Lunarer Mantel ist auf der abgewandten Seite trockener

Inhaltsverzeichnis
Der Erdmond hat zwei sehr unterschiedliche Hälften: Seine abgewandte Seite besteht vorwiegend aus Hochland mit alter, dicker Kruste, seine Vorderseite ist hingegen von ausgedehnten Maren mit dunkler Basaltlava geprägt. Jetzt belegen Proben, die die chinesische Mondsonde Chang-e-6 von Mondrückseite zur Erde zurückgebracht hat: Diese Dichotomie reicht möglicherweise bis in den lunaren Mantel hinab. Denn in den Basalt- und Mantelgesteinsproben aus dem Südpol-Aitken-Becken haben Forschende einen deutlich geringeren Wassergehalt gemessen als in Proben, die unter anderem die Apollo-Missionen auf der uns zugewandten Seite des Mondes gesammelt haben. Dies liefert nun spannende Ansatzpunkte für die Suche nach der Ursache dieser Unterschiede. Sie könnten auf die katastrophale Kollision zurückgehen, die den Mond einst schuf, aber auch auf den Einschlag, auf den das Südpol-Aitken-Becken zurückgeht.
Der Mond entstand gängiger Theorie nach durch die Kollision der jungen Erde mit einem marsgroßen Protoplaneten vor rund 4,5 Milliarden Jahren. Dabei verdampften große Mengen Gestein und erstarrten dann wieder. Aus diesen Trümmern bildete sich der Mond. Ausgehend von diesem Szenario und dem Fehlen einer Atmosphäre galt der Erdmond lange Zeit als „knochentrocken“. Wasser, so glaubte man, könne es im Gestein der lunaren Kruste und des Mantels kaum mehr geben. Doch schon die Gesteinsproben der Apollo-Missionen widersprachen dieser Annahme. In aus dem Mondmantel stammenden Einschlüssen vulkanischen Mondgesteins wurden teils überraschend hohe Wassergehalte von bis zu 200 Mikrogramm pro Gramm entdeckt. „Dies bewirkte einen Wandel der Vorstellungen hin zu einem relativ ‚nassen‘ lunaren Mantel“, erklären Huicun He von der chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking und ihre Kollegen.
Erste Analysen von Mantelgestein der abgewandten Mondseite
Allerdings beruhen die bisherigen Daten zum lunaren Mantelgestein fast ausschließlich auf Proben aus den sogenannten KREEP-Terranen der uns zugewandten Seite des Mondes. Dieses von Vulkanismus geprägte Terrain ist durch einen relativ hohen Gehalt an Seltenerdmetallen, Kalium, Phosphor und Thorium gekennzeichnet. Doch wie es mit dem Wassergehalt des Gesteins in den beiden anderen großen geochemischen Provinzen des Mondes aussieht, dem feldspatreichen Hochland der abgewandten Seite und dem Südpol-Aitken-Becken, war bisher unbekannt. Auffällig ist jedoch, dass diese beiden Provinzen im Gegensatz zu den KREEP-Terranen einen eher geringen Thoriumgehalt aufweisen. „Weil Thorium und Wasser sich in magmatischen Prozessen ähnlich verhalten und bevorzugt in der Schmelze bleiben statt auszukristallisieren, könnte der lunare Mantel im feldspatreichen Hochland und dem Südpol-Aitken-Becken auch weniger Wasser enthalten“, erklären He und ihr Team ihre Ausgangsvermutung.
Aufschluss darüber haben nun die Mondgesteinsproben gegeben, die die chinesische Mondsonde Chang‘e-6 im Sommer 2024 von ihrem Landeplatz im Südpol-Aitken-Becken der abgewandten Mondseite zur Erde zurückgebracht hat. Das Team um He hat 578 basaltische Gesteinspartikel aus diesen Proben untersucht, die auf Magma aus dem lunaren Mantel zurückgehen. Mithilfe verschiedener chemischer Methoden ermittelten die Forschenden den Wassergehalt in winzigen Mineraleinschlüssen dieser Gesteinskrümel. Außerdem führten sie Isotopenanalysen durch, um den Anteil des „schweren“ Wasserstoffs Deuterium in den Wassermolekülen zu ermitteln. Die Analysen ergaben, dass die Apatitkörnchen im Schnitt 1500 Mikrogramm Wasser pro Gramm enthielten, Ilmenit- und Olivin-Körnchen hingegen mit 21 bis 238 und 28 bis 41 Mikrogramm pro Gramm deutlich weniger. Daraus ergibt sich ein Wassergehalt des Basaltmagmas, aus dem diese Körnchen stammen, von 15 bis 168 Mikrogramm pro Gramm. Um jedoch den Gesamtwassergehalt des ursprünglichen lunaren Mantelgesteins zu ermitteln, waren weitere Analysen und Berechnungen nötig.
Trockener als auf der Vorderseite
Diese Untersuchungen lieferten erstmals Informationen darüber, wie viel Wasser das lunare Mantelgestein unter dem Südpol-Aitken-Becken enthält. „Die Mantelgesteinsquelle des Chang’e-6-Basalts enthielt unseren Schätzungen zufolge einen Wassergehalt von 1 bis 1,5 Mikrogramm pro Gramm Gestein“, berichten He und ihre Kollegen. „Das legt nahe, dass dieses Mantelgestein trockener ist als das der meisten Proben von der zugewandten Seite.“ Sollte dies auch für das lunare Hochland der abgewandten Seite gelten, könnte der lunare Mantel ähnlich heterogen sein wie die Krustengesteine der Mondoberfläche – auch er wäre demnach geologisch zweigeteilt. Dies wiederum könnte entscheidende Hinweise auf die frühe geologische Geschichte des Erdtrabanten und die Rolle der Mond-erzeugenden Kollision für diese Dichotomie liefern. Denkbar wäre jedoch auch, dass diese Wasserarmut spezifisch für den Mondmantel unter dem Südpol-Aitken-Becken gilt. Der gewaltige Einschlag könnte demnach das Mantelgestein so stark erhitzt haben, dass Wasser und andere flüchtige Substanzen zum größten Teil ausgasten.
Was zutrifft, lässt sich aufgrund der Gesteinsproben von nur einer einzigen Landestelle auf der Mondrückseite aber noch nicht sagen, wie auch He und ihr Team erklären: „Es ist noch unklar, ob der von uns hier dokumentierte trockenere Mantel unter dem Südpol-Aitken-Becken verbreitet ist oder über die gesamte abgewandte Seite des Mondes“, schreiben sie. Dies könne aber in naher Zukunft durch Missionen des Artemis-Programms der USA und auch chinesischer Nachfolgemissionen geklärt werden. Diese müssten dann lunare Gesteinsproben auch von anderen Orten auf der Mondrückseite sammeln und zurückbringen.
Quelle: Huicun He (Key Laboratory of the Earth and Planetary Physics, Chinese Academy of Sciences, Beijing) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-025-08870-x
Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.
Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Wissenschaft kategorie besuchen.