#Lautere Sprachen in warmen Regionen
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Welche Faktoren prägten die Entwicklung der Sprachvielfalt? Offenbar spielte auch das Klima einer Region eine Rolle bei der Merkmalsentwicklung der Sprache ihrer Bewohner, geht aus einer Studie hervor. Demnach sind Sprachen, die in wärmeren Regionen entstanden sind, tendenziell etwas lauter als die aus kühleren Teilen der Welt. Dies hat wahrscheinlich mit physikalischen Eigenschaften der Luft zu tun, die beeinflussen, wie leicht Sprache erzeugt und gehört werden kann, erklären die Wissenschaftler.
Unseren Mitmenschen komplexe Informationen über spezielle Lautfolgen vermitteln zu können, ist ein Schlüsselelement des Erfolges unserer Spezies. Dabei steht oft die Frage im Fokus, wie das Konzept der Sprache grundsätzlich im Lauf der Evolution entstanden ist. Doch interessanterweise unterlag das Kommunikationssystem auch später einer Art evolutionärem Prozess: Es entwickelten sich viele, teils sehr unterschiedliche Sprachen bei den Menschen der verschiedenen Regionen der Welt. Dabei spielten komplexe kulturelle Faktoren und gegenseitige Beeinflussungen wichtige Rollen. Ein Team aus chinesischen und deutschen Forschern ist nun der Frage nachgegangen, ob sich auch Spuren des Einflusses eines physikalischen Faktors in den Sprachen der Welt feststellen lassen.
Hat auch das Klima Sprachen geprägt?
Konkret ging es ihnen dabei um den möglichen Einfluss der durchschnittlichen Lufttemperatur, die wiederum mit der Luftfeuchtigkeit verbunden ist. Grundsätzlich erscheint klar, dass die unterschiedlichen Eigenschaften der Luft, sich auf die Sprach-Erzeugung sowie die Ausbreitung von Schallwellen und somit die Wahrnehmungsfähigkeit auswirken können: „Die Trockenheit der kalten Luft stellt einerseits eine Herausforderung für die Produktion stimmhafter Laute dar, die eine Vibration der Stimmbänder erfordern. Andererseits neigt warme Luft dazu, stimmlose Laute zu begrenzen, indem sie deren Hochfrequenzenergie absorbiert“, erklärt Co-Autor Søren Wichmann von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Aus diesem Zusammenhang ergab sich die Vermutung, dass wärmere Klimazonen die Entwicklung von lauteren Sprachelementen begünstigt haben könnten. Demnach müssten die dortigen Sprachen eine erhöhte Sonorität aufweisen, so der Fachausdruck.
Inwieweit sich ein solches Muster tatsächlich in den Sprachen der Welt widerspiegelt, untersuchten die Forscher durch Analysen der Informationen einer umfangreichen Sprachdatenbank: Sie enthält aktuell den Basis-Wortschatz von 5293 Sprachen und wird stetig erweitert. Das Team setzte automatische Analysewerkzeuge ein, um der Häufigkeit und dem Ausmaß von klangvollen Elementen in den Sprachen auf die Spur zu kommen. Die Ergebnisse konnten sie dann in den Zusammenhang mit dem Klima stellen, in dem sich die jeweiligen Sprachen entwickelt haben.
Wo es warm ist, klingt‘s eher sonor
Wie sie berichten, zeichnete sich tatsächlich ein signifikanter Zusammenhang ab: „Insgesamt konnten wir eine deutliche Beziehung zwischen der mittleren Sonorität von Sprachfamilien und der mittleren Jahrestemperatur feststellen. Vereinfacht bedeutet das: Sprachen sind in wärmeren Regionen der Erde lauter als die in kälteren Regionen“, resümiert Wichmann. Konkret könnte es also sein, dass die Formulierung der sonoren Laute in den kalten Regionen vergleichsweise schwierig war, aber durch die besseren Übertragungswerte in der Luft eher weniger nötig. In warmen Regionen galt das Umgekehrte. In einer Art evolutionärem Prozess führte dies dann zu entsprechenden Anpassungen der Sprachen.
Eine hohe mittlere Sonorität weisen der Studie zufolge vor allem Sprachen auf, die um den Äquator vorkommen. Den höchsten entsprechenden Index besitzen dabei Sprachen in Ozeanien und Afrika. Den stärksten Kontrast dazu stellte das Team bei den Salish-Sprachen an der Nordwestküste Nordamerikas fest: Es handelt sich um den Weltrekord für die niedrigste Sonorität bei den Sprachen der Menschheit, berichten die Wissenschaftler.
Mögliche Hinweise auf Migrationsgeschichten
Wie sie betonen, handelt es sich allerdings um ein Muster, das sich nur im großen Maßstab abzeichnet. Denn es gibt einige Ausnahmen, die dem Schema nicht entsprechen: Beispielsweise gibt es in Mittelamerika und auf dem südostasiatischen Festland Sprachen, die eine eher niedrige mittlere Sonorität aufweisen, obwohl sie in sehr warmen Regionen gesprochen werden. Eine Ursache könnte dabei die Migrationsgeschichte von Bevölkerungsgruppen und ihren Sprachen gewesen sein: Die Ausnahmen sprechen dafür, dass sich die Auswirkungen der Temperatur auf die Klangfülle nur langsam entwickeln und die Klänge einer Sprache nur über lange Zeiträume prägen.
Genau darin könnte auch ein weiterführender Aspekt der Studienergebnisse liegen, hebt Wichmann abschließend hervor: „Es könnten sich Informationen über die Geschichte von Gesellschaften ergeben: Denn wenn sich Sprachen in einem langsamen, Jahrtausende dauernden Prozess an die Umwelt anpassen, dann tragen sie einige Hinweise auf die Umwelt ihrer Vorgängersprachen in sich“, so der Sprachforscher.
Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Fachartikel: PNAS Nexus, doi: 10.1093/pnasnexus/pgad384
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