängte ihn zunehmend hinaus. Im Jahr 2021 zog von Weyhe frustriert aus dem Haus im Marais aus und lebte in Südfrankreich und Süddeutschland bei seiner Nichte Susanne, der Tochter seines Bruders Hans-Dietrich. Gestorben ist er in seinem Heimatland, und hier wird er auch beerdigt. Seine Erbin Susanne von Weyhe will den Prozess in Paris gegen die Stiftung um eine gerechte Beteiligung weiterführen.
Unterstützt wurde Christoph von Weyhe in seinen letzten Jahren auch durch die Prominenten, mit denen er verbunden war, wie den Galeristen Julian Schnabel und das Supermodel Stephanie Seymour. Naomi Campbell, ebenfalls eine Freundin des Hauses, verabschiedete sich am Mittwoch mit einem emotionalen Instagram-Beitrag: „Ich habe dich, Christoph, 1986 mit 16 Jahren an der Seite von Papa Azzedine kennengelernt. Von diesem Moment an habt ihr beide mich mit offenen Armen empfangen, mich in euer Leben aufgenommen, und ihr seid meine Wahlfamilie geworden“, schrieb sie. „Du warst eine der bescheidensten, freundlichsten, loyalsten und liebevollsten Seelen, die ich je gekannt habe. Dich all die Jahre in meinem Leben gehabt zu haben, war ein Segen.“
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