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#Liebesgrüße aus dem letzten Jahrhundert

Liebesgrüße aus dem letzten Jahrhundert

Bevor Anastassija Tuman in ihre Werkstatt geht, schminkt sie sich sorgfältig. Sie zieht einen schwarzen Jogginganzug an und neongelbe Plateau-Turnschuhe, setzt ein Käppi auf. Das lange Haar darunter glänzt wasserstoffblond, ihre Fingernägel sind perfekt lackiert. Tuman, eine 29 Jahre alte zierliche Frau, ist Automechanikerin in Moskau. Ihre Mini-Werkstatt, wie sie sie nennt, liegt in einem Gewerbegebiet am Rande eines staubigen Parkplatzes, auf dem Männer an Baufahrzeugen herumschrauben.

Katharina Wagner

Wirtschaftskorrespondentin für Russland und die GUS mit Sitz in Moskau.

Tuman öffnet die Tore zu einer hohen Garage, in die nur ein einziges Auto passt. Kunden kommen ohnehin keine hierher: Der Ort ist bloß Kulisse für Tumans Videos, die auf Youtube bis zu vier Millionen Mal gesehen werden. Darin möbelt sie Gebrauchtwagen auf und verkauft sie weiter; fährt in getunten Autos Taxi und überrascht die Passagiere mit ihrem rasanten Fahrstil, oder sie stellt, in der Serie „Automädchen“, andere Russinnen vor, die Autos lieben, Lastwagen- und Rennfahrerinnen. Dass diese meist ebenso blendend aussehen wie Tuman, die selbst gern in knapper Kleidung auftritt, mag zum Erfolg ihres Blogs beitragen. Zumindest für die weiblichen Fans, die zuletzt mehr geworden sind, dürfte aber etwas anderes ausschlaggebend sein: dass Frauen wie Tuman in Russland eine Ausnahmeerscheinung sind.

Bis vor Kurzem gehörte die Autoreparatur noch zu den 456 als potentiell gesundheitsgefährdend eingestuften Tätigkeiten, die den Russinnen eigentlich verboten waren. Anfang dieses Jahres wurde die Liste auf knapp 100 Berufe verkleinert, seither dürfen Frauen auch offiziell Autos reparieren, Lastwagen und Traktoren fahren und Metrozüge steuern; unter Tage im Bergwerk oder in der Produktion bestimmter Chemikalien dürfen sie aber weiterhin nicht arbeiten.

„Affen eine Handgranate zum Spielen zu geben“

Tuman hat sich um solche Verbote nie gekümmert, sie weiß gar nicht genau, dass es eines gab. Mit 19 beschloss sie auf eigene Faust, Automechanikerin zu werden, aus Ärger darüber, dass der Lada ihres Vaters ständig kaputtging und sie in der Werkstatt übers Ohr gehauen wurde. Erst in der zehnten von zehn Werkstätten im südwestrussischen Wolgodonsk nahm man sie. Und auch dort bekam sie anfangs von manchen Kunden zu hören, dass sie doch besser Suppe kochen oder sich die Nägel machen solle. Tuman erzählt davon ohne Bitterkeit, eher belustigt. In ihren Videos will sie zeigen, dass solche Stereotype nicht stimmen, dass eine Frau am Steuer nicht das Gleiche sei wie einem „Affen eine Handgranate zum Spielen zu geben“, was also nur in der Katastrophe enden kann, wie es in einem russischen Witz heißt.

Die Rolle der Frau ist in Russland klar definiert. Sie muss einerseits stark sein, da sie meist neben der Arbeit noch für Haushalt und Kinder zuständig ist und überdies die Schwäche der Männer ausgleichen muss, die häufig die Familie verlassen, dem Alkohol verfallen und im Schnitt etwa zehn Jahre früher sterben. Andererseits darf die Frau diese Stärke nicht zeigen, sie soll weiblich, weich und zart bleiben. Dies wird ihr im Fernsehen, am Arbeitsplatz, von der Mutter eingebläut; also geht sie ständig zur Maniküre und ungeschminkt nicht aus dem Haus, trägt auch im Winter kurze Röcke und Stilettos.

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