#Machen Smartphones anfälliger für Fake News?
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Für viele Menschen ist das Smartphone zum alltäglichen Begleiter geworden. Auf dem kleinen Bildschirm scrollen sie durch soziale Medien, checken E-Mails und lesen Nachrichten, egal wo sie sich gerade befinden. Wie wirkt sich das auf die kognitive Verarbeitung der Inhalte aus? Eine Studie zeigt nun, dass routinemäßige Smartphone-Nutzer Informationen auf dem Smartphone in kürzerer Zeit verarbeiten als am PC. Allerdings sind sie dabei weniger wachsam gegenüber Fehlinformationen.
Smartphones ermöglichen, eine Vielzahl von Inhalten zu konsumieren, von Unterhaltung und Kommunikation bis hin zu beruflichen Informationen, egal ob zu Hause oder unterwegs. Inzwischen sind viele Menschen häufiger mit dem Smartphone online als mit dem PC. Im Vergleich zu Laptops und Desktop-Computern haben Smartphones einen kleineren Bildschirm, andere Eingabemöglichkeiten und werden üblicherweise in variableren Situationen genutzt. Ob sich diese Unterschiede auch darin spiegeln, wie Nutzer die konsumierten Inhalte kognitiv verarbeiten, ist bislang aber weitgehend unbekannt.
Feldversuche mit eigenen Geräten
Ein Team um Mengqi Liao von der Pennsylvania State University hat nun in zwei Feldversuchen verglichen, wie der Gerätetyp die Verarbeitung und Bewertung von Informationen beeinflusst. Bei beiden Experimenten füllten die Teilnehmenden eine Online-Umfrage auf ihrem eigenen Gerät außerhalb des Labors aus – mit allen Ablenkungen, die dabei zufälligerweise auftraten. Das Forschungsteam teilte die Teilnehmenden zu Beginn zufällig in die Smartphone- oder die PC-Gruppe ein und wies sie an, den Fragebogen auf dem jeweiligen Gerät zu bearbeiten.
„Normalerweise versuchen wir bei der Durchführung von Studien, so viele externe Faktoren wie möglich zu kontrollieren, aber in diesem Fall haben wir Feldexperimente durchgeführt, weil wir die Unterschiede in der Informationsverarbeitung zwischen den beiden verschiedenen Geräten auf natürliche Weise testen wollten, indem wir alle Geräusche und Ablenkungen einbeziehen, denen die Menschen bei ihrer täglichen Nutzung begegnen“, erklärt Liao.
Effizienter am Smartphone?
Am ersten Feldversuch nahmen 116 Probanden teil, die über die Plattform Amazon Mechanical Turk rekrutiert wurden. Sie erhielten jeweils zwei seriöse E-Mails, in denen es um eine Konzertankündigung und ein Online-Seminar zum Thema COVID-19 ging, sowie zwei Spam-Mails, die dazu aufforderten, die Amazon-Kontoinformationen zu verifizieren und Steuerdaten anzugeben, um eine angebliche Rückzahlung zu erhalten. Außerdem sahen sie mehrere Bilder. Per Fragebogen erfassten die Forschenden, wie gut sich die Testpersonen an Details der E-Mails und Bilder erinnern konnten, und ob sie gegenüber den Spam-Mails misstrauisch geworden waren.
„Bei diesem Versuch fanden wir keine großen Unterschiede zwischen den beiden Geräten in Bezug auf die Informationsverarbeitung, abgesehen von der Tatsache, dass mobile Nutzer Informationen schneller verarbeiten“, berichtet Liao. Da die Smartphone-Nutzer ähnlich viele Informationen behielten wie die PC-Nutzer, sich insgesamt aber kürzer mit den einzelnen Inhalten beschäftigten, folgern die Forschenden, dass die Informationsverarbeitung am Smartphone effizienter sein kann als am PC.
Fehlende Skepsis
Der zweite Feldversuch offenbarte allerdings auch Fallstricke bei der Smartphone-Nutzung. Wie im ersten Versuch bekamen die Probanden – dieses Mal 241 Studierende – seriöse und Spam-Mails. Statt der Bilder erhielten sie eine von sechs journalistisch aufbereiteten Nachrichten mit einer Falschmeldung – etwa die Behauptung, dass die ehemalige US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton verhaftet worden sei oder dass ein Profiboxer nach einer Covid-19-Impfung auf der Intensivstation behandelt werden musste. Dabei erhoben die Forschenden, wie viel Zeit die Testpersonen den einzelnen Inhalten widmeten, wie skeptisch sie sich bei einer anschließenden Befragung gegenüber den Falschinformationen zeigten und ob sie auf die gefälschten Links in den Spam-Mails klickten.
„Bei diesem Versuch war es wahrscheinlicher, dass wir schädliche Auswirkungen beobachten, wenn Menschen Informationen oberflächlich verarbeiten“, sagt Liao. Tatsächlich zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen der Smartphone- und der PC-Gruppe: Wer die Falschnachrichten am Smartphone gelesen hatte, gab im Anschluss deutlich seltener an, die Informationen noch einmal nachprüfen zu wollen, bevor sie sie mit anderen teilen. Die Laptop-Nutzer erwiesen sich dagegen bei Phishing-Mails als unvorsichtiger. Deutlich häufiger als die Smartphone-Nutzer klickten sie unbedarft potenziell schädliche Links an.
Verarbeitung bewusst verlangsamen
„Die Einstellung bei Mobiltelefonen scheint zu sein, dass man weniger geneigt ist, Informationen weiterzuverfolgen, da es aufwendig ist, dafür beispielsweise von einer App zur anderen zu wechseln, während man bei E-Mails auf einem PC im Arbeitsmodus ist und sich vielleicht in die Tiefe begeben möchte“, sagte Liaos Kollege Shyam Sundar. „Das ist vielleicht der Grund, warum mobile Nutzer schnell Fehlinformationen weitergeben, ohne sich die Mühe zu machen, die Informationen zunächst zu überprüfen, und PC-Nutzer dazu neigen, auf Links zu klicken, auf die sie nicht klicken sollten.“ Denkbar sei zudem, dass sich PC-Nutzer stark auf ihre Anti-Viren-Software verlassen und deshalb weniger vorsichtig sind, welche Links sie anklicken.
„Angesichts der vielen Fehlinformationen im Internet wird es immer dringender, dass wir die Nutzer über diese Risiken aufklären“, so Liao. „Als PC-Nutzer sollte man nicht auf einen neuen Link klicken, nur weil es bequem ist, denn das kann zu gefährlichen Ergebnissen führen. Und da Mobiltelefone die Wachsamkeit einschränken können, sollte man vielleicht etwas langsamer und vorsichtiger sein, wenn man Informationen auf diesen Geräten verarbeitet.“
Quelle: Mengqi Liao (Pennsylvania State University) et al., New Media & Society, doi: 10.1177/14614448231209475
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